Teile Spaniens leiden noch immer unter den Folgen der Flut vor einigen Wochen. Konzerne wie Nestlé oder Danone machen derweil mit dem Mineralwasser aus den Regionen Geschäfte.
Es war nicht weniger als eine Jahrhundertflut, die Spanien Ende Oktober heimsuchte. Ab dem 29. Oktober regnete es an manchen Orten in acht Stunden so viel, wie normalerweise in einem ganzen Jahr – teilweise bis zu 490 Liter pro Quadratmeter, wie der staatliche meteorologische Dienst Aemet meldete. Der Regen verwandelte Teile von Städten wie Valencia oder Málaga in Trümmerfelder. Die Fluten rissen Autos, Maschinen, ganze Häuser mit sich. Dutzende Ortschaften waren zeitweise von der Außenwelt abgeschnitten, das Strom- und Wassernetz brach zusammen. Mindestens 220 Menschen starben bei den Überschwemmungen.
Was blieb, als das Wasser versickerte, war eine Wüste aus Schlamm und Müll. Hunderttausende Menschen waren auf eine Notfallversorgung mit Trinkwasser angewiesen. Tankwagen und Wasserspenden wurden in die Katastrophengebiete geschickt. Innerhalb einer Woche konnten knapp 90 Prozent der Betroffenen wieder an das Netz angeschlossen werden. Dennoch wurden die Bewohner aufgerufen, das Leitungswasser vor Gebrauch abzukochen oder gleich Mineralwasser aus Flaschen zu nutzen, weil knapp 100 Kläranlagen in der Region durch die Fluten beschädigt worden waren. Tote Tiere trieben im Wasser, ebenso wie menschliche Abfälle und Exkremente.
Noch heute befindet sich Valencia am Rande einer Abwasserkatastrophe, wie unter anderem der "Merkur" berichtet. Eine Situation, die auch solche anzieht, die offenbar ein großes Geschäft mit der Not wittern: Wasserkonzerne wie Nestlé, Danone und andere.
Der Südosten Spaniens ist zum Sinnbild einer Region geworden, die unter Extremwetterereignissen bedingt durch den Klimawandel leidet. Denn knapp ein Jahr vor der Jahrhundertflut ächzte die Bevölkerung nicht wegen zu viel Wassers – sondern wegen zu wenig. Eine Hitze- und Dürrewelle trocknete die Böden aus, Bauern verloren große Teile ihrer Ernte. Beide Ereignisse hängen miteinander zusammen. Immer höhere Temperaturen führen zu immer heftigeren Dürren und gleichzeitig zu stärkeren Niederschlägen in kürzerer Zeit, die dann nicht mehr vom Boden aufgenommen werden können. Spanien Valencia FLut Antonia 19.45
Sauberes Wasser wird in Spanien mehr und mehr zu einem Politikum. Sowohl in Dürrezeiten als auch jetzt nach einer verheerenden Flut. Wie der "Guardian" berichtet, wandern die Blicke auch deshalb nun in Richtung der großen Wasserkonzerne. Denn die scheinen immun zu sein gegen Extremwetter. In Spanien sorgt die Privatisierung von Wasser seit Jahren immer wieder für Diskussionen. In dem Land werde wie in kaum einem anderen in der EU von Konzernen wie Nestlé oder Danone Mineralwasser aus Quellen abgepumpt, um es abzufüllen und zu verkaufen. Gebiete wie Katalonien weisen in einem Umkreis von nicht einmal 20 Kilometern sechs private Abfüllanlagen auf, so die britische Zeitung. Das Wasser der Katalanen, das über Generationen das Überleben von Familien und Bauernhöfen sicherte, fließe inzwischen in die Plastikflaschen großer Konzerne.
Welche Folgen dies haben kann, hat sich in den vergangenen Monaten mehrmals gezeigt: Im vergangenen Februar riefen die Behörden für Katalonien den Dürre-Notstand aus. Wer mehr als 200 Liter Wasser pro Tag zum Trinken, Waschen und Putzen nutzte, musste mit hohen Strafen rechnen, wie die "Tagesschau" berichtete. Ausgenommen die Wasserkonzerne. Kleine Ortschaften wie das Dorf Hostalric fielen komplett trocken. "Ich kann nicht beschreiben, was für ein Schock es war, den Wasserhahn aufzudrehen und zu sehen, dass nichts herauskommt", erzählt Anwohner Pep Camp dem "Guardian".
Ähnliches berichtet auch Jordi Esmandia, Stadtrat des Dorfes Gualba. Als auch diese Gemeinde trockenfiel, habe man über Monate Wagenladungen mit Wassercontainern herankarren müssen. Doch die Lieferungen hätten bei Weitem nicht gereicht. Die Anwohner hätten selbst Wasser kaufen müssen. Für Geschäftemacher offenbar eine Riesenchance.
"Eine Firma namens Aquaservice kam von Tür zu Tür. Sie bot mir an, einen Wasserspender in meinem Haus zu installieren und mir zwei Monate lang kostenloses Wasser zu liefern", sagt Anita Fornons aus Gualba dem "Guardian". Viele Leute im Dorf hätten sich darauf eingelassen. Eine fatale Entscheidung. Denn das Unternehmen nutzte offenbar die Notlage der Anwohner aus. Es habe sie langfristige Verträge unterschreiben lassen, aus denen die Unterzeichner nicht so einfach herauskämen. "Auch wenn das Leitungswasser jetzt wieder läuft, kaufen wir es immer noch bei ihnen, weil wir einen Vertrag unterschrieben haben", beklagt Fornons.
Aquaservice beliefert Haushalte und Unternehmen in ganz Spanien mit Wasser in großen Kunststoffspendern, etwa für Büros. Das Unternehmen gewinnt dem Bericht zufolge Wasser an vier Standorten im Land und gehört zu "American Liquid Packaging Systems", einer Beteiligung der Risikokapitalgesellschaft Amidi Group aus Kalifornien.
Doch den Vorwurf, die großen Konzerne würden die angespannte Trinkwassersituation verschärfen, weisen sowohl der spanische Mineralwasserverband als auch die Unternehmen selbst zurück. Nur 0,03 Prozent der gesamten unterirdischen Wasserressourcen in Spanien würden genutzt, um Trinkwasser zu generieren, so der Verband. Auch Danone und Nestlé berufen sich auf Vorgaben der spanischen Regierung zur maximalen Entnahme aus den einzelnen Brunnen und betonen ihr "nachhaltiges Wassermanagement" und ihren "verantwortungsvollen Umgang mit Wasser". Wasserknappheit 11.27
Allerdings steht laut "Guardian" fest: In den Katastrophengebieten rund um Valencia, in denen viele Menschen noch immer auf Notfall-Wassertanks und abgefülltes Wasser angewiesen seien, hätten die Behörden kürzlich internationalen Unternehmen neun zusätzliche Konzessionen zur Entnahme von Mineralwasser aus Brunnen erteilt. Diese lägen zudem tiefer und seien deshalb besser vor der Verschmutzung durch die Überschwemmungen geschützt.
Während viele Bürger rund um die Stadt also immer noch ihr Wasser abkochen müssen, liefern Lastwagen täglich unzählige Flaschen des Mineralwassers aus der Region an Kunden im In- und Ausland aus.