Ex-Finanzminister Theo Waigel übte bei "Markus Lanz" deutliche Kritik an der Ampelkoalition und verriet, was ihn an der AfD besonders wütend macht. Von der Höhe seiner 85 Jahre nahm der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" Stellung zu den drängenden Themen der Zeit. Der Ehrenvorsitzende der CSU übte bei seinem Solo-Auftritt scharfe Kritik am grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck und dem sozialdemokratischen Kanzler Olaf Scholz , verriet aber auch, mit welchem SPD-Politiker er sofort in eine Große Koalition eintreten würde. Habeck besitze zwar die Fähigkeit, sich zu erklären, habe allerdings als Wirtschaftsminister versagt. "Dass wir im Moment an letzter Stelle aller Industrieländer stehen, dass Deutschland den Durchschnitt der EU-Länder nach unten zieht, das hat es wirklich noch nie gegeben", erklärte Waigel mit Blick auf die Rezession in Deutschland. Dafür müsse ein Wirtschaftsminister geradestehen. Neben mangelnder Fachkompetenz warf das CSU-Urgestein Habeck vor, das Spitzenpersonal für das Wirtschaftsministerium aus "grünen Kadern" rekrutiert zu haben. "Das sind alles Ideologen gewesen", resümierte das ehemalige Kabinettsmitglied. Kritik an Scholz: So wenig politische Führung war noch nie Noch deutlichere Worte fand Waigel, der von 1989 bis 1998 Bundesfinanzminister war, nur für Kanzler Scholz. "So wenig politische Führung war noch nie in der Bundesrepublik Deutschland", urteilte der CSU-Politiker. Schließlich habe er, beginnend mit Konrad Adenauer (CDU), dem ersten Kanzler, alle bundesrepublikanischen Regierungschefs "mit wachem Blick" erlebt. Anders als etwa seine sozialdemokratischen Vorgänger Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder gehe Scholz die Dinge nicht entschlossen an, sondern versuche, gleichzeitig für und gegen eine Sache zu sein. Etwas besser als seine ehemaligen Koalitionspartner kam der liberale Ex-Finanzminister Christian Lindner weg. Dass Scholz ihn in seiner Rede zum Ampel-Aus persönlich attackiert habe, nannte Waigel "unmöglich". Das sei ein "Schlag unter die Gürtellinie" und "mangelnder Stil" gewesen. "Man kann sich auch anständig voneinander trennen", bemängelte der CSU-Politiker. Die FDP wiederum hätte nicht den Fehler machen dürfen, in eine Koalition mit SPD und Grünen zu gehen, die sich beide ökonomisch und finanzpolitisch gegen die Liberalen positioniert hätten. "Damit konnte Lindner nicht reüssieren", resümierte Waigel. Der FDP-Vorsitzende hätte die Koalition außerdem früher und aus freien Stücken beenden sollen, statt sich herausschmeißen zu lassen. Das sei suboptimal gewesen. Waigel schwärmt von Peer Steinbrück Bei einem anderen seiner Nachfolger als Finanzminister geriet Waigel dann sogar ins Schwärmen. "Mit Peer Steinbrück könnte ich sofort eine Große Koalition schließen und wir würden in 90 Prozent übereinstimmen. Ich mag ihn und schätze ihn", sagte der CSU-Politiker über den SPD-Mann, der von 2005 bis 2009 über den bundesdeutschen Haushalt wachte. Als einen der Punkte, die ihn mit Steinbrück verbinden würden, führte er die Bereitschaft an, der Wählerschaft reinen Wein einzuschenken und Sparmaßnahmen durchzusetzen. Man brauche ein finanzpolitisches Gesamtkonzept, das auch einen Subventionsabbau nach dem Rasenmäherprinzip umfasse, schlug Waigel vor. An solchen Maßnahmen führe kein Weg vor, betonte der Christsoziale, wohl wissend, dass diese schwer umzusetzen und mit Gefahren für die Stabilität des politischen Systems einhergehen dürften. "Es ist nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine demokratische Krise", gab Waigel zu. Dass populistische Kräfte wie AfD und BSW gerade in Ostdeutschland so erfolgreich seien, habe auch mit Strukturproblemen und massenhafter Abwanderung zu tun. "Einen solchen Aderlass, den kann kein Land und keine Bevölkerung wettmachen", erklärte der CSU-Politiker. "Die Leute fehlen uns heute, auch als Demokraten, als Leistungsträger. Insofern stehen wir vor großen Problemen", so Waigel weiter. "Eigentlich könnten die Ostdeutschen stolz sein", erklärte der Mann, der nach der Wende die Verhandlungen über die Wirtschafts-, Sozial- und Währungsunion der beiden deutschen Staaten geführt und die Finanzierbarkeit der Wiedervereinigung sichergestellt hatte. Die Ostdeutschen hätten in den 90er-Jahren einen Aufschwung selber gestaltet, der mit dem 50er-Jahre-Wirtschaftswunder des Westens vergleichbar sei. "Wir haben vielleicht einen Fehler gemacht damals. Wir haben den Menschen zu wenig erklärt, wie es um die Wirtschaft der DDR wirklich stand. Wir wollten die Menschen schonen", gestand Waigel ein. Es war ein möglicher Hinweis darauf, dass der ehemalige Finanzminister in seiner aktiven Zeit selbst nicht immer so deutlich kommunizierte, wie er es jetzt bei seinem Lanz-Auftritt von amtierenden Politikern verlangte. Beim Thema Grüne schmunzelt Waigel Als Priorität für die kommenden Bundestagswahlen nannte der CSU-Politiker das Kleinhalten von BSW und AfD. Beim Anblick dessen, was sich bei der AfD tue, überkomme ihn die Wut, erklärte er. Die Partei handele wie die Feinde der Demokratie in den 1920er und 1930er-Jahren. "Man kritisiert alles hemmungslos. Aus Prinzip. Man verachtet den anderen, erhöht das Nationale. Und das ist etwas, das katastrophal ist für die Entwicklung eines Landes", zeigte sich Waigel besorgt. Den Einwurf des Moderators, dass Waigels eigener Parteivorsitzender, Markus Söder , trotz der populistischen Gefahr eine Koalition mit den Grünen kategorisch ausschließe, wollte der ehemalige Minister nicht gelten lassen. Ausschließen dürfe man nie etwas, nur im Wahlkampf pointiert für die eigene Position kämpfen, betonte Waigel und schmunzelte dabei vielsagend.