Von Agnieszka Dorn
Rauenberg/Walldorf. Die kulinarische Reise ging ins italienische Apulien: Es gab Orecchiette, eine landestypische Pastasorte, guten Wein und nach dem Essen einen passenden Digestif. Die Reiseleitung erklärte etwas über das beliebte Urlaubsziel und die typischen Speisen der Region am Absatz des italienischen "Stiefels". Eine Mund-Nasenbedeckung war nicht notwendig, denn die kulinarische Reise fand online statt: Über eine Videoübertragung kochte jeder und jede in der eigenen Küche und aß anschließend im eigenen Wohnzimmer.
Denn unter dem Motto "Tschüss Corona Blues" veranstaltet das Rauenberger Reisebüro "Service Plus Reisen" seit Neustem landestypische Kochabende – teilnehmen kann man per Videoübertragung auf einer Internet-Plattform. "Wir mussten irgendetwas machen", sagt Volker Schmidt, Inhaber des Reisebüros. Die Kochabende kommen gut an, sogar die ausländische Reiseleitung habe sich zugeschaltet und mitgekocht.
Wegen der weltweit anhaltenden Pandemie sieht es schon seit Monaten in der Reise- und Tourismusbranche nicht gut aus. Einige Reisebüros haben bereits endgültig schließen müssen, andere mussten Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter entlassen. "Die Branche hat das so noch nicht erlebt und leidet immens", erklärt Schmidt, der neben Rauenberg auch in Ladenburg und im hessischen Mörlenbach Reisebüros führt.
Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr gab es über den Sommer zwar einige Buchungen – die meisten Reisen gingen nach Griechenland oder Osteuropa – dennoch ist die Lage sehr angespannt. Seit November liegt die Tourismusbranche wieder auf Eis, die Reisebüros hoffen mit dem Impfstoff nun auf einen Aufschwung ab Pfingsten oder Sommer.
"Wir verdienen nichts, weil die wenigen gebuchten Reisen wieder storniert wurden und somit fällt auch die Provision weg", so der Reisebüroinhaber. Dafür gebe es Arbeit mit den Rückbuchungen. Um den Kundinnen und Kunden dennoch etwas zu bieten, ließ sich Reisefachmann Volker Schmidt in den letzten Monaten einiges einfallen: "Wir haben unser Reisebüro kurzerhand zu einem Reise- und Accessoires-Shop erweitert", erzählt Schmidt schmunzelnd. Unter anderem gebe es dort selbst hergestellte Handtaschen, Schlüsselanhänger und sogar eine original Flugbegleiteruniform sowie ein echtes Flugzeugbordfenster. An originellen Ideen mangele es also nicht, allerdings lasse sich damit nicht unbedingt etwas verdienen.
Dennoch kommen Schmidts Kochabende sehr gut an, Apulien war das erste Ziel des Konzepts. Weitere Online-Kochabende sind geplant, kulinarisch geht es dann etwa nach Irland, Norwegen oder Südtirol. Wer sich zu einem Kochabend anmeldet, erhält eine Liste mit den notwendigen Zutaten und eine Anleitung für die Zubereitung. Während des Kochens tauscht man sich dann online über kulinarische Köstlichkeiten, Land und Leute aus. Ein Thema wird allerdings nicht angeschnitten. "Das Thema Corona ist bei den Kochabenden tabu", betont der Reisefachmann. Schließlich sollen die Kochabende eine nette und gemeinsame Abwechslung zur Pandemie sein, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen dabei die Seele baumeln lassen.
Mit einer völligen Entspannung des Reisemarkts rechnet Schmidt indes nicht vor 2025 und auch das Reisen wird sich in Zukunft verändern, meint er. In manche Länder werde man nicht ohne eine Corona-Impfung einreisen können, das sei allerdings nichts Neues: Schon in der Vergangenheit musste man bei der Einreise in bestimmte Länder entsprechende Impfungen vorweisen.
Auch das Walldorfer Reisebüro "Travel Center Ed + Ad" hat zwischenzeitlich einen Online-Shop für Reiseartikel aufgebaut. Dort gibt es unter anderem Koffer, Wasserbälle, Kosmetiktaschen, Badetücher und – passend zur Jahreszeit – einen Schneerutscher, auf dem man sitzend den schneebedeckten Hügel herunterpesen kann. "Wir haben unser Angebot somit ein wenig erweitert", erklärt Geschäftsführer Gradus Cornelis Hoogenberg. Die Situation in der Branche sei nicht einfach: Hatte das Reisebüro Anfang des Jahres noch fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, führt es Hoogenberg jetzt alleine. Allerdings seien alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in anderen Branchen untergekommen, keiner sei arbeitslos geworden. Hoogenbergs Frau und Tochter helfen nun auf 450-Euro-Basis mit.
Über den Sommer gab es auch im Walldorfer Reisebüro einige Buchungen, das Hauptziel war Griechenland, wo die Infektionszahlen vergleichsweise gering waren. Seit dem "Lockdown light" habe das Reisebüro aber keine einzige Buchung und somit auch keine Provision erhalten. Die Situation sei sehr schwierig, so Hoogenberg. Dennoch blickt der Reisebüroinhaber mit dem Impfstoff optimistisch in die Zukunft und hofft auf eine Entspannung der Situation bis Pfingsten beziehungsweise Sommer.