Von Harald Berlinghof
Speyer. Das Feuer der Feststoffraketen schlägt den Besuchern im Speyerer Technik-Museum von der gewaltigen Kinoleinwand beinahe ins Gesicht. Die Kamera hat Nahaufnahmen des startenden Space-Shuttle eingefangen. Die beiden Raketentriebwerke entfachen beim Start für 124 Sekunden ein ohrenbetäubendes Höllenfeuer und jagen den Space-Shuttle mit rund 5,7 Millionen PS in den Erdorbit. Und vor der Leinwand im Kino des Technik-Museums steht ein schmächtiger Herr mit Brille und Schweizer Nationalflagge am linken Oberarm, der sagt: "Das ist ein Traum, wundervoll, da entsteht so viel Emotion, wenn ich das sehe. Es gehörte aber auch viel Mut dazu. Vor allem beim ersten Flug eines Shuttle. Dafür bewundere ich die beiden Amerikaner, die das gemacht haben, sehr".
Der das sagt, ist Claude Nicollier, ehemaliger Esa-Astronaut und ehemaliger Kampfpilot der Schweiz. Der Mann war vier Mal im Weltraum mit amerikanischen Space-Shuttle-Missionen. Er hat 42 Tage, zwölf Stunden und drei Minuten im Shuttle verbracht und ist damit Esa-Rekordhalter. Acht Stunden und zehn Minuten hat er bei Außenbordeinsätzen im freien Weltraum verbracht. Und er ist der 43. Weltraumfahrer - darunter Astronauten der Nasa und Esa sowie Kosmonauten aus Russland -, der das Technik-Museum in Speyer und dessen Raumfahrtausstellung besucht.
Wenn die Feststoffraketen ausgebrannt an Fallschirmen abgeworfen waren, traten die drei Wasserstoffraketen in Aktion, die Wasserdampf als Abgas erzeugten. Wasserstoff plus Sauerstoff gibt Wasser. Die Knallgasreaktion aus dem Schulunterricht. 1,5 Tonnen Wasserdampf produzierte der Shuttle pro Sekunde beim Aufstieg, der achteinhalb Minuten dauerte. Eine wunderbare Maschine sei das gewesen, und das Cockpit, "das Schatzteil" des Shuttle, konnte wieder zur Erde gebracht werden. Das war bereits Ende der 1970er Jahre, wie Nicollier sagt, das Ziel der Nasa. Man wollte Kosten sparen, indem man die Raumfahrfahrzeuge wiederverwendbar baute. "Wiederverwendbar waren sie - zum Teil, aber nicht komplett. Billiger als die Wegwerfraketen waren sie auch nicht", erzählt er.
Vor allem die 30.000 Hitzekacheln am Unterboden mussten intensiv kontrolliert und oft ersetzt werden. Das war ein gewaltiger Kostenfaktor. Das und die Katastrophen der Challenger und der Columbia sorgten schließlich dafür, dass das Programm 2011 eingestellt wurde. 135 Mal waren die sechs Raumfähren ins All gestartet. Zwei von ihnen gingen verloren. Das war zu viel. "Wir waren bei der Nasa 114 Astronauten im Shuttle-Training. Bei den beiden Totalverlusten kamen 14 Menschen um. Ein Verlust von 13 Prozent des Teams innerhalb weniger Jahre war letztlich nicht akzeptabel", erklärt er.
Nicolliers wichtigster Einsatz war der Flug zum Weltraumteleskop Hubble. Auch so eine wunderbare Traummaschine, die allerdings einen Fehler hatte. Der Teleskopspiegel hatte eine um wenige Mikrometer zu flache Krümmung, weshalb das Teleskop nur unscharfe Bilder lieferte. Nicollier flog als Bordingenieur mit der STS 61 Mission (Space Transportation System) zum Hubble-Teleskop.
Er und seine amerikanischen Kollegen verpassten dem Teleskop eine elektronische "Brille", und nach weiteren Reparaturflügen zum Teleskop lieferte Hubble sensationelle Weltraumbilder von nie zuvor gesehenen Galaxien in Milliarden Lichtjahren Entfernung: "Die Nasa stand damals sehr in der Kritik. Vor dem Start hieß es deshalb: Ein Misserfolg der Mission ist nicht akzeptabel".