Nach Angaben der Gesellschaft für Virologie (GfV) ist in Deutschland bislang noch kein bestätigter Fall einer Infektion mit der in Großbritannien zirkulierenden, mutierten Variante des Coronavirus entdeckt worden. In einer Stellungnahme vom 22. Dezember erklärt der GfV-Vorstand, dass im Konsiliarlabor für Coronaviren in Berlin 834 Genomsequenzen aus allen Teilen Deutschlands untersucht wurden – "ohne dabei auf die neue Variante gestoßen zu sein".
Darüber hinaus wurden in verschiedenen anderen virologischen Laboren in Deutschland mehr als 1.400 Genomsequenzen und über 500 Teilsequenzen untersucht. Die neue Variante habe nicht nachgewiesen werden können. Allerdings weisen die Virologen darauf hin, dass die Sequenzierung gesamter Virusgenome und die bioinformatische Auswertung zeitaufwendige Prozesse seien, sodass "alle vorhandenen Daten immer nur eine Momentaufnahme darstellen".
Derzeit werde mit Hochdruck an der Entwicklung von PCR-Verfahren zum spezifischen Nachweis der neuen Sars-CoV-2-Variante gearbeitet, "um die Verbreitung beziehungsweise Ausbreitung dieser Variante gezielt und durch die Testung großer Probenzahlen effizient erfassen zu können".
Die Gesellschaft für Virologie zitiert eine Risikoeinschätzung des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), nachdem die neue Virusvariante "möglicherweise eine bis zu 70 Prozent höhere Übertragungsrate als bisher zirkulierende SARS-CoV-2 Varianten" habe. Allerdings sei das bislang nur eine Schätzung, die "in weiteren Untersuchungen überprüft werden" müsse.
"Die GfV weist ferner darauf hin, dass eine raschere Ausbreitung des SARS-CoV-2 nicht notwendigerweise mit schwereren Krankheitsverläufen einhergehen muss."
Die Gesellschaft empfiehlt dringend "die Einhaltung von Hygienemaßnahmen" und betont, dass eine "systematische molekulare Surveillance" (Überwachung) in Deutschland unerlässlich sei.
Unterdessen kritisierten Experten, dass es in Deutschland kein ausreichendes System gebe, um Erbgutmutationen des Virus frühzeitig zu erkennen. Corona-Mutationen wie in Großbritannien könnten in Deutschland relativ lange unerkannt bleiben. Der Freiburger Virologe Hartmut Hengel erklärte in der Tagesschau, dass man eine "generelle organisierte Überwachung brauche, um solche Virusvarianten frühzeitig zu erkennen und zu verfolgen". Clemens Wendtner, Chefarzt an der München Klinik Schwabing, erklärte gegenüber dem Spiegel:
"Nur durch stringentes Testen ist es den Briten gelungen, diese neue Variante zu erkennen."
Auch der Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Düsseldorf, Jörg Timm, findet, dass die 20 bis 30 Proben, von denen er jede Woche die Erbgutsequenzen entziffert, bei Weitem nicht ausreichen, um auszuschließen, dass die neue Variante beispielsweise bereits in Düsseldorf kursiere.
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(rt/dpa)