Von Christoph Moll
Neckargemünd-Waldhilsbach. Die Fenster sind aus der Verankerung gerissen, im schlammigen Wasser schwimmen Sandförmchen und gemalte Bilder. Als es am Silvestertag in Waldhilsbach hell wird, wird das ganze Ausmaß des Schadens am Kindergarten deutlich. Die Verwüstung ist gewaltig. Der kleine Forellenbach, der nun wieder unschuldig in seinem Bett plätschert, hat hier wenige Stunden zuvor gewütet. Wie schon vor anderthalb Jahren traf es erneut den städtischen Kindergarten. Die Flut schoss in das Gebäude, der Keller lief bis zur Decke voll. Die Feuerwehr war stundenlang aber nicht nur hier, sondern im gesamten Ortsgebiet im Einsatz. Das alte Jahr - es ging in Waldhilsbach nicht gut zu Ende.
Als Karin Heimer gegen Mitternacht einen Blick nach draußen warf, war noch alles in Ordnung. Nur anderthalb Stunden später musste die Leiterin des Kindergartens, die auch in dem Gebäude wohnt, mit ansehen, wie der Forellenbach anschwoll, über den Einlauf der dort beginnenden Verdolung schoss und sich seinen Weg über das Gelände des Kindergartens und schließlich auch ins Gebäude bahnte - genau wie im Mai 2016. "Niemand konnte damit rechnen, dass das noch einmal passiert", sagt Heimer am Morgen danach noch immer fassungslos. "Das war doch damals ein Jahrhundertereignis."
Dass sich dieses wiederholen könnte, hatte Reiner Stumpf schon geahnt. Gegen 1 Uhr machte der Feuerwehrmann und frühere Ortsvorsteher im strömenden Regen noch eine Runde durch den Ort und richtete sorgenvolle Blicke auf die Einläufe der Verdolungen, die sich auch schon vor anderthalb Jahren als Schwachstellen erwiesen hatten. Der Forellenbach, normalerweise ein kleines Bächlein, verläuft auf seinem Weg vom Königstuhl in den Hilsbach - und später in die Elsenz - durch den Ort und ist an mehreren Stellen verdolt; er fließt also nicht mehr offen, sondern in einem Rohr.
Stumpfs Sorgen waren begründet. Denn der Rechen des Einlaufs am Kindergarten setzte sich mit Ästen und Laub zu. "Um kurz vor 1 Uhr war es schon verdammt knapp", erzählt Stumpf. Gegen 1.30 Uhr floss das Wasser dann nicht mehr ins Rohr, sondern schoss auf das Gelände des Kindergartens. Dort suchte es sich seinen Weg in das Gebäude, drückte die Kellerfenster ein.
"Dieses Ausmaß war nicht abzusehen", sagt Waldhilsbachs Feuerwehrkommandant Markus Meyer. Gegen 22 Uhr habe es zwar stark zu regnen begonnen, aber das allein wäre kein Problem gewesen. Meyer geht davon aus, dass durch den Temperaturanstieg aber auch noch Schmelzwasser vom Königstuhl hinzukam. Der Boden - durch die Regenfälle der vergangenen Wochen ohnehin gesättigt - konnte die Wassermengen nicht mehr aufnehmen.
Gegen 1.30 Uhr ging bei der Feuerwehr der erste Alarm ein. Ein Gastank auf einem Privatgrundstück wurde vom Bach unterspült und musste gesichert werden. So war es auch vor anderthalb Jahren losgegangen. "Das war aber erst der Anfang", berichtet Meyer. Als die Feuerwehr danach erneut den Rechen am Kindergarten kontrollieren wollte, war es bereits passiert. Das Gebäude stand schon unter Wasser.
Weitere Häuser blieben dieses Mal zum Glück verschont. Das Wasser lief zwar über die Heidelberger Straße - sie war bis in den Vormittag gesperrt - auf Grundstücke und in Garagen, aber nicht in Keller. 40 Einsatzkräfte von Feuerwehr und DLRG kämpften stundenlang gegen die Wassermassen. "Wir haben es mit Sandsäcken geschafft, die Häuser trocken zu halten", erzählt Meyer. "Es war insgesamt nicht ganz so schlimm wie vor anderthalb Jahren."
Der Schaden im Kindergarten dürfte jedoch der gleiche sein, wie Kindergartenleiterin Karin Heimer meint. Die vor anderthalb Jahren komplett erneuerte Ölheizung und die Elektroinstallation dürften wieder weitgehend zerstört sein - von den Fenstern und Türen ganz zu schweigen. Auch wenn die Betreuungsräume nicht überflutet wurden, sei eine Nutzung des Gebäudes ohne Heizung und Strom undenkbar, sagt Heimer.
Eine Lösung gab es schon am Silvestermorgen: Der Kindergarten, der nach der Weihnachtspause am heutigen Dienstag weitergeht, soll nach Rücksprache mit Bürgermeister Frank Volk - er machte sich vor Ort ein Bild - vorübergehend in der Schule und in der Mehrzweckhalle seine Heimat finden. Die Heizung ist ersetzbar, nicht hingegen jedoch zahlreiche Erinnerungen der Kinder, die im Keller gelagert waren. Karin Heimer hatte auch private Gegenstände im Keller gelagert, die nun zerstört wurden.
Für die 40 Einsatzkräfte von Feuerwehr und DLRG war es ein kräftezehrender Einsatz, der ihnen alles abverlangte. Ihre Kleidung war völlig durchnässt. Das Auspumpen des Kindergartenkellers dauerte bis in die frühen Nachmittagsstunden, sodass die Feuerwehr über zwölf Stunden im Einsatz war. Bürgermeister Volk lobte die perfekte Zusammenarbeit der Einsatzkräfte, die sich das Jahresende auch anders vorgestellt hatten - allen voran Kommandant Markus Meyer, der an Silvester seinen 49. Geburtstag feierte.
Als dann das Meiste erledigt schien, "entdeckten" die Feuerwehrleute im Kindergartenkeller noch einen weiteren Raum. Dessen Tür ließ sich nicht öffnen, weil in dem Raum das Wasser bis zur Decke stand.
