Sie sollen an Fotos gelangt sein, die Michael Schumacher als Pflegefall zeigen – und seine Familie damit erpresst haben. Nun begann der Prozess gegen drei Männer.
Es ist eng im Wuppertaler Amtsgericht. Rund 30 Journalisten drängen sich in den Verhandlungssaal, der etwas klein wirkt für das Verfahren, das hier am Dienstagmorgen beginnt, manche sind sogar aus dem Ausland angereist. Es geht um 15 Millionen Euro, um Erpressung im besonders schweren Fall – und um einen der berühmtesten Sportler des Landes: Michael Schumacher.
Seit einem schweren Ski-Unfall im Jahr 2013 ist der siebenfache Formel-1-Weltmeister aus der Öffentlichkeit verschwunden, und bis heute hält die Familie seinen Gesundheitszustand streng geheim. Vor wenigen Monaten geriet das Geheimnis offenbar in Gefahr.
Jedenfalls erhielt die Familie damals per E-Mail mehrere Bilder, die Schumacher nach dem Unfall zeigten, und nun sitzen in Wuppertal drei Männer auf der Anklagebank. Markus F., ein ehemaliger Mitarbeiter der Familie Schumacher, und sein Bekannter Yilmaz T., beide 53 Jahre alt, müssen sich wegen Erpressung verantworten; Daniel L. – der 30-jährige Sohn von Yilmaz T. – wegen Beihilfe.
Laut Anklage waren die Männer an private Fotos und Videos von Schumacher gelangt sowie an Auszüge seiner Krankenakte. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, von der Familie 15 Millionen Euro dafür gefordert zu haben, dass sie die Dateien zurückgeben.
Größte Momente Michael Schumacher 17.16
Alle drei äußern sich an diesem Dienstag zu den Vorwürfen, und zwei der drei Aussagen scheinen die Version der Staatsanwaltschaft zu stützen. Yilmaz T. gesteht seine Beteiligung an der mutmaßlichen Erpressung. Das tue ihm heute leid, sagt er in seiner Einlassung. "Ich habe Scheiße gebaut und möchte jetzt dafür geradestehen."
Der glatzköpfige Mann in schwarzer Trainingsjacke behauptet, er habe die Dateien vor etwa zwei Jahren von Markus F. erhalten, einem langjährigen Bekannten – angeblich ohne Gegenleistung. Markus F. wiederum habe die Dateien von einer privaten Krankenpflegerin Michael Schumachers bekommen.
Yilmaz T. sagt, er habe sich dann auf die Suche nach einem Käufer gemacht, in Absprache mit seinem Komplizen. Nachdem verschiedene Interessenten abgesprungen seien, habe er eine Angestellte der Familie Schumacher angerufen und jene 15 Millionen Euro gefordert. Zudem habe er die besagte E-Mail verschickt, die eine Auswahl der Bilder enthielt. Er bereue, seinen Sohn Daniel L. in die Sache "mit reingezogen" zu haben, sagt Yilmaz T.
Auch Daniel L. gesteht die Vorwürfe vor Gericht. Im Auftrag seines Vaters habe er die Mail-Adresse eingerichtet, von der aus die Bilder verschickt wurden. Nach eigenen Angaben ging er davon aus, sein Vater wolle sie für ein legales Geschäft nutzen: "Dass es sich um private Bilder von Michael Schumacher handelt, mit denen Geld erpresst werden sollte, habe ich erst später erfahren."
Bei alldem waren Vater und Sohn offenbar nicht besonders vorsichtig. Vor Gericht berichten an diesem Tag auch zwei Ermittler, wie sie den Verdächtigen auf die Spur kamen. Nachdem die Schumachers sich in ihrer Wahlheimat Schweiz an die Polizei gewandt hatten, sei die Anzeige nach Deutschland weitergeleitet worden, woraufhin das hessische Landeskriminalamt zu ermitteln begonnen habe. Die Rufnummer und die E-Mail-Adresse, die genutzt worden waren, um die Familie zu kontaktieren, hätten zu Vater und Sohn geführt.
Erdrückende Ermittlungsergebnisse, dazu zwei umfassende Geständnisse: Es scheint kein allzu komplizierter Fall zu sein – wäre da nicht die Aussage von Markus F., des dritten Angeklagten. Der Mann mit dem hageren Gesicht und den grauen Haaren war früher einmal ein Sicherheitsmitarbeiter der Familie Schumacher. Vor Gericht bestreitet er an diesem Tag, an der Erpressung beteiligt gewesen zu sein.
Die Staatsanwaltschaft hält ihn für den Mann, der die Dateien überhaupt erst gestohlen hat. Womöglich hätte er Gelegenheit dazu gehabt, offenbar war er bei den Schumachers auch zuständig für IT-Aufgaben und das Digitalisieren privater Fotos.
Markus F. lässt seinen Verteidiger eine andere Theorie vortragen: Möglicherweise seien die privaten Aufnahmen nach seiner Kündigung gestohlen worden, erklärt der Anwalt – als Markus F. seine Mitarbeiter-Wohnung im Wohnort der Schumachers ausräumen wollte, habe er sie "durchwühlt" vorgefunden.
Nach jetzigem Stand bleiben dem Gericht vier Prozesstage, um zu ergründen, wer in diesem Verfahren die Wahrheit sagt und wer nicht. Sicher scheint bislang nur, dass am Ende keine Strafe stehen wird, die höher als vier Jahre Haft liegt – sonst wäre statt des Amtsgerichts das Landgericht zuständig. Ein Urteil wird im Februar 2025 erwartet.