Bernd Kundrun, Ex-Vorstandschef von Gruner + Jahr, und Rolf Schmidt-Holtz, früherer CEO der Bertelsmann Music Group, sind zwei alte Hasen im Mediengeschäft. Vor knapp neun Jahren gründeten die beiden erfahrenen Manager mit den Jung-Unternehmern Sarik Weber (u.a. Xing) und Jochen Maaß (Artaxo) die Hamburger Startup-Schmiede Hanse Ventures. Die Geschäftsidee: Das norddeutsche Unternehmen dient als Starthelfer, um jungen Menschen mit innovativen Geschäftsideen den Weg in die Selbstständigkeit zu ermöglichen.
Im Gegenzug hierfür beteiligt sich der Inkubator an den Neugründungen. Dadurch haben Kundrun, Schmidt-Holtz & Co. inzwischen ein kleines Reich an Beteiligungen aufgebaut – darunter rebelle, ein Marktplatz für Designermode aus zweiter Hand, pflege.de, einem Serviceportal für Pflege und Wohnen im Alter oder Vitraum, ein Webportal, das Immobilienbesitzern und Bauherren von der Planungsphase bis zur Montage neuer Fenster und Räume unterstützten soll.
Doch Anfang vergangenen Jahres erweiterten die beiden Hanse Ventures-Gründer das bestehende Geschäftsmodell. Überraschend stieg der Inkubator direkt bei einer lange am Markt bestehenden Gesellschaft ein und erwarb 30 Prozent der Anteile an dem Schiffsausrüster A.W. Niemeyer (AWN), einem Unternehmen mit viel Tradition. Die Firmengeschichte reicht bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, als das Unternehmen als Eisenwarenhandelsgeschäft am Hamburger Rödingsmarkt seinen Anfang nahm. Im 19. Jahrhundert spezialisierte sich die Gesellschaft auf Schiffsausrüstung und galt hier zeitweise als wichtigster Anbieter im Hamburger Hafen. Nach einer Reihe von Eigentümerwechseln übernahm 2002 die Unternehmensgruppe von Christoph Kroschke die Firma, die unter anderem mit Dienstleistungen rund um Autokennzeichen ihr Geld verdient.
Nun ist Hanse Ventures bei dem Schiffsausrüster wieder ausgestiegen. “Wir hatten uns vor zwei Jahren an A.W. Niemeyer beteiligt, um dort durch professionelle Unterstützung vor allem in den Bereichen Online Marketing, Software Entwicklung und Business Intelligence neue digitale Strukturen zu schaffen sowie ein eigenes, internes Online-Team aufzubauen. Jetzt haben wir unsere Arbeit hier erfolgreich abgeschlossen, unseren Anteil wieder an den Mehrheitsgesellschafter, die Kroschke-Gruppe, zurückverkauft”, sagt Tobias Seikel, der operativ für die Führung bei Hanse Ventures verantwortlich zeichnet. Nun soll das dortige E-Commerce-Team “den neuen Wachstumspfad weiter vorantreiben”.
Für Seikel war das Engagement an dem Bootsausrüster von Anfang an eine “Ehe auf Zeit”. Seikel: “Da mit allen Parteien von Anfang an der Ausstieg nach Erreichen der gesteckten Ziele geplant war.” Zum Verkaufpreis macht er zwar keine Angaben, doch der Sohn des ehemaligen “Spiegel”-Geschäftsführers Karl Dietrich Seikel kann den kurzfristig erzielten Veräußerungserlös nutzen, um das Geld in bestehende oder neue Startups zu investieren. An dieser Strategie will der Manager unverändert festhalten. “Ich möchte nicht ausschließen, dass wir uns auch künftig direkt an bestehenden Gesellschaften beteiligen – sofern wir mit unseren Kompetenzen einen signifikanten Beitrag zur Entwicklung der jeweiligen Unternehmung leisten können. Engagements wie diese können helfen, auch unseren eigenen Wachstumskurs fortzusetzen. Kerngeschäft bleibt aber, dass wir uns als Begleiter von Startups sehen, um innovative, digitale Geschäftsideen zur Marktreife zu führen”, erklärte der Geschäftsmann gegenüber MEEDIA.
Bislang hatte sich Hanse Ventures nur sehr vereinzelt von bestehenden Beteiligungen getrennt. Dagegen hatten sich immer wieder namhafte Geldgeber an den Startups von Hanse Ventures finanziell engagiert, um die junge Digitalunternehmen marktfähig zu machen. Dazu gehören der ehemalige Bertelsmann-Vorstandschef Hartmut Ostrowski, der Geschäftsmann und “Höhle der Löwen”-Juror Carsten Maschmeyer oder auch der frühere Gruner + Jahr-Auslandsvorstand Torsten-Jörn Klein. Er besitzt Anteile bei rebelle. Doch Kundrun und Schmidt-Holtz lassen nicht jeden in den erlauchten Investorenkreis. “Wer sich an unseren Startups beteiligen will, muss mindestens 100.000 Euro pro Investment mitbringen. Diese Untergrenze gilt für Privatpersonen, institutionelle Personen investieren in der Regel deutlich mehr”, erklärte Seikel einst.