MADRID. Stolze 465 Pflichtspiele, 28 Tore, 99 Vorlagen und 23 Titel: Wer bei dem großen Real Madrid eine ganze Dekade lang unumstrittener Stammspieler war und so ein Erbe hinterlässt, dem widerspricht man eigentlich nicht. Es verbietet sich im Prinzip schon. Oder? Im Falle des legendären Toni Kroos und seiner LaLiga-Vorhersage darf man vielleicht doch einmal dagegenhalten.
Worum es geht? Der Ex-Stratege der Königlichen vor ein paar Wochen in seinem Podcast „Einfach mal Luppen“: „Ich bleibe nach wie vor der Meinung, dass Real entscheidet, wer die Liga gewinnt. Aber sie müssen natürlich schauen, dass der Abstand nicht so groß wird.“
Man kann es auch genau umgekehrt sehen. Und zwar: Der FC Barcelona entscheidet es. Präziser: Nur ein tollpatschiges Team von Hansi Flick wird Real in der Primera División die erste Titelverteidigung seit 2008 bescheren.
Die Blancos sind am Mittwoch mit einem 1:2 gegen den Athletic Club in ihrem 15. LaLiga-Einsatz bereits zum fünften Mal nicht als Gewinner vom Platz gegangen und haben damit einmal mehr ihre Auswärtsschwäche in dieser Spielzeit offenbart. National steht Real auf fremdem Terrain bei nur drei Siegen und dafür drei Unentschieden sowie einer Pleite. Hinzu kommen international die Schlappen in Lille und Liverpool. REAL TOTAL hatte bereits Ende September die Frage in den Raum geworfen: Bringt sich Real auswärts um die Meisterschaft? Offensichtlich nicht unberechtigt, denn eine signifikante Verbesserung der Bilanz blieb aus.
Ja, der Rückstand auf Barça könnte in wenigen Wochen theoretisch gerade mal einen Punkt betragen, sofern beide Mannschafen bis dahin immer gewinnen und Real sein voraussichtlich am 2. Januar stattfindendes Nachholduell mit dem FC Valencia vom 12. Spieltag erfolgreich gestaltet.
Möglich ist bei dem reinen Blick auf die Zahlen daher selbstverständlich alles. Wer das Gegenteil behauptet, macht sich lächerlich. Aber es geht gerade in erster Linie gar nicht um die genaue Punkte-Differenz, sondern um die Signale und Eindrücke, die Real diese Saison sendet und hinterlässt. Und auf der anderen Seite eben die von Barça, das jetzt auch eine erste Schwächephase hatte, aber ein unter dem Strich gefestigteres, titelhungrigeres Bild abgibt, während Real oft mit sich selbst zu kämpfen hat, keine richtige Konstanz aufbringt, eher zu Fall gebracht werden kann als der Erzrivale. Der amtierende Meister steht auf zweifellos wackligeren Füßen.
Auf Grundlage dessen muss man schlicht und ergreifend befürchten: Real patzt wahrscheinlich noch das eine oder andere Mal öfter als Barça, das sich nach so vielen starken Auftritten schon dämlich anstellen müsste, damit Real auf Strecke Erster wird und bleibt. Und es wäre wiederum nicht das erste Mal, dass die Königlichen der Champions League umso mehr Priorität geben, sollte die Differenz zu den Katalanen im Zuge der Rückrunde noch etwas anwachsen.
Kroos: „Es ist noch nichts verloren, sofern der Abstand nicht irgendwann bei zwölf, 15 Punkten ist. Weil dann besteht auch die Gefahr, dass du es irgendwann im Februar, März ein Stück weit wegschenkst. Und das darf nicht passieren. Du darfst einfach nicht das Gefühl haben, die ganze Zeit hinterher zu rennen, das ist auch anstrengend. Dann musst du nachher parallel natürlich schauen, dass du auch in der Champions League funktionierst.“
Eine These, die womöglich steil wirken mag – oder ganz und gar nicht: Dass Real die Champions League verteidigt, ist realistischer als eine direkt erneute Meisterschaft. Man weiß ja, wie es ist: Den Madrilenen liegt es, sich an vergleichsweise nur ein paar Tagen der Saison zu motivieren, per Knopfdruck im prestigeträchtigsten Wettbewerb ihre Bestform zu zeigen anstatt die Konzentration, das Energielevel und den Willen im teils grauen Alltagsgeschäft LaLiga Woche für Woche hoch zu halten. Dass die Liga-Trophäe zuletzt vor 16 Jahren verteidigt wurde, kommt nicht von ungefähr.
Mit Blick auf die letzten zehn Spielzeiten, in denen vier Meisterschaften heraussprangen, hat Real es fünfmal geschafft, die Hinrunde in der Rückrunde um mehr als fünf Punkte zu toppen. Ansonsten unterschied sich die Ausbeute der Merengues, die aktuell auf einem 41-Punkte-Kurs in der Hinrunde sind, nur bedingt. Geht diese 50-Prozent-Quote bereits als Hoffnungsschimmer durch? Jemand wie Kroos würde das vermutlich bejahen, immerhin greift er auf einen großen Erfahrungsschatz zurück. Gewiss ist aber sicherlich auch: Nicht jeder wird seine Einschätzung teilen. Ausnahmsweise mal.
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