Von Barbara Klauß und Hans-Dieter Siegfried
Wiesloch/Walldorf. Von einem "Meilenstein" für das Unternehmen und den Wirtschaftsstandort Deutschland spricht der Chef der Heidelberger Druckmaschinen, Rainer Hundsdörfer, und schwärmt von Wachstumschancen im zwei- bis dreistelligen Millionen-Euro-Bereich: Im Stammwerk in Wiesloch-Walldorf hat der traditionsreiche Druckmaschinenhersteller die Produktion von gedruckter und organischer Elektronik aufgenommen. Das hat das Unternehmen am Dienstag mitgeteilt. Damit starte Heideldruck in ein völlig neues Geschäftsfeld, wie ein Sprecher erklärte.
Bei dem neuen Verfahren wird anstelle von Druckfarbe eine Flüssigkeit, die Sensoren enthält, auf eine Folienmatte gedruckt. Das erste Produkt, das Heideldruck so produziert, sind Sensoren, die am Heidelberger InnovationLab entwickelt wurden, und mit deren Hilfe Zahnärzte die Druckverteilung beim Kauen digital erfassen und dreidimensional auf einem Tablet sichtbar machen können. Es seien jedoch auch andere Anwendungen denkbar, so der Unternehmenssprecher: etwa bei Regalen, in denen Sensoren registrieren, wie viel Ware dort noch lagert. Auch in der Autoindustrie oder in der Logistik könnten Sensoren Hundsdörfer zufolge Abläufe und Bestandsaufnahmen optimieren.
Für die industrielle Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb der gedruckten und organischen Elektronik sowie die Produktion am Standort Wiesloch-Walldorf hat das Unternehmen eine eigene Geschäftseinheit gegründet. Im Stammwerk wurde eine Produktionsstraße in einem Reinraum aufgebaut. Rund fünf Millionen Euro hat das Unternehmen eigenen Angaben zufolge dort investiert.
Das ist auch eine Investition ins Stammwerk – nachdem in letzter Zeit zunehmend im chinesischen Werk in Qingpu gefertigt wird. Immer wieder hatte Hundsdörfer in der Vergangenheit betont, dass am "teuersten Standort" in Wiesloch-Walldorf nicht mehr alles gemacht werden sollte, sondern nur noch die "knowhow-kritischen Dinge". Das Stammwerk soll zum "Hightech-Standort" werden.
Im Reinraum arbeiten nun dem Unternehmenssprecher zufolge eine Handvoll Leute. Für das neue Geschäftsfeld sei ein Team aus Mitarbeitern zusammengestellt worden, die bereits im Unternehmen gewesen seien.
"Wir verkaufen im Bereich gedruckter und organischer Elektronik nicht mehr die Maschinen, sondern stellen darauf selbst die benötigten Produkte her", erklärte Hundsdörfer am Dienstag im Gespräch mit der RNZ. Der Heideldruck-Chef sieht in diesem Bereich einen "potenziell großen Markt", an dem das Unternehmen nicht nur partizipieren will, sondern eine führende Rolle übernehmen möchte. Zumal es seinen Angaben nach derzeit keinen anderen Anbieter gibt, der im industriellen Bereich auf diesem Gebiet tätig ist.
Produziert wird auf einer Gallus-Maschine, auf der ansonsten laut Hundsdörfer "bunte Bildchen", also Etiketten und Faltschachteln, gedruckt werden. Derzeit können auf der Maschine in einer Stunde Sensoren auf der Fläche eines Tennisplatzes aufgebracht werden, wie die beiden Projektleiter Marcus Römermann und Carsten Huschle erklären. "Und wir können die Produktion nach erfolgreichem Anlauf hier am Standort Wiesloch-Walldorf noch ausweiten", so Römermann.
Auch der Betriebsratsvorsitzende Ralph Arns sieht in dem neuen Geschäftsfeld eine große Chance: "Das ist ein sehr großer Markt – auch wenn er noch in den Kinderschuhen steckt." Doch rechnet Arns damit, dass immer neue Anwendungen hinzukommen werden. "Ich bin guter Dinge, dass sich das Geschäftsfeld absolut positiv entwickeln und in Zukunft einen beträchtlichen Teil zum Umsatz beitragen wird."
"Das ist genau das, was wir brauchen", erklärte auch der Heidelberger IG Metall-Chef Mirko Geiger: "Entwicklung in Heidelberg, die Transformation und Serienreife im Industrieunternehmen, Partnersuche und Produktion in der Region – so stellen wir uns das idealtypisch vor." Nun könne er das Unternehmen nur ermutigen, weitere Kunden und weitere Anwendungen zu suchen, so der Gewerkschafter.
Der Grundstein für das Projekt fiel in den Räumlichkeiten des Heidelberger InnovationLab (iL) bereits vor Jahren. Es ist das Ergebnis jahrelanger Grundlagenforschungen deutscher und internationaler Wissenschaftler am Innovation Lab, an dem die DAX-Konzerne BASF und SAP, die Universität Heidelberg, das Karlsruher Institut für Technologie und die Heidelberger Druckmaschinen beteiligt sind.
Update: Dienstag, 21. Juli 2020, 19.15 Uhr