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Gislason: «Können gegen jeden Gegner mithalten»

Alfred Gislason möchte mit den deutschen Handballern bei der WM an den olympischen Silber-Auftritt anknüpfen. Der Bundestrainer spricht über das Team, die Ziele und seine Sicht auf die Welt. Alfred Gislason hat die deutschen Handballer bei den Olympischen Spielen in Paris zur ersten Medaille seit acht Jahren geführt. Der Bundestrainer sieht viel Potenzial in der Mannschaft, mit der er noch viel vorhat und schon bei der WM vom 14. Januar bis 2. Februar 2025 erneut glänzen will. "Ich freue mich riesig auf die nächsten Jahre, denn normalerweise müsste dieses Team immer besser werden", sagte Gislason in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Darin spricht der Isländer nicht nur über die sportlichen Ziele, sondern auch seine Sorgen über den gesellschaftlichen Wandel in Deutschland und der Welt sowie das Entsetzen, das der tödliche Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt bei ihm ausgelöst hat. Olympia liegt nun fast fünf Monate zurück. Sind Sie danach oft auf den Silber-Coup angesprochen worden? Antwort: Man merkt schon, dass die Nationalmannschaft ganz anders im Fokus steht. Aber allzu häufig ist das nicht passiert. Hat das Olympia-Silber das Selbstverständnis der Mannschaft verändert? Die Olympischen Spiele haben den Spielern gezeigt, dass sie gegen jeden Gegner mithalten können, wenn sie alles geben und fokussiert sind. Sie haben bei den Sommerspielen eindrucksvoll gezeigt, dass sie dann auch die sogenannten Großen schlagen können. Das war ein gewisser Aha-Effekt, der den Spielern mehr Ruhe und das Selbstvertrauen gibt, dass sie sowohl individuell als auch als Mannschaft ziemlich weit sind und alles möglich ist. Aber sie wissen auch, dass diese Leistung immer wieder bestätigt werden muss. Sehen Sie die erste Medaille seit acht Jahren als Befreiung oder erhöht das den Druck? Ich denke, es gibt etwas mehr Druck. Die Mannschaft muss lernen damit umzugehen, dass jetzt erwartet wird, dass dies keine Ausnahme war, sondern der Standard ist. Damit müssen wir klarkommen. Verändert das die Herangehensweise an das bevorstehende Turnier? Nein, überhaupt nicht. Die Frage nach den Zielen ist immer eine Sache der Medien. Wir gehen jedes Turnier gleich an. Das heißt, wir wollen das erste Spiel gewinnen, dann das zweite usw., bis wir uns hoffentlich in einer Position befinden, wo wir das Halbfinale erreichen können. Das werden wir auch dieses Mal so halten. Diese Gewissheit, dass die Mannschaft dorthin kommen kann, ist schön. Aber wir müssen es erst einmal schaffen. Denn das Ranking der Topteams hat sich nicht verändert. Also sehen Sie Ihre Mannschaft nicht als Mitfavorit? Darüber machen wir uns überhaupt keinen Kopf. Was die Qualität und die Breite des Kaders angeht, sind Dänemark und Frankreich am weitesten. Schweden ist auf einem ähnlichen Niveau. Das sind die Top 3. Wir sind in diesem Jahr aber deutlich näher herangerückt an die Weltspitze. Wie wichtig ist ein guter und überzeugender WM-Auftritt, um die Euphorie, die um die Nationalmannschaft wieder entstanden ist, aufrechtzuerhalten und weiterzutragen? Das geht nur über Leistung. Es kommt darauf an, wie wir auftreten. Natürlich ist die Mannschaft so ehrgeizig, zu sagen, dass sie wie bei den vorangegangenen Turnieren bis ins Halbfinale kommen will. Aber das wollen auch zehn andere Nationen. Es ist sicherlich das Ziel, aber es kann einen ganz viel ganz schnell aus der Bahn werfen. Deshalb ist es die bessere Herangehensweise zu sagen, wir gehen einen Schritt nach dem anderen. Je mehr Schritte man gut übersteht, umso größer werden die Chancen. Eines kann ich aber versichern: Die Jungs werden alles geben. Wie schätzen Sie die Perspektive der Mannschaft für die Zukunft ein? Die Spieler haben jetzt zwei Jahre Erfahrungen gesammelt und sich besser und besser kennengelernt. Es ist eine der talentiertesten Mannschaften der Welt. Es macht extrem viel Spaß, mit den Jungs zu arbeiten. Ich freue mich riesig auf die nächsten Jahre, denn normalerweise müsste dieses Team immer besser werden. 2024 war ein ereignisreiches Jahr, nicht nur im Sport. Sie sind nicht nur Handball-Bundestrainer, sondern auch Historiker. Wie nehmen Sie die gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und der Welt wahr? Natürlich bereitet es mir Sorgen, dass es beinahe weltweit einen Rechtsruck gibt. Man muss sich aber auch die Frage stellen, warum ein Großteil der Menschen so unzufrieden ist. Haben Sie darauf eine Antwort? Ich denke, es liegt an der Verteilung des Geldes auf der Welt. Viele Länder gehen mittlerweile in die Richtung einer Oligarchie, wo das Geld die Politik bestimmt. Ich habe in diesem Jahr sehr intensiv verfolgt, was in den USA passiert ist. Ich bin immer überrascht, wie irre das ist. Leider ist es so: Wenn die Medien den gleichen Menschen gehören, die auch die Politik finanzieren, dann können sie den armen Menschen weismachen, dass sie auf fast alles verzichten sollen zugunsten der Geldgeber und großen Konzerne. Es ist erstaunlich, was alles möglich ist, aber auch erschreckend. Spüren Sie den gesellschaftlichen Wandel auch in Ihrem direkten Umfeld? Eher weniger. Aber ich glaube schon, dass die Menschen allgemein verunsichert sind. Sie wohnen seit rund 25 Jahren in der Nähe von Magdeburg. Wie haben Sie den tödlichen Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt kurz vor Weihnachten wahrgenommen? "Ich war und bin erschüttert - und werde das auch weiter sein. Den Ort dieses schrecklichen Geschehens kenne ich nur zu gut. Für alles Weitere fehlen mir die Worte. Ich kann nur eines festhalten: Wir müssen weiter für unsere Werte und unsere Art des Lebens einstehen." Zur Person: Alfred Gislason (65) ist seit Anfang Februar 2020 Bundestrainer der deutschen Handballer, die er bei den Olympischen Spielen zur Silbermedaille geführt hat. Vor seiner Zeit beim Deutschen Handballbund arbeitete der Isländer sehr erfolgreich als Vereinstrainer. Mit dem THW Kiel und dem SC Magdeburg gewann Gislason unter anderem sieben Meistertitel und dreimal die Champions League .

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