Von Susan Bonath
So deutlich wie in dieser Woche entpuppte sich das Geschwätz von "westlichen Werten" und "Demokratie" selten als bloße Show – und die Vereinten Nationen (UN) als ein zahnloser Tiger. In der realen Welt gilt noch immer das Recht der stärksten Imperialmacht: Als einzige Staaten der Welt stimmten die USA und ihre Nahost-Militärenklave Israel am Mittwoch in der UN-Generalversammlung dagegen, die seit rund 64 Jahren bestehende Wirtschaftsblockade gegen den friedlichen Inselstaat Kuba aufzuheben.
Dem Zweiergespann USA und Israel wird sich demnächst wohl Argentinien unter Präsident Javier Milei anschließen. Der selbsterklärte "libertäre" Staatschef, der einen harten neoliberalen Kurs verfolgt und seit seinem Amtsantritt vor einem knappen Jahr sein Land de facto an US-Konzerne verscherbelt, hat seine Außenministerin Diana Mondino entlassen, weil sie, wie bisher auch, für einen Blockadestopp votierte.
USA und Israel gegen 187 Staaten
Seit 1960 versuchen die USA, Kuba mit einer harten Blockade wirtschaftlich zu zerstören, um den kleinen Inselstaat vor ihrer Haustür in den Vasallenstatus zurückzuzwingen. Ihr erklärtes Ziel von 1961 war es, dort "das wirtschaftliche Leben zu schwächen (…), um Hunger, Verzweiflung und den Sturz der Regierung zu erreichen". Ein Großteil der Welt stellt sich dagegen, so auch am Mittwoch in der UN-Generalversammlung.
187 Staaten forderten in einer neuen Resolution ein sofortiges Ende des Embargos. Das wie üblich nicht bindende Dokument trägt den Titel "Notwendigkeit der Beendigung des von den Vereinigten Staaten von Amerika gegen Kuba verhängten Wirtschafts-, Handels- und Finanzembargos". Nur die USA und Israel stimmten erwartungsgemäß dagegen, Moldawien enthielt sich. Alle anderen Staaten, darunter Deutschland und Russland, votierten für ein Ende der Sanktionen.
Ein großes Thema für die deutschen Leitmedien war das diesmal nicht. Die ARD-Tagesschau, das deutsche Meinungsschlachtschiff, überging es völlig. Vor allem kleinere Medien berichteten ausführlicher, darunter Amerika21 und der Dortmunder Lokalkompass. Die marxistische Tageszeitung junge Welt bezeichnete das Votum als "moralischen Sieg" für Kuba.
"Ökonomischer Terrorismus"
In den zahlreich abgelieferten Statements bezeichneten Gegner der Dauerblockade die US-Politik unter anderem als "rücksichtslosen Verstoß gegen die UN-Charta und Prinzipien des internationalen Friedens". Vorwürfe wurden mit Begriffen wie "Wirtschaftskrieg" und "ökonomischer Terrorismus" beschrieben.
Einige Staaten wiesen darauf hin, dass Kuba ein friedfertiger Staat sei, der anderen armen Ländern selbstlos helfe, etwa durch medizinische Einsätze und Medikamentenlieferungen sowie die Vergabe tausender Stipendien für junge Menschen aus Ländern des "Globalen Südens". Gelobt wurde Kubas Moderation bei Friedensverhandlungen zwischen Kolumbiens Regierung und der Guerillagruppe FARC. Trotz erheblicher Entbehrungen ermögliche Kuba allen Menschen im Land gute Bildung und medizinische Versorgung.
Milei macht Argentinien zum US-Vasall
Bisher votierte auch der südamerikanische Staat Argentinien stets dafür, die Kuba-Blockade aufzuheben. Das soll sich nun unter Präsident Javier Milei ändern. Die argentinische Außenministerin Diana Mondino hatte es gewagt, sich Mileis pro-US-amerikanischen Kurs in diesem Punkt zu widersetzen – und wurde laut Reuters prompt von ihm entlassen.
Milei fühlt sich den marktradikalen Doktrinen der neoliberalen Chicagoer Denkschule in den USA verpflichtet. Von dort wurde dereinst auch der chilenische Putsch im Jahr 1973 gegen den Sozialisten Salvador Allende unterstützt und der an die Macht gehievte faschistische Diktator Augusto Pinochet gefördert.
Milei versprach, sein Land mit radikalem Sozialabbau und Privatisierungen aus der Rezession zu holen. Er verabschiedete sich von den BRICS-Staaten und bekennt sich uneingeschränkt zur Dominanz der USA und Unterstützung Israels. Bereits im ersten Jahr seiner Amtszeit führte sein Kurs offenbar zu einem dramatischen Anstieg von Umweltzerstörung, Verarmung, Obdachlosigkeit und Gewalt im Land.
Sanktionen treffen Kubas Bevölkerung
Die US-Blockadepolitik schadet Kubas wirtschaftlicher Entwicklung massiv. Sie verhindert den Handel und schädigt damit nicht nur kubanische Unternehmen, Banken und Organisationen. Die USA bedrohen sogar ausländische Akteure, die mit Firmen oder Institutionen in Kuba kooperieren, mit hohen Geldstrafen. Nach eigenem Bekunden setzt die selbst ernannte "Weltpolizei" auf eine "Politik der Angst".
Das wirkt sich dramatisch auf die kubanische Bevölkerung aus: Angehörige im Ausland können ihren Familien in Kuba kein Geld überweisen. Entwicklungs- und Gesundheitsprojekte mit ausländischer Unterstützung sind praktisch nicht möglich. Wichtige Medikamente und Rohstoffe können nicht eingeführt werden, und wenn doch, dann nur über Umwege und massiv überteuert. Dadurch ist auch die Stromversorgung eingeschränkt.
Dies sorgt dafür, dass der Lebensstandard in Kuba niedrig bleibt und viele Waren selten oder gar nicht verfügbar sind. Gleichwohl ist in Kuba der Bildungsstandard vergleichsweise hoch und das soziale Gefälle gering. Elendsslums wie in den USA und zunehmend auch in Europa findet man dort nicht.
Kriegerische Dominanz – neoliberale Märchen
Nun führte die Blockade bekanntlich, wie der Deutschlandfunk schon 2020 feststellte, in 60 Jahren nicht zur Aufgabe des sozialistischen Ziels der kubanischen Regierung, wie von den USA erhofft. Dennoch verschärfte der damalige US-Präsident und Neuanwärter für diesen Posten, Donald Trump, die Sanktionen sogar, um Kuba noch vollständiger von dringend benötigten Devisen abzuschneiden. So lassen die USA etwa ihre Bürger nicht einmal mehr für einen Urlaub nach Kuba einreisen.
Tatsächlich ist der niedrige Lebensstandard in Kuba also vor allem eine Folge der Blockade. Die USA und der gesamte Westen drehen den argumentativen Spieß bekanntlich gerne um: Die sozialistische Regierung sei schuld, lautet eine beliebte faktenwidrige Behauptung.
So belassen es denn auch die Regierungen Deutschlands und anderer EU- und NATO-Staaten beim stillen Votum. Ansonsten hält man es im Westen unter US-Diktat wie immer: Man lässt das Unrecht weiter geschehen und sieht dabei zu – ganz so, als wäre die globale Dominanz des US-Imperialismus – auf der Basis neoliberaler Märchenbücher und brutaler Wirtschaftskriege – das oberste Gesetz.
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