Von Carsten Blaue
Heppenheim/Heidelberg. Am Mittwoch ist ein Motorradfahrer zwischen Schönbrunn und Moosbrunn schwer verunglückt. Auch die Polizei in Südhessen ist besorgt, wenn sie in ihre Motorrad-Unfallstatistik schaut. In der ersten Jahreshälfte gab es im Odenwald und an der Bergstraße mehr Todesopfer, mehr Schwer- und mehr Leichtverletzte als im ersten Halbjahr 2019. Auch der Lärm, mit dem unverbesserliche Biker die Menschen an den viel befahrenen Strecken quälen, bleibt für die Polizei ein Problem. Diese setzt auf Kontrollen. Und auf Prävention. Das begrüßen selbst die Motorradfahrer – zumindest die vernünftigen.
Insgesamt gab es zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni genau 171 Unfälle im Einzugsbereich des Heppenheimer Präsidiums, an denen Motorräder beteiligt waren. Dabei verloren sieben Fahrer von Maschinen mit über 125 Kubikzentimetern Hubraum ihr Leben. Dieser Teil der Statistik schließt den Juli noch mit ein, in dem es alleine fünf tödliche Unfälle gab. 38 Biker erlitten schwere, 83 leichte Blessuren. Im Vorjahreszeitraum waren es drei Tote, 24 Schwer- und 72 Leichtverletzte gewesen.
Unfallschwerpunkte gebe es nicht, so Polizeipressesprecher Bernd Hochstädter in Heppenheim. Aber es sind eben vor allem die beliebten Odenwald-Routen. Die Toten waren unter anderem bei Oberzent, Hirschhorn, Reichelsheim und Brensbach zu beklagen. Im badischen Teil des vorderen Odenwalds, zwischen Abtsteinach und Heiligkreuzsteinach, gab es im Juli zwei weitere Motorrad-Tote. Ein Problem ist das Tempo: "Es wird leider immer noch zu schnell gefahren", sagte Polizeipräsident Bernhard Lammel und mahnte: "Der Odenwald und die Bergstraße sind keine Rennstrecken." Ein gut gemeinter Hinweise. Nur halten sich eben viele nicht daran. "Die drehen schon am Ortsende manchmal mindestens auf 140 auf", sagte jüngst Dietmar Bareis, Bürgermeister von Mossautal, im RNZ-Gespräch.
Dabei kontrolliere die Polizei ständig, wie Hochstädter betont. Beispielsweise Mitte Juli. Da waren zivile Motorradpolizisten eine Woche lang bei Oberzent unterwegs. Am Reußenkreuz stoppten sie eines frühen Abends einen Biker aus Heidelberg. Dieser hatte seinen Auspuff manipuliert, sodass das Motorrad 97 Dezibel laut war. Erlaubt sind 90. Mit sogar 112 Dezibel wurde ein anderer gestoppt.
"Die bauen ihre ’Dezibel-Killer’ aus, stecken sie in die Satteltasche, und wenn sie kontrolliert werden, wollen sie die schnell wieder einbauen und weiterfahren", erzählt Hochstädter. Aber so leicht ist es nicht. "Da gibt es null Toleranz von uns", bekräftigt der Polizeisprecher.
Für die beiden Lärmsünder war die Fahrt jedenfalls zu Ende. Ihre Motorräder wurden für die Begutachtung durch einen Sachverständigen sichergestellt. Sie selbst zahlen Bußgelder und erhöhen ihr Flensburger Punktekonto. Vier andere erwischten die Beamten übrigens mit abgefahrenen Reifen, drei mit völlig ungeeigneten Helmen. Auch sie alle durften nicht weiterfahren. Auffällig sei auch gewesen, wie viele Motorradfahrer das Überholverbot ignorieren.
Unfallgefahren und Lärm sind auch immer wieder Themen, die die Polizei mit Motorradfahrern an beliebten Biker-Treffpunkten im Odenwald besprechen. Auf die Biker zuzugehen, gehört im Polizeipräsidium Südhessen genauso zur Präventionsarbeit wie die Plakate an den Straßen. Das Gesicht der Kampagne ist Superbike-Champion Markus Reiterberger. Er sagt auf den Postern: "Racer gehören auf die Rennstrecke und nicht in den Straßenverkehr". Nicht für alle ist Reiterberger offenbar das Vorbild.
"Das Problem ist doch auch, dass oft mit hohen Geschwindigkeiten bei hohen Drehzahlen gefahren wird, ohne zu schalten", sagt Hochstädter. Das macht dann Krach. "Das Thema Motorradlärm wird bei uns kontrovers diskutiert", sagt Johannes Krauth von den Motorradfreunden Rheinneckar auf RNZ-Anfrage.
Er ärgert sich: "Leider erleben wir beim Ausüben unseres Hobbys immer wieder, dass wir Unverbesserliche treffen, die schon vor dem Ortsausgang stark beschleunigen oder deren Abgasanlage entsprechend manipuliert wurde. Es ist immer schade, wenn die große Mehrheit für die Dummheit und den Egoismus einzelner leiden muss." Er hat Verständnis für den Ärger der Anwohner beliebter Strecken: " Auch wir sind Menschen, die am Wochenende entspannen möchten, die Kinder haben, die Eltern und Großeltern haben und die unnötiger Lärm stört."
Die Schwarzen Schafe unter den Bikern würden sich ähnlich verhalten wie die Poser mit ihren lärmenden Autos in Mannheim, so Krauth. Mit Motorrädern hat man in der Quadratestadt allerdings keine Probleme. "Für uns ist das kein Thema. Sicher donnert auch bei uns mal einer vorbei. Aber Beschwerden liegen uns nicht vor", sagt Norbert Schätzle, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Mannheim.
Auch in Heidelberg sind laute Motorräder nicht das richtig große Problem, auch wenn die Stadt seit vergangenem Jahr Mitglied der bundesweiten "Initiative gegen Motorradlärm" ist. Man beteilige sich eher aus solidarischen und symbolischen Gründen, sagte eine Sprecherin der Stadtverwaltung auf RNZ-Anfrage.
Einige wenige Beschwerden gebe es nur im Stadtteil Ziegelhausen/Peterstal. Aus diesem Grund sei hier im Frühjahr ein Lärmschutzdisplay installiert worden, so die Sprecherin. Das kann nicht nur durch eine LED-Anzeige zum langsameren und damit leiseren Fahren auffordern, sondern auch Daten sammeln. "Mit diesem Display möchte die Stadt genauere Informationen über die Verkehrssituation vor Ort erhalten. Etwa darüber, wie viele Motorräder dort in der Saison täglich fahren und mit welchem Lärmpegel", so die Sprecherin.
Wann erste Daten ausgewertet werden, ist noch offen. Das sei auch davon abhängig, wie sich das Wetter und das Corona-bedingte Freizeitverhalten im Verkehr entwickele, um kein verfälschtes Bild zu erhalten, so die Sprecherin.