Zum Vorrundenabschluss warten zwei Aufgaben auf die GIESSEN 46ers, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Nein, vom „wahrscheinlich aufreibendsten Derby der ProA“, vom „Spitzenspiel“, vom „Duell der beiden größten Rivalen, die sich seit dem Aufstieg der Frankfurt Skyliners in dieser Liga gegenüberstehen können“, will „Frenki“ Ignjatovic überhaupt noch nichts wissen. Der Sonntag (16 Uhr), wenn seine Jungs zum Vorrundenabschluss der BARMER 2. Basketball-Bundesliga bei Phoenix Hagen gastieren, ist für den Cheftrainer der GIESSEN 46ers ähnlich weit entfernt wie für Olaf Scholz Ende Februar ein abermaliger Einzug ins Kanzleramt.
„Meine Kunst muss es sein, Hagen aus den Köpfen zu löschen und den Fokus einzig und allein auf Nürnberg zu richten“, nutzt der 58-Jährige derzeit jede sich bietende Gelegenheit, nur über die „Falken“ aus der größten Stadt des Frankenlandes zu reden. Schließlich bietet sich dem Altmeister am Freitag (20 Uhr) in der heimischen Osthalle die große Gelegenheit, die eine von vielen Höhepunkten und wenigen Rückschlägen geprägte Vorrunde, die aktuell 10:5-Siege bietet, mehr als zufriedenstellend zu beenden – egal, wie das Match 44 Stunden danach auch enden mag.
Denn: Die Männer von der Lahn sind in der Spur. Sie haben den Tübingen-Rückschlag nicht nur mit einem 39-Punkte-Sieg gegen Koblenz beantwortet, sondern sie haben in Bochum sogar ein Statement gesetzt. Der damalige Tabellenzweite, der mit acht Erfolgen in Serie in die Partie gegangen war, hatte beim Gießener 98:81-Erfolg keine Chance, was der 46ers-Mannschaft jede Menge Selbstvertrauen gegeben hat. „Alle Trainingseinheiten zeigen mir, dass sie heiß sind, dass sie sich in bestechender Form befinden und dass sie mit großer Vorfreude auf die nächsten Aufgaben warten.“
Die mit dem Nürnberg Falcons BC zwar „nur“ den Vorletzten bereit hält, die jedoch kniffeliger zu lösen ist, als es der Blick auf die Tabelle vermuten lässt. „Die sind deutlich stärker als es ihre bisherigen Zahlen vermuten lassen. Sie steigen am Ende mit Sicherheit nicht ab, da lege ich mich gerne fest. Sie werden noch aufholen und einige andere hinter sich lassen“, ist sich Branislav Ignjatovic sicher, einen Gegner vor der Brust zu haben, der noch von sich hören lassen wird. „Sie können alle schlagen, sollten damit aber erst nach dem Spiel in Gießen beginnen“, setzt der Serbe nicht zuletzt auf die Heimstärke seiner Jungs, die mit 6:1-Siegen vor eigenem Publikum ihre Hausaufgaben sprichwörtlich erledigt und sich keinen Ausrutscher gegen Teams, die hinter ihnen liegen, geleistet haben.
Mit dem Team aus der Heimatstadt des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder empfangen die Männerturner einen Kontrahenten, der zwar erst drei Erfolge auf dem Konto hat, der zuletzt aber von sich hören ließ. Das 74:76 bei den ART Giants Düsseldorf war eine Buzzerbeater-Niederlage nach einer 70:64-Führung 100 Sekunden vor Schluss, beim Heim-66:74 gegen Tabellenführer Science City Jena, das fast 4000 Besucher sehen wollten, hielten die „Falken“ bis zum 59:59 Mitte des letzten Viertels mit, ehe die Thüringer den Erfolg noch einfuhren.
„Sie haben reichlich Qualität in ihren Reihen“, kennt Ignjatovic die Stärken des Gegners, der seit Anfang November und der Trennung von Coach Virgil Matthews auf Geschäftsführer Ralph Junge setzt. Der 55-Jährige übernahm die Mannschaft nach sieben Niederlagen aus den ersten sieben Partien und gewann von den acht Partien unter seiner Regie immerhin drei gegen Hagen, in Koblenz und gegen Karlsruhe.
