Die Zahl der Podcasts explodiert: Laut dem Online Audio Monitor gibt über 500 Prozent mehr Formate als noch im letzten Jahr. Immer mehr Podcaster suchen in Plattformen oder Sendeanstalten Partner, die das finanzielle Anschub-Investment tragen. Ein Black-Listicle der Verkaufsargumente.
Neulich fragte mich ein guter Freund, der unabhängiger Podcaster ist, was eigentlich auf der anderen Seite passiert, wenn er als Produzent ein Konzept bei einer Plattform oder einem Sender einreicht. Schaut ihr euch das überhaupt genau an? Was führt dazu, dass ein Konzept eine Exklusiv-Produktion wird? Die Podcast-Branche hat sich genug professionalisiert, um eine Art Bingo der Verkaufsargumente zu ermöglichen. Sätze, die schon im ersten Gespräch die Spreu vom Weizen trennen – weil sie entlarven, wer wirklich ein tolles Konzept hat und wer auf schnelles Geld hofft.
„Das ist wie Netflix, aber für die Ohren!“
Die Intention ist klar: Man will etwas Disruptives, grundlegend Neues schaffen, das emotional berührt, aufrüttelt, hochwertig produziert ist. Etwas, das Vorhandenes ersetzt, das aus Radiogeräten das macht, was durch Netflix aus Videotheken wurde. Aber: Audio funktioniert anders als Video, vor allem deshalb, weil die starken Bilder in anderen Ebenen produziert werden müssen. Es wäre sinnvoller, die Referenzen im eigenen Medium zu suchen, als sich mit einer US-SVod-Plattform zu vergleichen. Dass Netflix noch nie Geld verdient hat, könnte hier sogar als dunkles Foreshadowing ausgelegt werden …
„Uns beiden abends mit einem Glas Wein am Küchentisch zuzuhören: Das könnte man direkt so senden!„
Es ist gesund, wenn man das, was man zu sagen hat, selbst relevant findet. Doch um eine breite Zielgruppe von mehreren tausend oder gar hunderttausenden Menschen über den Zeitraum einer Podcast-Folge zu unterhalten, bedarf es in den meisten Fällen mehr als ein Glas Wein an Vorbereitung. Inhalt, Struktur und Konzept wollen überlegt sein – und auch die Post-Produktion hat ihre Berechtigung. Der Unterschied zwischen „Laber-Podcasts“ und „Gesprächsformaten“ besteht meist genau darin. Es klingt einfach und unkompliziert, wenn zwei Menschen sich unterhalten – doch schlägt sich Vor- und Nachbereitung wie in so vielen anderen Medien auch in den Erfolgszahlen nieder. Sich mit der Zielgruppe zu befassen, vielleicht sogar ein wenig nachzuforschen, wer zuhört und welche Themen gut ankommen, macht Sinn. Mehr als das Glas Wein.
„Über die Zahlen brauchen wir da nicht sprechen.“
Das Umfeld ist in der Podcast-Vermarktung enorm wichtig – und doch müssen wir über Reichweiten sprechen. Die Tatsache, dass wir noch keinen einigen Mess-Standard oder gar eine unabhängige Instanz zur Messung von Reichweiten eingeführt haben, ist, wie ich bereits in einer früheren anderen Kolumne beschrieben habe, ein Hindernis in der Professionalisierung des Marktes. Während Agenturen eigene Podcast-Units aufbauen, um dem neuen Medium besser begegnen zu können, sinken die Chancen, einem begeisterten Marketingchef ein Format völlig ohne Zahlen verkaufen zu können. Und: Wer etwas verkaufen, aber nicht über die eigenen Zahlen sprechen möchte, ist schon grundsätzlich mal suspekt.
„Das haben wir früher auch schon so gemacht.„
Viele neu-Podcaster stammen aus etablierten Medienhäusern, ob TV, Online oder Radio. Und klar, Kompetenz und Arbeitserfahrung sind immer ein Argument auf der Pro-Seite für eine Zusammenarbeit. Doch: Podcast ist ein neues Medium und muss auch als solches begriffen werden. Learnings aus anderen Mediengattungen sind wertvoll, gerade wenn es um den Reichweiten- und Markenaufbau geht. Doch sind sie nie 1:1 übertragbar. Wer sich nicht komplett auf das neue, unbekannte Medium einlässt, wird auch nicht der sein, der wegweisende Projekte startet.
Listicle-Ende: Was dem zugrunde liegt, ist die durch den Blick in die USA ausgelöste Goldgräber-Stimmung, Podcasts könnten das ’next big thing‘ sein, ‚easy money‘, einfach ein Mikro aufstellen und los geht’s. Und ja, es gibt sie, die Podcast-Millionäre, auch in Deutschland – die mit ihren Formaten entweder große Werbe-Deals oder lukrative Exklusiv-Deals eingefahren haben. Doch am Anfang jeder Grube steht der richtige Spaten, um sie auszuheben: Das Podcast-Handwerk muss sich weiter professionalisieren, sich selbst ernst nehmen, sich Standards stellen. Dann klappt’s, hoffentlich, auch mit dem Gold.
Mirijam Trunk ist ein echtes Radiokind und Geschäftsführerin der Audio Alliance. Für MEEDIA schreibt sie über den Audiomarkt in Europa.