Im März nächsten Jahres findet in Prag die Mannschaftsweltmeisterschaft der Senioren statt. Einige von uns planen dort in der Altersklasse 50+ wieder anzutreten, nachdem das Turnier schon 2018 in Radebeul nicht nur sportlich erfolgreich war, sondern vor allem auch mächtig Spaß gemacht hat. Was hat das mit unserem Landesliga-Wettkampf gegen Unterhaching zu tun?
Nun, es ist aufschlussreich, sich die Altersstruktur der beiden Teams anzuschauen. In der Unterhachinger Mannschaft sind beinahe alle Altersklassen vertreten (Geburtsjahrgänge 1940, 1952, 1970, 1973, 1976, 1980, 1996, 1999), aber nur 3 Spieler wären in Prag spielberechtigt, 2 davon in der Nestorenklasse 65+. Der Altersunterschied zwischen dem ältesten und dem jüngsten Unterhachinger Spieler beträgt fast 60 Jahre.
Bei uns Gröbenzellern (Geburtsjahrgänge: 1961, 1964, 1965, 1967, 1968, 1969, 1973, 1998) ist eine auffällige Häufung in der Altersklasse der 50- bis 60-Jährigen feststellbar. 6 von 8 Spielern wären in Prag spielberechtigt, darunter aber noch kein Nestor. Wir reifen sozusagen ziemlich gleichmäßig.
Ausgerechnet unser Junior verschärft die Herausforderung für uns Oldies im heutigen Wettkampf noch. Tobi erscheint erst gar nicht im Spielsaal, so dass wir nach einer Stunde einem 0:1-Rückstand hinterherrennen müssen. An Brett 2 täuschen die erfahrenen Recken eine Kampfpartie mit entgegengesetzten Rochaden an, beschließen dann aber schnell, ihre Kräfte altersgerecht zu schonen – Remis nach 18 Zügen.
Karsten braucht kein Traxler-Gegengambit, um den gegnerischen König mitten aufs Brett zu locken und dort zu erlegen. Auch mit der Altherreneröffnung Caro-Kann und nach bereits erfolgtem Damentausch kann man in unter 30 Zügen mattsetzen – wenn man die Steine so virtuos setzen kann wie Karsten. Ein Schmuckstück von Schachpartie!
Christians verheißungsvolle Stellung aus der Eröffnung wirkt wie ein Jungbrunnen. Eine Ewigkeit lang taucht er in nostalgische „sac-sac-mate“-Träume ab und entwickelt tollkühne Angriffsphantasien. Am Ende reicht es dann doch nur für den Seniorenzug 15.h3. Immerhin kann er später mit 21.Txd7! noch eine kleine Kombination anbringen und im Endspiel mit gnädiger Mithilfe des Gegners sogar mattsetzen. Damit gehen wir erstmals in diesem Wettkampf mit 2,5:1,5 in Führung.
In Bertls kundigen Händen sind die Springer niemals fußlahme Ackergäule, sondern meist äußerst springfreudige Vollblüter – so auch diesmal. Nach einer Serie starker Züge im frühen Mittelspiel dominieren seine Pferdchen in zentralen Positionen die Stellung. Die gegnerischen Springer erlegt Bertl flugs auf Kosten nur eines Steines. Der Rest ist Sache der Technik und gefällig anzuschauen.
Rons Gegner bringt mit jugendlicher Unbekümmertheit das altehrwürdige Evans-Gambit aufs Brett und will die Stellung dann mit 14.f4? gewaltsam aufreißen. Ron reagiert abgeklärt, behält den Bauern und entschärft das weiße Angriffspotential. Später gibt er den Bauern zurück und geht selbst in die Offensive. Mit einer hübschen Zugfolge, eingeleitet und gekrönt jeweils mit dem identischen Turmzug (27…Tfb8 bzw. 31…Tb8!), wird die Hilflosigkeit der weißen Stellung offensichtlich. Noch vor der Zeitkontrolle ist auch dieser Punkt im Kasten und das Match gewonnen.
Mario verhilft der Jugend doch noch zu einem Erfolgserlebnis. Wendepunkt seiner Partie ist der unscheinbare Fehler 15…a5?. Geschickt nutzt sein Gegner die Schwächung des Feldes b5 aus und unterminiert den für die schwarze Stellung so wichtigen Zentralspringer systematisch. Angesichts der strategischen Drohung Sb5 ergreift Mario die Flucht nach vorne. Sein Opfer von 2 Leichtfiguren gegen Turm und 2 Bauern bietet in der vorliegenden Struktur aber leider keine ausreichenden Gegenchancen.
Die ehrwürdigen Herrschaften an Brett 4 bringen zusammen 135 Lebensjahre aufs Brett, zeigen in ihrem verbissenen Ringkampf aber auch in der fünften Spielstunde keine Ermüdungserscheinungen. Das Gleichgewicht wird während der gesamten Partie nie nachhaltig gestört, die Punkteteilung erscheint gerecht.
Die Gröbenzeller Oldies bestehen die Reifeprüfung mit Bravour und spielen zu siebt ein überzeugendes 5:3 heraus. Ermattet aber zufrieden schlurfen sie anschließend ins nahegelegene Wirtshaus und bestellen Seniorenteller und angewärmtes Bier. Oldies but Goldies…
(cg, 25.11.2019)