Die Schweizer Justiz hat derzeit alle Hände voll zu tun: Vom Korruptionsskandal bei Trafigura bis zu Vorwürfen gegen Credit Suisse spannt sich ein Netz von Verfahren, die nicht nur nationale, sondern auch internationale Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Eine Momentaufnahme der brisantesten Fälle.
Am 2. Dezember beginnt vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona der Prozess gegen Trafigura, einen der weltweit größten Rohstoffhändler. Der Vorwurf: Korruption im Zusammenhang mit Verträgen in Angola. Neben Trafigura selbst sind auch ein angolanischer Beamter, ein Schweizer Vermittler und Michael Wainwright, der ehemalige Vizechef des Unternehmens, angeklagt.
Ein besonderer Fokus liegt auf den Verstrickungen von Claude Dauphin, dem verstorbenen Gründer und CEO von Trafigura. Obwohl Dauphin 2015 starb und damit nicht mehr rechtlich belangt werden kann, wirft die Anklageschrift ein Schlaglicht auf seine Rolle und seinen Einfluss in der Causa. Die Frage, ob diese posthumen Ermittlungen die Glaubwürdigkeit des Unternehmens weiter beschädigen, bleibt offen.
Ein ehemaliger Inspektor der Waadtländer Sicherheitspolizei steht ab dem 27. November vor dem Berufungsgericht des Kantons Waadt. Der Vorwurf: Er soll einen Tesla Model S im Wert von 124.000 Franken von Philippe Amon, dem Milliardär und Eigentümer der Firma SICPA, angenommen haben.
Besonders brisant ist, dass der Polizist parallel für den Schweizerischen Nachrichtendienst tätig war. Diese Doppelrolle wirft Fragen zu den ethischen Standards und den möglichen Interessenkonflikten im öffentlichen Dienst auf.
Fünf Jahre lang kämpfte die Bundesanwaltschaft um Zugang zu den E-Mails des ehemaligen Chefs der Bank J. Safra Sarasin, die im Zentrum des Petrobras-Korruptionsskandals steht. Erst jetzt konnten vier entscheidende Postfächer entsiegelt werden – ein Meilenstein, der jedoch die Langsamkeit der Schweizer Verfahren bei komplexen Finanzermittlungen offenbart. Diese Verzögerungen gefährden nicht nur die Aufklärung, sondern auch das internationale Ansehen der Schweizer Justiz.
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Einspruch des ehemaligen moldauischen Oligarchen Vladimir Plahotniuc abgelehnt, der seit 2019 nicht in die Schweiz und Liechtenstein einreisen darf.
Laut Gericht stellt Plahotniuc eine "charakterisierte Bedrohung für die innere und äußere Sicherheit" dar. Dieser Fall unterstreicht die Entschlossenheit der Schweizer Behörden, gegen Personen vorzugehen, die mit Korruption und organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht werden.
In den USA sieht sich die Credit Suisse mit Vorwürfen konfrontiert, sie habe auf Anweisung ihres damaligen CEO Tidjane Thiam E-Mails eines französischen Geschäftsmannes, Damien Dernoncourt, gehackt. Die mutmaßlichen Überwachungsmaßnahmen sollen mit einem Scheidungsverfahren zusammenhängen, an dem Dernoncourt und seine Ex-Frau Marie-Soazic Geffroy beteiligt waren.
Obwohl Credit Suisse jegliche Spionagevorwürfe entschieden zurückweist, wies ein US-Bundesgericht im Oktober den Antrag der Bank ab, die Klage abzuweisen. Für den neuen Eigentümer UBS könnte dieser Fall zu einer langwierigen juristischen Belastung werden.
Das Krypto-Wunderkind und die Kehrseite des Erfolgs
Dadvan Yousuf, einst als Wunderkind der Schweizer Krypto-Szene gefeiert, steht heute im Mittelpunkt juristischer Auseinandersetzungen, die seinen rasanten Aufstieg in ein anderes Licht rücken. Vom Flüchtlingskind zum Bitcoin-Millionär – diese Geschichte elektrisierte Medien und Öffentlichkeit gleichermaßen.
Doch was wie ein modernes Märchen begann, hat inzwischen Risse bekommen. Zweifel an seinen Angaben, Auseinandersetzungen mit der Finma (Finanzmarktaufsicht) und harsche Kritik von Branchenexperten haben das Bild des unkonventionellen Selfmade-Milliardärs stark getrübt. Während Gerichte weiterhin über seinen Fall entscheiden, bleibt Yousuf nicht untätig – er sucht Gerechtigkeit und kämpft gleichzeitig um sein öffentliches Image. In der Auseinandersetzung mit dem SRF (Schweizer Radio Fernsehen) konnte er bereits einen Teilerfolg erzielen, doch das letzte Kapitel dieser Geschichte ist noch lange nicht geschrieben.
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