Chef im Ring des Nürnberg Falcons Basketball-Clubs ist US-Guard Gabe Kalscheur, der kurz vor der Saison aus der Organisation des NBA-Clubs Minnesota Timberwolves an die Pegnitz kam. Der 25-Jährige gehört mit durchschnittlich 17 Punkten zu den besten Scorern der Liga, außerdem ist er jederzeit in der Laga, mal fünf Dreier einzustreuen oder sechs Rebounds einzusammeln. Mit US-Combo-Guard Evan Taylor holte Junge einen Mann nach Nürnberg zurück, der zuletzt in Österreich bei den Arkadia Lions sein Glück versucht hatte. Mit 2,12-Meter-Mann Leo Saffer sowie mit Routinier Julius Wolf, der Vechta einst in die BBL warf, räumen zwei Modellathleten unter den Körben auf. Sardaar Calhoun ist, wie gegen Düsseldorf oder Münster, stets in der Lage, für 25 Zähler zu sorgen. Der ehemalige Trierer Dan Monteroso trifft zuverlässig von außen. Und mit Tim Köpple hat sich mit im Schnitt 27 Minuten auf dem Parkett ein Spielemacher in Nürnberg etabliert, der zwischen 2019 und 2021 auch in Gießen seine Spuren hinterließ.
Der Vorrundenabschluss bei Phoenix Hagen (Sonntag, 16 Uhr), das seine Tageskasse aufgrund des zu erwartenden Zuschauer-Ansturms (bisher sind 2600 der 3145 Tickets verkauft) schon zwei Stunden vor dem Tip-off öffnen wird, ist abseits der großen Rivalität natürlich ein Treffen alter Bekannter. Die Hagener Bjarne Kraushaar, Tim Uhlemann, der zuletzt im Artland mit 24 Punkten einen persönlichen Karriere-Highscore schaffte, Dennis Nawrocki und Kilian Binapfl spielten bereits vier „Feuervögel“ in Gießen oder sie stammen sogar aus der Stadt an der Lahn. Auf der Gegenseite trug 46ers-Topscorer Kyle Castlin in der Saison 2022/23 das Hagener Trikot, ehe es den US-Boy nach Belgien zu Union Mons-Hainaut verschlug.
„In Hagen zu spielen ist immer ein Tanz auf der Rasierklinge. Dort ist die Stimmung gigantisch, das kann lähmen oder anstecken“, schätzt „Frenki“ Ignjatovic die grandiose Atmosphäre in der Ischelandhalle, in der es für ihn in seinen ersten beiden 46ers-Spielzeiten nichts zu holen gab. „Das wollen wir ändern“, hofft der Serbe auf einen Sieg, möchte aber den Druck von seiner Mannschaft nehmen und die Partie nicht überbewerten: „Auch in Hagen sind nur zwei Punkte zu vergaben.“
Die aber schwer zu holen sind, denn die Truppe von „Frenkis“ kanadischem Freund Chris Harris, der schon in seiner siebten Saison an der Volme arbeitet, ist stark besetzt und besonders auf den Import-Positionen, auf denen sich vier US-Boys tummeln, zu beachten. Die beiden Forwards Naz Bohannon (aus Vechta) und Devonte McCall (aus Schwenningen) spielen schon ihre zweite Runde im Süden Westfalens. Bohannon steht fast regelmäßig 33 Minuten auf dem Feld und markiert im Schnitt 14 Zähler. McCall ist stets in der Lage, wie gegen Bremerhaven 21 Punkte zum Gelingen beizusteuern. Mit Sincere Carry kam ein Regisseur aus Griechenland, der in der ProA mit gut 16 Zählern zum oberen Regal der Korbschützen gehört. Tyler Stephenson-Moore markierte zuletzt gegen Münster mit 26 Punkten seine persönliche Rekordmarke. Da auch der aus Benin stammende Ralph Hounnou immer besser in Schwung kommt und Center Lennart Boner, der am Sonntag seinen 32. Geburtstag feiert, immer für ein Double-Double zu haben ist, sind die „Feuervögel“ nicht mehr mit jener Mannschaft zu vergleichen, die in der Vorbereitung noch mit 82:108 in der Osthalle die Segel streichen musste.
„Wir fahren mit viel Selbstbewusstsein nach Hagen“, sieht „Frenki“ Ignjatovic die Zeit reif für eine erfolgreiche Kür zum Vorrunden-Abschluss. Vorausgesetzt, die Pflichtaufgabe, die seine Mannschaft bis auf Aiden Warnholtz in Bestbesetzung angeht, wird am Freitagabend erfolgreich absolviert …
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