Von Tim Kegel
Sinsheim. "Sterben und geboren werden sind finanziell in der Medizin nicht gut abgebildet. Es heißt dort: Wir können uns das nicht leisten" - Worte von Dr. Christiane Serf, Chefärztin Anästhesie und Intensivmedizin am Sinsheimer Krankenhaus. Auf ihrer Station gibt es jetzt eine Palliativeinheit, in der für unheilbar Kranke und Sterbende die letzte Lebensphase so angenehm wie möglich beginnen soll.
Geld spiele im Gesundheitswesen "eine zu große Rolle, Zeit ist Luxus", sagte Christiane Serf weiter, dabei sei der Palliativgedanke nicht neu. Über Jahrhunderte "waren Zuhören und Reden das Einzige", das Medizin ab einem gewissen Krankheitsstadium hätte leisten können. Lebensqualität zu schaffen, sei Zweck der Station S5 Palliativ, wo seit Inbetriebnahme 27 Patienten behandelt wurden. Ziel ist es, diese nach Hause zu entlassen, um dort die Behandlung fortzuführen. Palliativmedizin versteht sich nicht per se als Sterbebegleitung, könne bei fortgeschrittener Erkrankung aber in eine solche münden.
Räumlich handelt es sich dabei um sechs Zimmer mit spezieller Ausstattung. Sie haben Wohncharakter; auf einer Ausziehcouch können Angehörige übernachten, bis Frühjahr soll ein geschützter Außenbereich geschaffen werden. Es gibt seelsorgerische Angebote, Musik- und Aromatherapie, Internetanschluss und CD-Player, Kaffeekocher und Kleinkühlschrank. Personell getragen werde der Bereich von einem Team, dem dessen Leiterin Dr. Damaris Köhler "ein umwerfendes Engagement, Mut und eine bemerkenswerte Hingabe" attestierte. Ohne gutes Personal seien Palliativstationen "seelenlose Gebilde", genauso könne gutes Personal "aus jedem seelenlosen Gebilde gute Palliativstationen machen". Jene hätten bei ihren Entstehungen zwar regelmäßig mit Widerständen zu kämpfen, erwiesen sich im Nachhinein jedoch "immer als unverzichtbar", sagt sie.
Das wusste Dr. med. Bärbel Kuhnert-Frey - über 34 Jahre lang Chefärztin der Sinsheimer Anästhesie - schon bei ihrem Abschied im Jahr 2009. Gemeinsam mit Medizinern und Ehemaligen am Kreiskrankenhaus sowie Persönlichkeiten des Sinsheimer öffentlichen Lebens entstand die Initiative Palliativ-Versorgung. Es ging darum, die Palliativ-Versorgung vor Ort auf unbürokratischem Weg zu verbessern, sei es durch die Förderung von Qualifizierungsmaßnahmen von Pflegekräften, Öffentlichkeitsarbeit oder durch die Beschaffung einheitlicher Kleidung für ein ambulantes "Palliativ-Care-Team". Mit der Palliativeinheit geht für Bärbel Kuhnert-Frey ein Herzenswunsch in Erfüllung.
Auch Rüdiger Burger, Geschäftsführer der GRN-Kliniken sieht den Bedarf, und die Palliativeinheit trage nicht nur Wesentliches zur Patientenversorgung bei, sondern sei auch als Botschaft bedeutsam. Auch er sprach sich, "trotz der Anwesenheit einiger Kreisräte" dafür aus, "zufrieden zu behandeln und nicht immer an Rendite zu denken."
Die Eröffnung der Palliativeinheit fand trotz Dauerregens und obwohl kein Tag der offenen Tür stattfand, gestern ein großes Echo. Zu den rund 50 geladenen Gäste gesellten sich viele Interessierten und Gäste aus dem Krankenhausumfeld. Prominenter Gast war Mundart-Kabarettist Arnim Töpel. Was kaum einer weiß: Der Kurpfälzer tritt mit einem besinnlichen Programm auch im Rahmen von Beerdigungen auf, wo er "Doors"-Titel vertont oder Erich Fromm und Günther Härtling liest. Er zeigte Passagen seiner Kunst.
