Von Micha Hörnle
Schriesheim. Für Bürgermeister Hansjörg Höfer neigt sich seine Amtszeit dem Ende zu, ein gutes Jahr hat der 64-Jährige noch. Die RNZ wollte von ihm wissen, wie er auf dieses coronageplagte Jahr zurückblickt – und was im nächsten Jahr wichtig wird.
Herr Höfer, dieses Jahr dominierte eindeutig Corona. Gab es für Sie trotz alledem einen Höhepunkt?
Ich mache immer einen Jahresplan mit Terminen – aber dann brach alles ab. Das ist ganz ungewohnt, wenn man ein ganzes Jahr im Voraus plant und dann auf eine solche Krise reagieren muss, in der sich dann auch noch das gesellschaftliche Zusammenleben maßgeblich verändert. Aber es war doch schön zu sehen, wie solidarisch die Menschen in allen Lebensbereichen waren. Man rückte zusammen und half sich gegenseitig. Das war mein Höhepunkt des Jahres.
Was war denn für Sie ein Tiefpunkt?
Die Sorge um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger hat alles andere in den Hintergrund treten lassen. Die Schriesheimer sollen möglichst unbeschadet aus der Krise kommen.
Wie gut ist Ihrer Meinung nach Ihre Stadt durch die Krise gekommen?
Im Sommer sehr gut, und ich habe im September gehofft, dass wir von der zweiten Welle verschont bleiben. Das war leider nicht ganz so. Mit 13 bis 35 aktiven Coronafällen seit November machen wir eine Seitwärtsbewegung. Vier Personen liegen im Krankenhaus, drei Bürger sind in Verbindung mit Corona verstorben. Das sind relativ niedrige Werte, zumal bei uns kein Altersheim von einem großen Ausbruch betroffen war.
Kennen Sie persönlich Leute, die sich mit Corona infiziert haben?
Ich bekomme täglich die Namen derjenigen, die in Quarantäne sind. Als Ortspolizeibehörde fungiert unser Ordnungsamt, das eine hervorragende Arbeit leistet, als Ansprechpartner für diese Personen. Ich persönlich kenne einige, die positiv getestet wurden oder die in Quarantäne waren. Das nimmt einen schon mit, wenn darunter Leute aus dem persönlichen Umfeld sind.
Und natürlich fragen sich viele, ob es mitten in einer Pandemie einen Mathaisemarkt geben kann.
Wir werden bis Mitte Januar abwarten. Dann wissen wir, wie sich die Impfungen entwickeln, und treffen dann eine Entscheidung.
Ein Festzelt wird es wohl nicht geben …
Das ist nicht möglich unter den heutigen Bedingungen. Das ist auch beim Rummel so. Im Sommer waren noch Begegnungen mit 500 Personen möglich, jetzt sind wir bei fünf.
Wäre es dann nicht konsequent, jetzt den Mathaisemarkt abzusagen?
Natürlich hängt das Herz der Schriesheimer am Mathaisemarkt. Zusätzlich habe ich eine Verantwortung für die Schausteller, gerade dass sie dem Mathaisemarkt lange verbunden bleiben. Und darum treffen wir die Entscheidung erst Mitte Januar.
Wäre es denn eine Option, ihn im Sommer nachzuholen, wenn die Pandemie vielleicht vorbei ist?
Das schließe ich nicht völlig aus. Allerdings haben die Schausteller dann auch schon ihre eigenen Planungen.
Glauben Sie selbst daran, dass die Pandemie im Sommer gepackt ist?
Ich setze große Hoffnungen auf die Impfungen und damit einhergehend auf die Herdenimmunität. Ich hoffe, dass wir bis zum Sommer in eine gewisse Normalität zurückfinden. Dazu ist es notwendig, dass sich möglichst viele impfen lassen.
Werden Sie sich impfen lassen?
Ja, wenn ich die Benachrichtigung bekomme. Und auf dem Weg zur Normalität wäre das ja das geringste Opfer. Ich habe auch eine Verantwortung meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber.
Wen hat Ihrer Meinung nach die Pandemie am meisten getroffen?
Das medizinische Fachpersonal ist in diesen Zeiten natürlich in besonderem Maße gefordert. Diese Menschen erbringen Tag für Tag eine enorme Leistung für alle Gesellschaftsmitglieder. Auch für die Kinder und Jugendlichen, die nicht mehr in die Kindergärten oder Schulen gehen und ihre Freunde treffen können, ist das schon ein tiefer Einschnitt im Leben. Und ich denke an die vielen älteren und erkrankten Mitmenschen, die jetzt von vielen Kontakten abgeschnitten sind.
Und wie sieht es bei den Vereinen aus, die doch das Rückgrat des gesellschaftlichen Lebens in Schriesheim sind?
Diese Krise hat uns allen gezeigt, wie wichtig Gemeinschaft ist. Hier wurde besonders der Wert der Vereine deutlich. Vielleicht werden sich ihre Mitgliederzahlen verändern, aber im Großen und Ganzen hat man ihnen doch die Treue gehalten. Von daher glaube ich nicht, dass die Vereine nach der Pandemie auf der Strecke bleiben werden.
