In Berlin gibt die Bundesregierung fast eine Milliarde Euro für Um- und Neubauten an Kanzleramt und Schloss Bellevue aus. Derweil bitten klamme Kommunen ihre Bürger um Spenden. Architektur war für Staaten seit jeher ein willkommenes Instrument, um der Nachwelt ihren Glanz zu präsentieren. Die Römer bauten gigantische Arenen wie das Kolosseum, die ägyptischen Pharaonen erschufen mit den Pyramiden Monumente, die heute noch Heerscharen von Touristen faszinieren. Deutschland baut dagegen bombastische Bürogebäude für die Nachwelt. So entstehen in einer Zeit, in der die klammen Kommunen ihre Bürger um Spenden bitten oder den Bau neuer Straßenlaternen abwägen müssen, zwei kolossale Regierungsgebäude in Berlin , auf die nicht nur im ländlichen Raum mit Kopfschütteln reagiert wird. KfW-Auswertung: Kommunen fehlt Rekordsumme für notwendige Investitionen Ifo-Chef warnt: Wohlstand in Deutschland akut bedroht Wer die Meldungen aus Berlin und dem Rest des Landes nebeneinanderlegt, erkennt unweigerlich, wie sehr sich Politik und Basis voneinander entfernt haben. Auf der einen Seite stehen die Privat-Kita für Regierungsbeamte und klimatisierte Konferenzsäle, auf der anderen Seite kalte Schwimmbäder und Straßen, die mit Schlaglöchern übersät sind. 266 nicht benötigte Büros Der Anbau des Bundeskanzleramts schlägt mit voraussichtlich 777 Millionen Euro zu Buche. Dafür bekommt die Bundesregierung 590 neue Büroplätze, von denen laut Bundesrechnungshof ganze 266 überhaupt nicht gebraucht werden. Dessen Prüfer forderten laut einem Bericht des "Spiegel" von der Bundesregierung, an genau dieser Bürofläche zu sparen. Doch der Bund hört nicht auf den Rechnungshof und der Anbau wird so gebaut, wie er geplant wurde. Im krassen Gegensatz dazu steht die eigentlich vermögende Stadt Baden-Baden. Dort zerstörten Unbekannte im Mai den Brunnen auf dem Jesuitenplatz und legten mehrere Brände. Ein Steinmetz schätzte die Kosten für den Wiederaufbau auf rund 20.000 Euro – doch die Kurstadt ist pleite. Und so musste die Stadtverwaltung die eigenen Bürger darum bitten, die Kosten für den erneuten Aufbau des Brunnens zu übernehmen. Das Vorhaben gelang, der Brunnen steht wieder. 205 Millionen Euro für einen Amtssitz auf Zeit Nicht weit vom Anbau des Bundeskanzleramts entfernt, nur ein paar hundert Meter spreeaufwärts, wächst der neue Amtssitz des Bundespräsidenten in den Himmel. Dessen eigentliche Residenz, das mondäne Schloss Bellevue, wird ab 2026 umfassend saniert. In dieser Zeit wird Frank-Walter Steinmeier und sein möglicher Nachfolger im 205 Millionen Euro teuren präsidialen Zwischenquartier am Berliner Hauptbahnhof arbeiten. Derzeit entsteht ein Hybridbau mit Keramikfassade, sieben Stockwerken und zwei Veranstaltungssälen in der sechsten Etage. Im sächsischen Vogtlandkreis träumt man wohl davon, so viel Geld ausgeben zu können. Der Kreis lässt die Fenster der Schulen künftig nur noch einmal statt zweimal im Jahr putzen und will künftig auf Putzroboter statt auf Reinigungskräfte setzen, weil diese billiger sind. Landkreis will Hälfte aller Gebäude abschaffen Ein paar Meter vom Regierungsviertel entfernt befindet sich des Bundesumweltministerium. Auch diese Behörde soll ausgebaut werden. Ursprünglich sollten sich die Kosten für das neue Gebäude auf rund 240 Millionen Euro belaufen – im Jahr 2024 berichtete der "Tagesspiegel" allerdings, dass die Kosten explodiert seien. 402 Millionen Euro sind nun dafür veranschlagt. Und das, obwohl sich der Hauptsitz der Behörde in der alten Bundeshauptstadt Bonn befindet. Eine ganz andere Situation zeigt sich dagegen im Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt. Schon durch die normale Verwaltungsarbeit habe sich der Kreis hoch verschuldet, erklärt Landrat André Schröder dem MDR. Mansfeld-Südharz plant derzeit, die Hälfte aller kommunalen Gebäude abzuschaffen, um finanziell überhaupt auf einen grünen Zweig zu kommen. Es gab viele Entlassungen, die Ausgaben für Kulturangebote, Sportvereine oder auch die Volkshochschule brutal gekürzt. Die Bundesregierung baut wie ein Großkonzern Somit bleibt ein absurdes Bild: Während sich der Bund luxuriös ausbaut, kämpfen die Kommunen als Fundament des Föderalismus um jeden Euro. Sie haben keine Zeit, sich über die enormen Kosten in Berlin zu beschweren, denn sie sind vermutlich damit beschäftigt, die nächste Liste an zu streichenden Investitionen zusammenzustellen. Vielleicht wird es Zeit für ein kleines Experiment: Während sein Amtssitz renoviert wird, könnte der Bundespräsident in eine baufällige Sporthalle ziehen, von denen es in Berlin einige gibt. Das Bundeskanzleramt könnte seine überschüssigen Räume mit den Angestellten wechselnder Stadtverwaltungen teilen, bei denen es sicher auch möglich wäre, dass sich zwei Mitarbeiter ein Büro teilen. Die so freigewordenen Millionen Euro könnte die Bundesregierung in den Bau von günstigem Wohnraum stecken oder sie in kommunale Sanierungen stecken. All das ist natürlich ein gänzlich hypothetisches Gedankenspiel. Die Bundesregierung rührt lieber frischen Beton an, als dass sie sich finanzieller Bescheidenheit widmet. Somit entsteht ein architektonischer Graben zwischen Regierung und Restland. Berlin plant sein Hauptquartier wie eine Konzernzentrale: glänzend, symbolträchtig und teuer. Währenddessen blättert an den "Filialen" der Putz ab – und da sie kurz vor der Insolvenz stehen, wird sich daran auch vermutlich so schnell nichts ändern.
