Skispringerin Selina Freitag gewinnt die Qualifikation in Garmisch-Partenkirchen. Mit ihrer Prämie kann sie aber nur ihr Badezimmer neu ausstatten. Sven Hannawald ist verärgert.
Als die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft 1989 erstmals den EM-Titel gewann, schenkte der DFB ihnen ein Kaffeeservice. Bestehend aus 41 Teilen, von Villeroy & Boch. Der Grund damals: Amateure dürfen keine Geldprämien erhalten.
Frauen und Männer werden im Fußball zwar oft noch ungleich bezahlt oder prämiert – die Zeiten von Sachpreisen für Sportlerinnen sind passé. Oder?
Im Skisport offenbar nicht. STERN PAID 6_22 Karl Geiger Ski-Springen Olympia Endlich abheben 8.12
Die deutsche Skispringerin Selina Freitag berichtete an Silvester, sie habe für ihren Sieg in der Qualifikation der Two-Nights-Tour in Garmisch-Partenkirchen Duschcreme, Shampoo und vier Handtücher erhalten.
Die Männer hingegen bekamen Bares: 3000 Schweizer Franken – umgerechnet rund 3200 Euro.
Das irritierte den ehemaligen Vierschanzentournee-Sieger Sven Hannawald deutlich. Als die deutsche Skisprung-Legende von der fast schon demütigenden Frauen-Prämie bei der ersten Qualifikation zur Two-Nights-Tour hörte, überspielte er seinen Ärger mit Humor: "Da muss man fast schon gucken, was man bei Ebay dafür kriegt. Das ist schon bitter."
Er reagierte dann mit einem kuriosen Vorschlag: "Wenn ich das vorher gewusst hätte, wäre ich morgens schon mit einem Klingelbeutel zur Bahnschranke gegangen und hätte gespendet oder spenden lassen. Das war ein bisschen unglücklich", sagte Hannawald in der ARD und schlug vor, den Springerinnen 500 oder 1000 für einen Erfolg in der Vorausscheidung zu geben.Diese Sportlerinnen verdienen am meisten 12.42
Horst Hüttel, beim Deutschen Skiverband (DSV) Sportdirektor, zeigte Verständnis für die Kritik. "Definitiv müssen wir uns da Gedanken machen. Stand jetzt gibt es für eine Qualifikation kein Preisgeld. Handtuch und Duschgel ist ein bisschen unglücklich gewählt. Da ist es gescheiter, man gibt gar nichts", ordnete er ein.
Man wolle dieses Thema mit den Organisationskomitees angehen, kündigte der Funktionär an.
Die Frauen haben noch immer keine Vierschanzentournee. In Garmisch-Partenkirchen und Oberstdorf gibt es Wettbewerbe, in Innsbruck und Bischofshofen noch nicht.
"Das Glas ist eher halbleer. Wir wollen den zweiten Schritt gehen in den nächsten zwei Jahren. Solange das nicht komplett umgesetzt wird, werden immer die Rufe danach sein", sagte Hüttel.
Die zweite Ausgabe der neuen Mini-Tour soll bald in eine Vierschanzentournee für Frauen übergehen. Nach 73 Ausgaben der prestigeträchtigen Männer-Tournee wollen die Frauen endlich Gleichberechtigung.
Doch die Two-Nights-Tour war dafür keine gute Werbung. Das lag weder am sportlichen Niveau noch am Preisgeld-Unterschied – sondern mehr am öffentlichen Interesse. Trotz Liveübertragungen bei ARD und Eurosport findet das neu geschaffene Event wenig Beachtung. Und die Zuschauerzahlen in den riesigen Stadien bleiben weit hinter denen der Männer zurück.
Besonders drastisch war das an Silvester zu sehen. 10.000 Fans sahen am Nachmittag die Qualifikation der Springer um Pius Paschke. Bei Katharina Schmid und Co. waren es gut eine Stunde später nur noch 3000 Anhänger. "Es sind doch noch ein paar Zuschauer dageblieben. Wir nehmen das mit, was wir kriegen können", sagte Freitag.Ergebnis Neujahrsspringen 17.30
Die Veranstalter warben sogar per Lautsprecher und mit einer Happy Hour darum, nach der Männer-Quali nicht zu gehen. Problematisch war jedoch die lange Pause nach der Qualifikation – gerade bei Kälte, als die Sonne weg war. "Man wird hoffentlich versuchen, das Gesamtprodukt noch enger zu schnüren", sagte Sportdirektor Horst Hüttel.
Hannawald, ein großer Befürworter einer Tournee für Frauen, ärgerte sich vor allem über die fehlende Wertschätzung, die sich nach der Qualifikation in Form des Preisgeld-Ersatzes zeigte.
"Das ist natürlich einer Two-Nights-Tour nicht würdig. Da weiß ich nicht, warum man so was zulässt", sagte der bisher letzte deutsche Tournee-Sieger in der ARD.
Weitere Quellen: Deutschlandfunk, "Der Spiegel"