Die Umfrage, die für den Marktforschungsverein ESOMAR durchgeführt wurde, ergab, dass fast die Hälfte (49 Prozent) der befragten Ärzte die offiziell präsentierten Zahlen über Corona-Infektionen in Russland für zu niedrig halten. Dass die tatsächliche Zahl der durch das Virus verursachten Todesfälle höher ist als offiziell angegeben, befinden 47 Prozent. Knapp ein Viertel der Befragten vertraut den offiziellen Krankheits- und Todeszahlen, während etwa zehn Prozent der Meinung sind, dass die offiziellen Zahlen zu hoch seien.
An der Umfrage, die vom 8. bis 17. Juni durchgeführt wurde, nahmen insgesamt 502 Ärzte teil. Mehr als die Hälfte von ihnen hat Erfahrung mit Patienten, die typische Corona-Symptome aufweisen. Von den Befragten arbeiten 16 Prozent in der sogenannten roten Zone, in der Corona-Patienten behandelt werden.
Ärzte zogen ihre Schlussfolgerungen auf der Grundlage ihrer persönlichen Arbeitssituation, der größeren Arbeitsbelastung und der Verlagerung des Personals in die rote Zone, erklärte die Analystin Irina Osipowa im Gespräch mit der Zeitung Wedomosti:
Ihre Erfahrung korreliert nicht mit dem Rückgang der Statistik. Wenn dieser nicht von persönlicher Erfahrung begleitet wird, entsteht Misstrauen.
Außerdem behandelt Russland die testpositiven Todesfälle anders als die Europäische Union, sagte Osipowa. Wenn beispielsweise ein Patient, der an Diabetes leidet, am Coronavirus stirbt, bedeutet dies, dass der Patient an Diabetes gestorben ist, und nicht an der neuen Krankheit. Diese unterschiedlichen Zählmethoden könnten sich ebenso auf die Antworten der Ärzte ausgewirkt haben, so Osipowa.
Die Zeitung bat das russische Gesundheitsministerium um eine Stellungnahme. Laut einem Sprecher sei das Ministerium mit den Ergebnissen der Umfrage nicht vertraut.
Mittlerweile belegt Russland mit 700.792 Corona-Infektionen den vierten Platz in der weltweiten Statistik. Knapp 10.000 testpositive Menschen starben seit Ausbruch der Pandemie. Insgesamt wurden in Russland 21.7 Millionen Tests durchgeführt.
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