Von Armin Guzy
Eppingen. "Es ist tragisch, aber es war nicht zu verhindern": Förster Jürgen Stahl bedauert den Verlust eines Waldrefugiums, das innerhalb weniger Jahre kaum noch ein solches ist. Seit mehr als drei Jahrzehnten hat sich im Gewann "Fünffichtseiche" kein Kettensägenzahn in einen Baum gefressen, und – solchermaßen sich selbst überlassen – war dort ein sehr naturnaher, vom Menschen unberührter Mischwald aus Eichen und Buchen entstanden. Nun allerdings stehen dort fast nur noch Eichen.
Stahl hat es kommen gesehen, aber nicht in diesem Ausmaß. Vor vier Jahren, als der Förster mit der RNZ in dem Gebiet unterwegs war und für unsere Zukunftsbeilage einen Blick ins Jahr 2020 wagte, hatte er bereits geahnt, dass einige der Buchen den Klimawandel nicht überleben werden. Inzwischen ist die einstige Leitbaumart hier jedoch fast nicht mehr zu sehen: Hunderte Buchen sind schlichtweg vertrocknet. Und die Anpassungsfähigkeit der jungen Bäume, auf die Stahl gesetzt hatte – zumindest im Gebiet "Fünffichtseiche" hat sich diese Hoffnung zerschlagen.
Einige hundert Meter von dem Naturrefugium entfernt liegt ein Tümpel, ein Amphibienteich, der ebenfalls keiner mehr ist. Selbst in den beiden vorangegangenen Trockenjahren war er nie ganz ausgetrocknet, sagt Stahl. Nun aber ist nicht mal mehr eine Pfütze zu sehen, nur noch feuchter Schlamm, von vormals im Wasser schwebenden Algen grün gefärbt. Das einzige Positive: Die meisten Amphibien konnten sich wohl retten, schätzt Stahl; nur die Goldfische, die irgendjemand hier vor Jahren ausgesetzt hatte, konnten das nicht. Denen trauert der Förster aber auch nicht nach, weil sie ohnehin nicht zum hiesigen Ökosystem gehören.
Für Stahl sind der Tümpel und die insgesamt zehn Quellen und Bächlein in seinem Revier rund um den Ottilienberg eine Art Skala, auf der er ablesen kann, was sich unter dem Waldboden tut. "Da bauch’ ich keine Grundwasser-Messstelle", die es hier ohnehin nicht gibt, sagt er: Eine einzige der zehn Quellen plätschert zurzeit noch, der Rest ist versiegt, der Tümpel ist trocken, einigen Buchen haben schon herbstgelbe Blätter. Im August.
Dabei würde bereits ein einziger ordentlicher Gewitterregen reichen, um die meisten Bäume in seinem Revier für die nächsten Wochen zu versorgen, sagt der Förster, der seit Jahren die Temperatur und Regenmengen aufzeichnet. 30 Liter oder mehr pro Quadratmeter müssten es zwar schon sein, aber "dann haben wir den Sommer überstanden". Nur: Die letzten beiden Gewitterfronten hatten allenfalls Minigewitterchen mit viel zu wenig Regen gebracht. In dieser Hinsicht ist der Kraichgau, die "badische Toskana", klar benachteiligt, meint Stahl.
Aber selbst dort, wo der Waldboden noch feucht ist, unten, in der Auenlandschaft beim Jägersee, verändert sich der Wald. Ein Pilz setzt bekanntlich seit Jahren den feuchtigkeitsliebenden Eschen zu, und die Forstarbeiter kommen mit dem Fällen der sterbenden oder bereits toten Bäume kaum nach. Inzwischen musste daher auch der beliebte Bohlenweg des "Waldfühlpfades" am Jägersee gesperrt werden. Zu groß ist die Gefahr, dass eine der Eschen umstürzt, während jemand auf dem Pfad läuft: Zwei Stämme, die quer über dem Weg liegen und eine dicke Bohle zertrümmert haben, zeigen, dass dieses Risiko real ist, auch wenn natürlich nicht ständig ein Baum umfällt oder ein Ast abbricht, wie Stahl betont. Abseits der breiten Waldwege ist die Gefahr aber nicht zu unterschätzen.
Weil die Bohlen an mehreren Stellen des 200 Meter langen Pfades beschädigt sind, werden sich die Waldarbeiter wohl im kommenden Jahr zwei bis drei Tage lang der Restaurierung widmen müssen, oder besser: "Einem Neubau", wie Stahl schätzt, denn viel ist wohl nicht mehr zu retten. Vorher aber müssen erst die kranken Eschen gefällt werden. Und das ist durchaus ein logistisches Problem, denn eigentlich würde Stahl die Zeit ab November gerne nutzen, um neue Bäume zu pflanzen, weil die Wurzeln dann besser anwachsen als im März oder April, wenn schon wieder die Frühjahrstrockenheit droht. Doch angesichts der vielen "Baustellen" im Wald, "kriegen wir das momentan nicht hin", räumt Stahl ein, man feile aber am Zeitplan.
Derzeit stellt der Förster die Bestellung für die Jungbäume zusammen, denn wer zu spät dran ist, guckt inzwischen in die Röhre oder muss eine schlechtere Qualität akzeptieren. Aktuell seien in den Baumschulen bereits nahezu alle klimaresistenten Pflanzen ausverkauft, sagt Stahl. Im Gewann "Fünffichtseiche" wird er allerdings keinen jungen Baum als Ersatz für die vertrockneten Buchen setzen. Der Bereich bleibt weiterhin der Natur überlassen. Aber es gibt viele weitere Stellen im Revier, die aufgeforstet werden. Dabei wird es ein paar "Kleinversuche mit Exoten" geben, sagt Stahl, aber im Wesentlichen will man sich an europäische Baumarten halten, um in Eppingen weiterhin einen Mischwald zu haben. Buchen werden allerdings kaum darunter sein.