Kurz vor der Bundestagswahl will der Aktivist Heinrich Strößenreuther wieder bei den Grünen eintreten. Hat er es mit der CDU überhaupt ernst gemeint?
An harter Kritik spart Heinrich Strößenreuther nicht: "Die CDU negiert bewusst die Dramatik des Klimakollapses und seine wirtschaftlichen Folgen", schreibt er auf der sozialen Plattform X (vormals Twitter). Die Parteiführung der CDU zeige "zu wenig Bereitschaft, sich mit wissenschaftlichen Fakten auseinanderzusetzen". Stattdessen höre man "zunehmend Trump’sche populistische und klimaschutzfeindliche Töne".
Es ist die Partei, in der er zuletzt selbst Mitglied war, über die Strößenreuther spricht. Anfang des Jahres 2021 trat der bekannte, zuweilen polemisch auftretende, Fahrrad- und Klimaaktivist in die CDU ein. Nur kurze Zeit darauf gründete er die sogenannte Klimaunion mit. Der Verein, dessen Vorsitzender Strößenreuther von der Gründung bis Anfang 2022 war, setzt sich eigenen Angaben zufolge dafür ein, dass die "CDU/CSU Vorreiter für pragmatische Klimapolitik wird".
Nun verkündet Strößenreuther in einem öffentlichkeitswirksamen Schritt mitten im Wahlkampf nicht nur, dass er bei der Union aus-, sondern auch gleich bei den Grünen eintritt: Das sei "derzeit die einzige Partei, die sowohl die Dramatik des Klimakollapses als auch die Chancen und Risiken für die deutsche Wirtschaft erkannt" habe, so der 57-Jährige.
Bei den Grünen war er bis zum Jahr 2015 schon einmal Mitglied – trat damals aber aus, um für sein Engagement in einer Bürgerinitiative für Fahrradverkehr parteilos zu sein. War das mit der Union also sowieso nicht ernst gemeint? Gar der Versuch einer Unterwanderung, wie mancher in der Partei mutmaßte?
Dieser Vorwurf habe ihn immer gewurmt, sagte Strößenreuther nun dem "Spiegel". Er stamme aus einem bürgerlichen Elternhaus, so hat er es in der Vergangenheit immer wieder betont, und sei durch die Kirchengemeinde geprägt worden. Während seines Studiums der Wirtschaftsinformatik an der Universität Mannheim wurde er mit einem Stipendium der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung gefördert.
Danach arbeitete er unter anderem als Campaigner bei Greenpeace und als Manager bei der Deutschen Bahn, bevor er sich als Verkehrsberater selbstständig machte. 2015 initiierte der Mann mit einem Händchen für aufsehenerregende Kampagnen in Berlin den Volksentscheid Fahrrad, der zum bundesweit ersten Mobilitätsgesetz auf Landesebene führte.
Er sei schon seit 30 Jahren "an der Schnittstelle zwischen Ökologie und Ökonomie unterwegs", sagte er dem "Spiegel", und habe versucht, "die Bekenntnisse der Union zum Klimaschutz in konkrete christdemokratische Politik zu überführen". Die Klimaunion sei deshalb ein ernstes Anliegen gewesen. Bei der Gründung des Vereins sah er auch das Problem, dass "die Klimaschutzbewegung nach links gekippt" sei und "besorgten Bürgerlichen" keine Plattform biete.
Als Strößenreuther in die Berliner CDU eintrat, sprach der Vorsitzende Kai Wegner, heute Regierender Bürgermeister von Berlin, von einem "prominenten und spannenden Mitglied" für seine Partei. Denn er habe in Deutschland dazu beigetragen, den Diskurs zu den notwendigen Klimaschutz-Bemühungen "ideologiefrei und wertebasiert zu verändern".
IV Tarek Al-Wazir Schwarz-Grün 6.25
Allerdings war die Klimaunion in der Partei von Beginn an umstritten – und Strößenreuther eckte immer wieder an. Als er Anfang 2022 der "Welt" sagte, dass Energie nicht zu billig sein dürfe, kommentierte CDU-Chef Friedrich Merz auf X: "Herr Strößenreuther und die Klimaunion sprechen nicht für die CDU."
Nach nur etwas weniger als vier Jahren Mitgliedschaft verlässt Strößenreuther die Union nun offensichtlich nicht nur, weil ihm deren Klimaschutz-Bemühungen nicht ausreichen. Sondern, weil er eine "Verschiebung des Diskurses immer weiter nach rechts" beklagt. "Merz und Söder übernehmen nicht nur in Migrationsthemen zunehmend AfD-Sprech, sondern auch bei Klima- und Umweltschutz", sagte er dem "Tagesspiegel".
Als einfaches Grünen-Mitglied will sich Strößenreuther nun im Wahlkampf für die Grünen engagieren. Seit Jahren ist er bekennender Fan von Schwarz-Grün. Nach den vorgezogenen Neuwahlen im Februar könnte das eine Option bei der Regierungsbildung sein – und für die Grünen die derzeit einzig realistische Machtoption.