Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart, und Sören S. Sgries
Stuttgart. Deutschland steht vor dem zweiten Lockdown dieser Pandemie. Ab Mittwoch soll das öffentliche Leben "heruntergefahren werden", um menschliche Kontakte weitest möglich zu verhindern. So will die Politik die Ausbreitung des Coronavirus behindern. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer und die Kanzlerin haben diesen Schritt am Sonntag beschlossen. Auch der pädagogische Bereich ist betroffen. Die Ferien werden für hunderttausende Kinder und Jugendliche um wenige Tage verlängert. Einige Fragen und Antworten zu Schulen und Kindergärten:
Werden die Schulen geschlossen? Ja, alle Schulen in Baden-Württemberg werden von Mittwoch, 16. Dezember, bis Sonntag, 10. Januar 2021, offiziell geschlossen. Das haben Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) am Sonntag mitgeteilt. Netto entspricht das in Baden-Württemberg einer Verlängerung der Ferien um fünf Tage nach vorne. In der Realität aber bleiben die Schulen vorerst geöffnet, denn es wird Betreuungsangebote geben. Auch Lehrer müssen bis zum bisher als letzten Schultag vorgesehenen Dienstag, 22. Dezember, zum Dienst erscheinen.
> Was gilt für Schulen in Hessen, Bayern und Rheinland-Pfalz? In Bayern gelten grundsätzlich die gleichen Regeln wie im Südwesten: Der heutige Dienstag, 15. Dezember, ist für die meisten Schüler der letzte Unterrichtstag – einige, wie etwa Abschlussklassen, sollen aber im Distanzunterricht betreut werden. In Hessen und Rheinland-Pfalz sehen die Vorgaben anders aus. In Hessen sollen die Schüler freiwillig am Mittwoch, Donnerstag und Freitag in den Fernunterricht wechseln. Präsenzunterricht darf aber weiter stattfinden. Danach beginnen bereits regulär die Ferien. In Rheinland-Pfalz können Schüler ebenfalls zuhause bleiben. Hier heißt es aber explizit: "Fernunterricht muss in diesen drei Tagen nicht stattfinden." Wenn in Rheinland-Pfalz am 4. Januar der Unterricht wieder beginnt, dann allerdings ausschließlich im Fernunterricht.
Was gilt für Kindertagesstätten im Südwesten? Im Grunde das gleiche wie für Schulen. Auch sie werden grundsätzlich geschlossen, sollen aber eine Notbetreuung anbieten. Da viele Kitas andere Schließzeiten haben als die Schulen, sollen sie die Notbetreuung bis 10. Januar einplanen.
Wer hat Anspruch auf einen Platz in der Notbetreuung? Kita-Kinder, Schüler an sonderpädagogischen Einrichtungen und Schüler an Regelschulen bis einschließlich Klasse 7 – aber immer nur, wenn beide Erziehungsberechtigte (oder der Alleinerziehende) von ihrem Arbeitgeber als unabkömmlich eingestuft werden. Das gilt laut Kultusministerium auch, wenn man im Home-Office arbeitet. Auch Kinder, für deren Kindeswohl das Jugendamt eine Betreuung als notwendig ansieht, haben Anspruch auf Notbetreuung.
Wie sieht die Notbetreuung aus? An Schulen soll es sie an den bisher regulären Schultagen 16., 17., 18., 21. und 22. Dezember geben, und zwar zu den Unterrichtszeiten. An Kitas vorerst an den üblichen Öffnungstagen bis zum 10. Januar. Als Betreuer fungieren Lehrer und Erzieher.
Gibt es die Notbetreuung nur für Kinder, deren Eltern bestimmte Berufe haben? Nein, das ist anders als im Frühjahr. Im ersten Lockdown hatten nur Eltern, die in systemrelevanten Berufen arbeiteten, Anspruch auf einen Platz für ihr Kind. Diesmal gilt es für jeden Job – wenn die Eltern "unabkömmlich" sind. Das dürfte auf viele Arbeitnehmer zutreffen. Kretschmann appelliert: "Bitte verzichten Sie aber auf die Notbetreuung, wenn das möglich ist – um die Kontakte so weit wie möglich zu reduzieren."
Was bedeutet das für Eltern? Sie müssen schnell klären, ob ihr Arbeitgeber sie als unabkömmlich einstuft und gegebenenfalls mit der Einrichtung Kontakt aufnehmen. Das Land verlangt keine Unabkömmlichkeitsbescheinigungen von Arbeitgebern. Es gibt jedoch Schulen und Kitas, die so etwas trotzdem verlangen. Im Bund-Länder-Beschluss ist zudem von Zusatzurlaub die Rede: "Für Eltern werden zusätzliche Möglichkeiten geschaffen, für die Betreuung der Kinder im genannten Zeitraum bezahlten Urlaub zu nehmen." Näheres dazu war gestern nicht zu erfahren.
Wird es an Schulen ersatzweise Fernunterricht geben? Ja, aber nur für Abschlussklassen an den fünf Schultagen, die nun ausfallen. Das sind alle Schüler der weiterführenden Schulen, die im Sommer 2021 Abschlussprüfungen ablegen wollen sowie die gesamte gymnasiale Oberstufe – alles in allem ca. 200.000 Schüler.
Warum gibt es nicht Fernunterricht für alle Kinder? Laut Eisenmanns Sprecherin ging es darum, die Abschlussklassen besonders zu unterstützen und Schulen nicht zu überfordern. Notbetreuung plus Fernunterricht für alle Schüler wäre zu aufwendig gewesen. Der Landeselternbeirat kritisiert das und fordert, dass nicht nur Abschlussklassen Fernlernangebote erhalten, sondern alle Klassen. Der Vorsitzende des Beirats Michael Mittelstaedt beruft sich dabei auf den Beschluss der Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Darin heißt es: "Es wird eine Notfallbetreuung sichergestellt und Distanzlernen angeboten."
Ist gesichert, dass Schulen und Kitas im Januar wieder öffnen? Nein, das ist zwar das Ziel, aber die Voraussetzung ist ein drastischer Rückgang der Infektionszahlen. Sowohl Kretschmann als auch Eisenmann knüpfen eine Öffnung ab dem 11. Januar an das Infektionsgeschehen. Kretschmann hat mehrfach erklärt, eine 7-Tage-Inzidenz von 50 anzustreben. In einem Brief Eisenmanns an die Kitas und Schulen heißt es, ihr sei "die Feststellung wichtig, dass wir klare Perspektiven für die Schulen und Kitas" über das Ende der Weihnachtsferien hinaus brauchen. Diese müssten "prioritär wieder geöffnet werden, denn unsere Kinder und Jugendlichen haben ein Recht auf Bildung und soziale Teilhabe".
Gab es zuletzt besonders viele Corona-Fälle an Schulen und Kitas? Nein. Die Einrichtungen gelten weiterhin nicht als zentrale Treiber der Pandemie – allerdings ist nur noch für rund ein Drittel der Infektionen nachvollziehbar, wo die Ansteckung erfolgte. Dass also auch eine Verbreitung des Virus über Schüler stattfindet, muss angenommen werden. Geschlossen waren (Stand Montag) nur sieben Schulen vollständig. Insgesamt waren an 529 Schulen insgesamt 813 Klassen/Gruppen wegen Infektions- oder Verdachtsfällen aus dem Präsenzbetrieb genommen. In Baden-Württemberg gibt es insgesamt ungefähr 67.500 Klassen und etwa 4500 Schulen.