Einer der größten Untreue-Prozesse der Thüringer Justiz aus der jüngeren Vergangenheit ist zu Ende. In der Urteilsbegründung findet sich viel Kritik - längst nicht nur an den Angeklagten.
Der Korruptions-Prozess um einen früheren hohen Justizbeamten am Landgericht Gera ist mit Schuldsprüchen für die drei Angeklagten beendet worden. In seiner Urteilsbegründung kritisierte der Vorsitzende Richter, Uwe Tonndorf, aber auch die Zustände innerhalb der Thüringer Justiz in der Vergangenheit. Das Verfahren habe "sehr verstörende Einblicke" dazu ergeben, wie die Justiz des Landes zwischen 2014 und 2019 aufgestellt gewesen sei, sagte Tonndorf.
Die Justiz sei damals eindeutig "kaputt gespart" gewesen. "Die Grundeinstellung hier ist: Die Justiz hat zu funktionieren, aber darf nichts kosten." Die daraus resultierenden Defizite hätten die Straftaten erst möglich gemacht, wegen der die Angeklagten durch die Kammer verurteilt würden. "Das ist Versagen der Justiz", sagte Tonndorf.
Hoher Finanzschaden für das Land
Das Verfahren war eines der komplexesten Untreue-Verfahren in Thüringen in den vergangenen Jahren – und hatte sich mit Verträgen beschäftigt, die aus der Thüringer Justiz heraus selbst abgeschlossen worden waren. Dem Freistaat Thüringen soll durch die Taten ein Schaden in Höhe von etwa447.000 Euro entstanden sein.
Bei den drei Angeklagten handelt es sich um einen ehemals leitenden Bediensteten des Thüringer Oberlandesgerichts sowie zwei Unternehmer. Nach Überzeugung der Kammer machten sich die drei in mehreren Fällen und in unterschiedlichen Konstellationen unter anderem der Untreue, der Vorteilsannahme und verschiedener Beihilfetaten schuldig.
Bewährungs- und Geldstrafen
Der Ex-Regierungsdirektor erhielt eine Bewährungsstrafe in Höhe von zwei Jahren. Einer der Unternehmer bekam eine Bewährungsstrafe in Höhe von einem Jahr und sieben Monaten, der andere Unternehmer eine Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen. Bei einem der verurteilten Unternehmer soll infolge des Urteils zudem fast eine Million Euro mutmaßlich zu Unrecht erhaltenes Geld eingezogen werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Im Kern ging es in diesem Verfahren darum, dass die beiden Unternehmer in den 2010er Jahren Studierende an die Thüringer Justiz vermittelt hatten, damit diese dort verschiedene Hilfstätigkeiten ausübten, für die kein Landes-Personal vorhanden war. Auf der Seite der Justiz war der Ex-Bedienstete der zentrale Ansprechpartner für die entsprechenden Verträge. Nach Einschätzung der Kammer hatte er bei der Vergabe der jeweiligen Aufträge bewusst unter anderem gegen Haushaltsrecht verstoßen.
Gleichzeitig hatten die Unternehmer dem Ex-Bediensteten Darlehen gewährt, weil dieser privat in finanziellen Schwierigkeiten war, was die Kammer als Korruption wertete. Dennoch solle das Urteil den Ex-Bediensteten "nicht in den Dreck ziehen", sagte Tonndorf. Der Mann habe sich große Verdienste um den Aufbau der Thüringer Justiz nach der Wende erworben.
Kritik an früherem Gerichtspräsidenten
Mehrfach bezeichnete Tonndorf das Urteil oder die durch das Verfahren gewonnenen Einblicke in die Zustände innerhalb der Justiz als "heftig" oder "schlimm". Immer wieder übte er auch scharfe Kritik am langjährigen Präsidenten des Thüringer Oberlandesgerichts, Stefan Kaufmann, der eine Zeit lang auch Präsident des Thüringer Verfassungsgerichtshofs war.
Kaufmann habe eigentlich eine Kontrollpflicht gegenüber dem Ex-Bediensteten gehabt, sei aber in dieser Hinsicht "ein Totalausfall" gewesen. Der ehemalige leitende Mitarbeiter des Oberlandesgerichts habe seine Verstöße gegen das Haushaltsrecht nicht groß verdecken müssen. Er sei vom Justizsystem mit einer Machtfülle ausgestattet worden, die er sich nicht ausgesucht habe. „Dafür ist er nicht schuldig“, sagte Tonndorf.
Aus diesen Überlegungen heraus sei die Kammer auch zu der Überzeugung gekommen, dass der Mann nicht zu einer Haftstrafe zu verurteilen sei. „Wenn die Justiz so versagt, ist es nicht fair, dafür ins Gefängnis zu kommen“, sagte Tonndorf.
Revision denkbar
Der Anwalt des ehemaligen Mitarbeiters des Oberlandesgerichts sagte, er gehe gegenwärtig davon aus, dass er für seinen Mandanten Revision gegen die Entscheidung einlegen werde. Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft sagte, die Behörde werde noch entscheiden, ob sie Rechtsmittel in Anspruch nehme.
Die Verteidiger der Angeklagten hatten einen Freispruch für ihre Mandanten gefordert, die Staatsanwaltschaft hatte höhere Strafen verlangt.