Von Sören S. Sgries
Stuttgart/Wiesloch. Dieser Dienstag ist ein Freudentag für Claudia Martin: Nach fast zwölf Monaten auf der "Büßerbank" im Landtag, als parteilose Abgeordnete, gehört die 47-Jährige jetzt wieder "dazu". Mit 36:1 Stimmen votierte die CDU-Landtagsfraktion am späten Nachmittag für die Aufnahme der früheren AfD-Abgeordneten. Es ist der vorerst letzte Schritt ihrer Rehabilitation, nachdem der CDU-Kreisverband Rhein-Neckar bereits am 11. November ihre Aufnahme in die Partei beschlossen hatte.
Martin selbst zeigte sich am Abend gegenüber der RNZ höchst erleichtert. "Jetzt ist es endlich überstanden", sagte sie. "Dass es mit einer solchen Mehrheit entschieden wird, das hätte ich nicht gedacht. Es hat mich ziemlich umgehauen." Dieses eindeutige Votum habe sich nicht unbedingt abgezeichnet. Es habe einige kritische Nachfragen gegeben, warum sie überhaupt in die AfD eingetreten sei und wie sie jetzt dazu komme, eine neue Heimat in der CDU zu suchen.
"Man konnte mir alle Fragen stellen, die man wollte", sagte Martin. "Ich habe alles ehrlich beantwortet, ohne etwas zu verschleiern." Das überzeugte offenbar.
Sie habe glaubhaft machen können, dass sie der "Lucke-AfD" beigetreten sei, mit dem heutigen Kurs der Rechtsaußen-Partei aber nicht mehr konform gehe, hieß es aus Fraktionskreisen. Karl Klein, direkt gewählter CDU-Abgeordneter aus Martins Wahlkreis Wiesloch, lobte die sachliche Diskussion - "wie in unserem CDU-Kreisverband". Nach rund 80-minütiger Anhörung und Debatte stand das eindeutige Ergebnis nach geheimer Abstimmung fest.
Wie es jetzt weitergeht, wird in den kommenden Wochen geklärt. Offenbar ist auch eine inhaltliche Einbindung der geläuterten Abgeordneten in die Parlamentsarbeit geplant. Es sei für sie "unendlich wertvoll", künftig nicht mehr Einzelkämpferin im Landtag zu sein, freute sich Martin. Endlich könne sie "echte Fraktionsarbeit" kennenlernen - in der AfD habe dafür zumindest in den sechs Monaten ihrer Fraktionszugehörigkeit die professionelle Basis gefehlt.
Martin hatte im Dezember 2016 den Bruch mit der AfD vollzogen. Während sie im Landtag neben Wolfgang Gedeon sitzen musste, der wegen antisemitischer Schriften aus der AfD-Fraktion (aber nicht aus der Partei) ausgeschlossen worden war, suchte sie langsam die Annäherung an die CDU. "Ich habe versucht, in die CDU-Reihen hinein Kontakte zu schließen", erzählt sie. Seite an Seite ist sie etwa auf einem Facebook-Foto mit dem Stuttgarter Bundestagsabgeordneten Stefan Kaufmann zu sehen. Lobend äußert sie sich aber auch über die Landtagskollegen Karl Klein (Wiesloch) und Albrecht Schütte (Sinsheim). "Herr Schütte war einer der Abgeordneten, die mir immer offen begegnet sind und mir die Hand gereicht haben", so Martin.
Für Wiesloch soll sich durch die Entscheidung übrigens wenig ändern. "Ich bin direkt gewählter Abgeordneter. Ich bleibe Ansprechpartner. Da ändert sich gar nichts", sagte Klein. Allerdings werde man vielleicht doch bei der einen oder anderen Veranstaltung zu zweit auftreten.