Die Ampel-Koalition ist Geschichte. Nun wächst der Druck auf Kanzler Scholz, die Lage schnell zu klären. Er deutet Gesprächsbereitschaft an. Auch die Wahlleiterin schaltet sich ein - und warnt.
Bundeskanzler Olaf Scholz ist nach dem Aus seiner Ampel-Koalition gesprächsbereit über den Zeitpunkt einer Vertrauensfrage und der folgenden Neuwahl. Am Rande des informellen EU-Gipfels in Budapest mahnte er aber eine Einigung im Bundestag darüber an, welche Gesetze noch beschlossen werden sollen. Zuvor war der Druck gewachsen.
"Über den Termin sollten wir möglichst unaufgeregt diskutieren", betonte Scholz mit Blick auf die angestrebte Neuwahl. "Für mich ist das so, dass wir hier ein großes demokratisches Fest haben, und das gelingt am besten, wenn alle gemeinsam zur Party schreiten."
Er habe bereits am Mittwoch angekündigt, dass er zügig eine Neuwahl in Deutschland ermöglichen wolle, damit nach dem Ausscheiden der FDP aus der Koalition bald Klarheit herrsche. Gut wäre es nach seinen Worten, wenn nun im Bundestag "unter den demokratischen Fraktionen eine Verständigung darüber erreicht wird, welche Gesetze noch in diesem Jahr beschlossen werden können".
Scholz sagte wörtlich: "Diese Verständigung könnte dann auch die Frage beantworten, welcher Zeitpunkt dann der Richtige ist, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen, auch im Hinblick auf den möglichen Neuwahltermin." Der Wahltermin sei kein rein politisch festzusetzendes Datum. Er müsse auch den Anforderungen der Bundeswahlleiterin genügen, um eine ausreichende Zeit für die Organisation einer fairen und demokratischen Wahl zu berücksichtigen.
Bundeswahlleiterin hält Neuwahl im Januar für riskant
Bundeswahlleiterin Ruth Brand appellierte zugleich an Scholz, beim Termin nichts zu überstürzen. Aus organisatorischen Gründen sei eine Neuwahl im Januar oder Februar riskant, schrieb sie in einem Brief an den Kanzler, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zuerst hatte der "Spiegel" über das Schreiben berichtet. "Insgesamt sehe ich in diesem Fall eine hohe Gefahr, dass der Grundpfeiler der Demokratie und das Vertrauen in die Integrität der Wahl verletzt werden könnte", warnte die Wahlleiterin. Für eine ordnungsgemäße Wahl müsse der Zeitraum von 60 Tagen ab Auflösung des Bundestags voll ausgeschöpft werden.
Schlagabtausch im Bundestag um Termin der Vertrauensfrage
Im Bundestag war es nach dem Scheitern der Ampel-Koalition zu einem Schlagabtausch darüber gekommen, wann es die vorgezogene Bundestagswahl geben soll. Redner von SPD und Grünen verteidigten in einer Aktuellen Stunde den bisherigen Zeitplan von Scholz, am 15. Januar im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen. Die Neuwahl könnte dann im März stattfinden. Die Opposition erneuerte eindringlich ihre Forderungen nach einem früheren Termin.
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte Scholz wegen dessen Nein zu einer raschen Vertrauensfrage parteipolitische Verzögerungstaktik vorgeworfen. Es sei "verantwortungslos, mit diesem Instrument jetzt so umzugehen, dass es eine reine Verzögerung über den Jahreswechsel wird", sagte der Unionsfraktionschef nach einer Sondersitzung der CDU/CSU-Abgeordneten in Berlin. Bei Scholz stünden "offensichtlich parteipolitische Motive im Vordergrund".
Union: Nicht an Amt kleben
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), verwies auf die schlechte Wirtschaftslage und die internationalen Krisen. In einer solchen Situation brauche es einen handlungsfähigen Bundestag und einen handlungsfähigen Bundeskanzler. "Wenn Sie Verantwortung für unser Land übernehmen wollen, dann darf man nicht auf diesen Plätzen kleben, da muss man den Weg frei machen für Neuwahlen. Wir brauchen schnell eine neue stabile Mehrheit und einen neuen Bundeskanzler für dieses Land."
Scholz hatte nach einem heftigen Streit über den Haushalt Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen. Die Union geht davon aus, dass die Bundestagswahl etwa bereits am 19. Januar stattfinden könnte, würde Scholz die Vertrauensfrage schon kommende Woche stellen. Die Wahl wäre dann einen Tag vor der Amtseinführung des künftigen US-Präsidenten Donald Trump.
Auch FDP für schnelle Neuwahl
FDP-Fraktionschef Christian Dürr appellierte an seine ehemaligen Koalitionspartner, eine schnellere Vertrauensfrage herbeizuführen. Die Rumpfkoalition habe keine Mehrheiten mehr, etwa für Steuerentlastungen bei der sogenannten kalten Progression. "Machen Sie den Weg frei für diese Entscheidung, in dem der Bundeskanzler die Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag stellt", sagte Dürr.
SPD gegen Wahlkampf über Weihnachten
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese warnte vor einer überstürzten Neuwahl mit einem Wahlkampf an Weihnachten. Es sei ein geordneter und verantwortungsvoller Weg zur Neuwahl notwendig. Wiese sagte weiter, es stünden dringende Entscheidungen für Deutschland an: etwa für den Wirtschaftsstandort oder eine sichere Rente.
Scholz hatte angekündigt, er wolle bis Weihnachten im Bundestag alle Gesetzentwürfe zur Abstimmung stellen, die aus seiner Sicht keinerlei Aufschub duldeten. Rot-Grün hat allerdings ohne die FDP keine Mehrheit mehr im Bundestag.
Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, sagte, es müsse einen geordneten Übergang zur Neuwahl geben.
AfD: Weg freimachen
Der Wähler müsse jetzt sehr schnell sein Machtwort sprechen, forderte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion Bernd Baumann. Scholz müsse den Weg für eine sofortige Neuwahl freimachen.