Wer führt als Regierungschef künftig Thüringens Geschicke? Es könnte auf eine Zusammenarbeit von CDU mit BSW und Linken hinauslaufen. Doch gegen die Wagenknecht-Partei hat die CDU-Basis Vorbehalte. Nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen werden in den Freistaaten Möglichkeiten zur Regierungsbildung intensiv diskutiert. In Thüringen sieht es dabei besonders kompliziert aus: Rein rechnerisch wäre nur eine Mehrheitskoalition aus CDU , Linken und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) möglich, die SPD wäre für die Mehrheit nicht nötig. Alle Parteien haben derweil eine Kooperation mit der AfD ausgeschlossen, die der Landesverfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" einstuft. Doch an der CDU-Basis brodelt es gewaltig – angesichts eines Bündnisses mit der Wagenknecht-Partei. Zudem gibt es einen Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber einer Koalition mit den Linken. Auch Alexander Heppe steht einer Zusammenarbeit mit dem BSW kritisch gegenüber. Der CDU-Mann ist Bürgermeister der osthessischen Stadt 20.000-Einwohner-Stadt Eschwege. Im Interview mit t-online erklärt er, welche Lösung er für eine Regierungsbildung im benachbarten Bundesland sieht. t-online: Herr Heppe, nach den Wahlen in Thüringen wird derzeit auch eine CDU-Zusammenarbeit mit dem BSW diskutiert. Was halten Sie davon? Alexander Heppe: Nichts. Und warum? Ganz einfach: Weil das BSW eine Blackbox ist – wir wissen schlicht nicht genau, für welche Inhalte es steht, besonders in der Landespolitik. Wir kennen aber die maßgeblich prägende Person. Sahra Wagenknecht. Genau. Sie hat mit ihrer Vergangenheit bei der Kommunistischen Plattform die Beobachtung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz mit ausgelöst. Ein solches BSW sehe ich nicht als Partner für Christdemokraten. Erklären Sie das bitte. So wie das BSW derzeit mit dieser zynischen und destruktiven Pro-Putin-Haltung in der Außenpolitik auftritt, habe ich extreme Bauchschmerzen für eine Zusammenarbeit. Anders sähe es aus, hätten wir in Thüringen nur mit Katja Wolf zu tun … … der dortigen Spitzenkandidatin des BSW . Mit einem Bündnis Thüringen unter Wolf hätte ich weniger Bedenken. Als Oberbürgermeisterin von Eisenach , das ja ganz in der Nähe von Eschwege liegt, und auch in den Gremien des Deutschen Städtetags habe ich sie sehr geschätzt. Ich muss aber von einem ausgehen: Wo Wagenknecht draufsteht, ist auch Wagenknecht drin. Wie meinen Sie das? Sie scheint kein Vertrauen zu ihren Landeschefs zu haben und wird sich in die Koalitionsverhandlungen einmischen wollen. Wagenknecht bestimmt, wo es langgeht. Sie hat bereits rote Linien festgelegt – und dann muss auch die CDU solche Grenzen setzen. Schwarze Linien sozusagen. Wahlen in Ostdeutschland: Jetzt hat die CDU ein Problem Und welche? Unverhandelbarer Kern der CDU ist: ein freies Europa in einer starken EU, Nato , generell die Westbindung, soziale Marktwirtschaft. Nur wenn man mit einem Gesprächspartner diesen Konsens findet, kann man überhaupt Gespräche fortsetzen. Ihr Spitzenkandidat in Thüringen, Mario Voigt , will bereits mit dem BSW über eine mögliche Regierungsbeteiligung sprechen. Dabei handelt es sich lediglich um erste Optionsgespräche. Dass man in so einer schwierigen Lage mit allen Partnern spricht, ist ganz normal. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Herr Voigt aktuell ernsthaft eine formelle Koalition mit dem BSW anstrebt. Ach nein? Nein. Ich wünsche Herrn Voigt und meinen Thüringer Parteifreunden viel Erfolg bei den komplizierten Gesprächen. Wo sich alle einig sind: Es gilt, einen Faschisten Höcke an der Spitze einer Landesregierung zu verhindern. Dazu müssen alle über ihren Schatten springen. Also auch die CDU. Kippt sie jetzt den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken? Das muss in einer Volkspartei breit diskutiert werden. Grund für den Beschluss, nicht mit der Linken zu koalieren, war die SED-Vergangenheit der Partei. Deshalb müsste für das BSW ein Erst-recht-Schluss naheliegen, um nicht die Glaubwürdigkeit der Christdemokratie zu gefährden – bis hin zum Mitgliederverlust. Die SED-Vergangenheit hat aber auch Wagenknecht. Sie ist 1989 in die Einheitspartei der DDR eingetreten. Ich stelle mir deshalb die Frage: Wieso soll es mit dem BSW gehen, mit der Linken aber nicht? Die Linke unter Wagenknecht und das BSW sind im Grunde wie Raider und Twix. Bei Bodo Ramelow handelt es sich jedoch um einen pragmatischen Christen ohne SED-Vergangenheit. Wir müssen die Fragen der Zusammenarbeit daher insgesamt betrachten. Was heißt das? Nehmen wir das BSW mit in den Unvereinbarkeitsbeschluss hinein? Dafür würde ich aktuell noch plädieren. Oder wie wollen wir in geänderten Zeiten solche Unvereinbarkeitsbeschlüsse formulieren? Darüber müsste zeitnah ein Bundesparteitag entscheiden. Ohne wird es nicht gehen. Ich hoffe, der Bundesvorstand um Friedrich Merz sieht diesen Diskussionsbedarf an der Basis. Warum der Schwarze Peter allerdings nur bei der CDU liegen soll, ist mir schleierhaft. An wen richten Sie sich genau? Ich sehe bei den Sitzverteilungen in Thüringen 15 Sitze für das BSW, 12 für die Linke, 6 für die SPD und den Rest für die CDU – wenn man die faschistische AfD außen vorlässt. Nehmen wir an, Herr Voigt würde sich als Bewerber zur Wahl stellen. Ja – und? Dann müssten sich alle anderen Abgeordneten, die sich bei jeder Gelegenheit als gefestigte Demokraten und damit auch Antifaschisten hinstellen, auch entsprechend verhalten. Sie dürften im letzten Wahlgang nicht mit Nein stimmen. Denn Ministerpräsident wird, wer dann die meisten Stimmen auf sich vereinen kann. Was Sie da skizzieren, ergäbe wohl eine Minderheitsregierung der CDU und SPD, geduldet von der Linken und dem BSW. Halten Sie das ernsthaft für realistisch? Das sind Gedankenspiele, die es in den kommenden Tagen und Wochen auszuloten gilt. Eine Sache ist noch nicht mal ausgemacht: Dass Höcke überhaupt kandidiert. Das würde ja bedeuten, dass er im Zweifelsfall regieren müsste. Ob er das will? Im TV-Duell hat Voigt, um es auf Deutsch zu sagen, den Boden mit Höcke gewischt. Nicht ohne Grund hat er beim letzten Duell der Spitzenkandidaten gekniffen. Ich sehe viel Rhetorik bei wenig Inhalt. Ein faschistischer Populist durch und durch. Herr Heppe, vielen Dank für das Gespräch!