So richtig schlimm ist es aber im Moment in der Gastronomie, oder?
Das Wegbrechen der Einnahmen ist eine Katastrophe. Ich appelliere an die Vermieter, den Wirten in diesen schwierigen Zeiten entgegenzukommen. Ich war ja auch selbstständig und kann gut nachfühlen, wie schlimm diese Situation für die in der Gastronomie tätigen Menschen ist.
Mir ist aufgefallen, dass deutlich weniger Gaststätten im zweiten Lockdown Abhol- und Lieferdienste anbieten.
Die meisten traditionellen Gasthäuser beteiligen sich ja daran. Das ist ja auch oftmals eher eine Art Kundenpflege. Die grundsätzliche Frage ist es nun mal, ob es sich rechnet, den Betrieb zu öffnen.
In solch einer Zeit gibt es wohl auch keine Hoffnungen, die Gastro-Leerstände wie den Strahlenberger Hof oder den Kaiser wiederzubeleben…
Ich habe bisher keine Signale erhalten. Aber die Leerstände, die ich sehr bedauere, haben mit der Pandemie nichts zu tun. Insofern bin ich guter Dinge, dass beide Gaststätten wieder eröffnen. Schließlich sind das attraktive Gebäude – und es würde auch der Innenstadt guttun.
Im Moment gibt es keine Diskussionen mehr um die Gymnasiumsanierung. Ist das Thema nun "abgeräumt"?
Jahrelang haben wir über die Sanierung diskutiert, zentraler Punkt war immer die Finanzierung. Deswegen hat auch der Gemeinderat eine Zehn-Jahres-Finanzplanung gewünscht, um zu sehen, ob wir die Sanierung auch schultern können. Im Moment haben wir gute Steuereinnahmen, niedrige Zinsen und Bundeszuschüsse. Diese drei Faktoren haben die Sanierung erst ermöglicht. Allein bei höheren Zinsen wäre eine Finanzierung nicht machbar gewesen.
Sie sprechen gerade die Zehn-Jahres-Finanzplanung an. Laut Kämmerer Volker Arras droht Schriesheim, sich finanziell zu übernehmen.
Wir haben in den nächsten zehn Jahren Investitionen von fast 70 Millionen vor, das ist schon eine große Aufgabe. Solange die Steuereinnahmen so gut sind, können wir das auch finanziell stemmen – wenn auch vielleicht nicht innerhalb des Zeitplans, den wir anstreben. Die Botschaft des Kämmerers ist, dass wir uns keinen Luxus erlauben können und finanziell solide sein müssen.
Arras hat auch eine Prioritätenliste gefordert. Was gehen Sie als nächstes an?
Im Hinblick auf die Baumaßnahmen werde ich den Fraktionen im Haushalt 2021 den Neubau eines Kindergartens vorschlagen.
Da gibt es ja Diskussionen um den Standort: Sie wollen den Neubau am Standort Conradstraße, wo jetzt schon die Container stehen, die Grüne Liste will ihn auf dem Festplatz haben.
Das werde ich mit den Fraktionen diskutieren. Im Haushalt 2021 werden wir eine Planungsrate einstellen. Wenn sich der Gemeinderat für den Platz, den ich vorschlage, entscheidet, können wir noch bis Ende 2021 mit einer Baugenehmigung rechnen.
Mit der Sanierung der Talstraße wird es ja noch dauern. Platzt mit dem Neubau beider Brücken dort endlich der Knoten?
Die Talstraße ist nur eines von drei Sanierungsgebieten, die wir haben. Und es gibt dort schon etliche Eigentümer, die bereits ihre Häuser sanieren. Die große Veränderung wird es weniger wegen der Brückenneubauten geben, sondern wenn wir mit der darüber hinausgehenden Planung des Sanierungsgebiets beginnen. Auch mit der Verlagerung des Hauses Edelstein eröffnen sich neue Möglichkeiten, um dort viel Wohnraum zu schaffen.
Damit sprechen Sie ein weiteres zentrales Projekt mitten in der Stadt an: die Neunutzung des Gärtner-Geländes.
Der demografische Wandel, also die alternde Gesellschaft, ist für mich eine der zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre. Nun gehen die geburtenstarken Jahrgänge, zu denen ich gehöre, in die Rente und müssen vielleicht später auch gepflegt werden. Das Gärtner-Gelände ist hervorragend angebunden und nah zur Altstadt. Der Wettbewerb unter den drei Planungsbüros ist ausgeschrieben, die Planungen werden im Januar vorliegen – und dann werden wir sie bewerten. Wenn alles gut geht, sind wir Mitte nächsten Jahres schon ein großes Stück weiter.
Schmerzt Sie es denn persönlich, wenn Sie ein Projekt mit angestoßen haben, aber nicht mehr als Bürgermeister erleben können, wenn es fertig wird?
Natürlich ist es nicht ganz einfach, ein Projekt abzuhaken, wenn man emotional eingebunden ist. Aber Veränderungen gibt es in Schriesheim immer, wird es immer geben. Und natürlich freut es mich auch noch im Ruhestand, wenn etwas geglückt ist.