Von Joachim Klaehn
Hannover. Mit stoischer Miene stapfte Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann vom schneebedeckten Platz der HDI Arena Richtung wärmenden Kabinentrakt. Stürmer Mark Uth entfuhr ein "Mann, Mann, Mann", Abwehrchef Kevin Vogt fluchte leise vor sich hin und Torhüter Oliver Baumann starrte ins Leere. Die Mienen der TSG-Protagonisten sprachen am Sonntagnachmittag für sich, restlos bedient schienen die Kraichgauer nach dem 0:2 (0:0) bei Aufsteiger Hannover 96 zu sein. Denn bei äußerst schwierigen Witterungsbedingungen hatten sie eben nicht die Kampfkraft und Konsequenz gezeigt, die ihrerseits die Hausherren in die Waagschale warfen, und dadurch den durchaus möglichen Sprung auf Rang drei im Bundesliga-Tableau verpasst.
"Das ist schon ärgerlich", sagte Mark Uth nach der vierten Saisonniederlage, "im Endeffekt haben zwei Standardtore das Spiel entschieden." Damit beschrieb der gebürtige Kölner die Dramaturgie sehr treffend. Denn die Elf von Trainer André Breitenreiter schlug zweimal vor 36.800 frierenden Zuschauern eiskalt zu. Nach einem Freistoß verwertete Niclas Füllkrug den zweiten Flankenball von Ihlas Bebou und die Kopfballvorlage von Salif Sané zum 1:0 (59.). Ein Schock für Hoffenheim, ein Muntermacher für Hannover war’s - die Rotschwarzen wirkten danach immer dynamischer und entschlossener und machten durch das 2:0 (85.) des eingewechselten Martin Harnik alles klar. Die Vorarbeit hierfür lieferte Antreiber Felix Klaus mit einer Freistoßflanke.
"Ich bin ein Schneekind", erzählte Niclas Füllkrug danach bereitwillig, "ich liebe es, auf einem schneebedeckten Rasen zu spielen." Hannover 96 stellte sich jedenfalls geschickter auf die problematischen Platzverhältnisse ein. Schnörkelloser, direkter und einen Tick leidenschaftlicher sollte die Herangehensweise sein. "Wir haben unsere wenigen Möglichkeiten genutzt", zeigte sich André Breitenreiter zufrieden, währenddessen sein Amtskollege Julian Nagelsmann nörgelte: "Wir haben eine tausendprozentige Chance zur Führung von Lukas Rupp. Und wir vergeben eine zehntausendprozentige Chance zum Ausgleich, als Andrej Kramaric den Ball nicht ins leere Tor schießt."
Nagelsmann betonte, die Bedingungen seien für beide Teams identisch gewesen, sie hätten aber Hannover mehr in die Karten gespielt. Breitenreiter sah’s ähnlich: Hoffenheim habe nicht den gewohnten Tempo- und Kombinationsfußball zeigen können. Es sei letztlich eine "tolle Energieleistung" gewesen. "Meine Mannschaft hat bewiesen, welche Moral sie besitzt. Ich möchte aber den Erfolg nicht zu hoch hängen, für uns gilt es Punkte zu sammeln für den Klassenerhalt", schlug Breitenreiter moderate Töne an.
Ob sie es wollen oder nicht, bei den "Nagelsmännern" herrschen neben dem rein sportlichen Aspekt ständig Begleitgeräusche vor. Die Bild-Zeitung hatte im Zuge der Dortmunder Trainerturbulenzen berichtet, der BVB sei inzwischen ab Sommer 2018 mit dem großen Trainertalent Nagelsmann "handelseinig" einig geworden. Auf die sachliche Nachfrage eines Journalisten und ausgewiesenen "Hoffe"-Kenners reagierte Nagelsmann eher genervt. "Eine lustige Frage, oder?", konterte er, "ich lese vor dem Spiel keine Bild-Zeitung." Er wolle sich nicht ständig wiederholen. Nagelsmann ironisch: "Ich kann mir auch gerne ein Klebeband auf die Stirn kleben und einfach darauf ‚KK' schreiben. Das ist kürzer. Nein, ich habe keinen Kontakt zum BVB."
Vielleicht nicht er, aber sein Berater Marc Kosicke? Tatsache ist: Nagelsmann hat in Hoffenheim einen Vertrag bis 2021, es wird hartnäckig kolportiert, es gäbe für 2019 eine Ausstiegsklausel, wonach er für eine Ablöse in Höhe von fünf Millionen Euro die TSG verlassen darf. BVB-Boss Hans-Joachim Watzke müsste also einiges Verhandlungsgeschick besitzen und tief in die Tasche greifen, um Nagelsmann schon im Sommer 2018 loszueisen.
Es bleibt also spannend bei den Blauen, die nach Frost und Frust in Hannover am Mittwoch (18.30 Uhr) im Landesderby gegen den VfB Stuttgart einen Dreier einplanen. Womöglich sind die Witterungsbedingungen wieder vorteilhafter für eine wechselhafte, fehleranfällige TSG, die gegenüber dem Coup gegen RB Leipzig (4:0) nicht wiederzuerkennen war.