Die Arbeitsbedingungen für tschechische Journalist:innen verschlechtern sich. Der Journalismus befindet sich in einer Krise und die Prekarisierung der journalistischen Arbeit nimmt zu. Darüber hinaus zeigen neue Studien, dass Journalist:innen in verschiedenen Phasen ihrer Karriere, unabhängig von der Art des Jobs, Unsicherheiten in Bezug auf ihren Beruf erleben. Wie sieht die Realität im tschechischen Mediensektor aus? Ist die Lage wirklich so ernst? Fehlt es den Journalist:innen an gesetzlicher und institutioneller Unterstützung? Wir haben tschechische Journalist:innen befragt.
Die Prekarität der journalistischen Arbeit ist nach Ansicht einiger Medienwissenschaftler:innen zu einem Markenzeichen des heutigen Journalismus geworden, was auf wirtschaftliche und technologische Veränderungen wie Kürzungen in den Redaktionen, die Zunahme des Outsourcing und das Aufkommen neuer Medien zurückzuführen ist.
Die deutliche Zunahme von Kurzzeitverträgen und freier Mitarbeit hat ebenfalls zur Veränderung der Arbeitsbedingungen von Journalist:innen beigetragen. Immer mehr Journalist:innen arbeiten unter atypischen und prekären Bedingungen – in Teilzeit oder als freie Mitarbeiter oder Freiberufler.
Viele internationale Untersuchungen zeigen, dass Journalist:innen in verschiedenen Phasen ihrer Karriere mit Unsicherheiten konfrontiert sind, unabhängig von der Länge ihrer Berufserfahrung und der Form ihrer Beschäftigung. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen angestellten Journalist:innen und Freiberufler:innen. Gleichzeitig zeigen neuere Studien, dass auch Vollzeitjournalist:innen prekären Bedingungen ausgesetzt sind.
Das Problem der Prekarisierung lässt sich nicht allein auf wirtschaftliche und rechtliche Faktoren wie Einkommen und Art des Vertrags beschränken. Prekarisierung ist ein Maß für die Abweichung vom gesellschaftlich akzeptierten Standard der Arbeit. Und im Fall des Journalismus ist diese Abweichung stark spürbar, wie die befragten Journalist:innen beschreiben.
Ich spare nichts von meinem Gehalt
“Ich verdiene meinen Lebensunterhalt, aber tipptopp. Ich setze es auch aus mehreren Jobs zusammen, ich nehme alle möglichen Moderations- oder sonstigen Nebenjobs an, die die hektischen journalistischen Arbeitszeiten zulassen”, eröffnet die Journalistin Eva das Gespräch. Obwohl sie neben ihrem Vollzeitjob “Nebenjobs” hat, verdient sie kaum den Durchschnittslohn in Prag. “Ich kann von meinem Gehalt nichts sparen, habe kein Polster”, fügt sie hinzu.
Die Journalistin Aneta befindet sich in einer ähnlichen Situation. “Solange ich bei HPP in den Medien war, kam ich gut über die Runden. Um mir eine Rücklage zu leisten oder in den Urlaub zu fahren, musste ich anderswo etwas dazuverdienen.” Keiner von ihnen kann hauptberuflich vom Journalismus leben.
Die Journalist:innen Matouš, Jonáš und Jan haben ähnliche Erfahrungen gemacht. “Das Gehalt ist nicht ideal, ich muss mehrere Einkommen kombinieren”, sagt der freie Mitarbeiter Matouš. “Ich wäre mit dem Gehalt zufrieden, wenn es im Land keine Hyperinflation gäbe und ich nicht zwei kleine Kinder zu versorgen hätte. Ich will mir nicht vorstellen, wie es bei den Kollegen aussieht, denen es schlechter geht”, fügt Jonáš hinzu, der bei HPP weniger als 50.000 brutto verdient.
Jan, der als Selbständiger arbeitet, ist mit seinem Gehalt zufrieden. “Es wird durch die Flexibilität ausgeglichen”, fügt er hinzu. Dennoch gibt er zu, dass sein Gehalt eher unterdurchschnittlich ist.
Journalismus ist anstrengend
Bei der Prekarisierung geht es nicht nur um die (Un-)Möglichkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen. Sie hat auch mit unbezahlter Arbeit, Überstunden und dem Stressniveau zu tun, dem die Arbeitnehmenden ausgesetzt sind.
“Es ist normal, dass man sich abends hinsetzt und arbeitet, sogar dreimal pro Woche. Einen großen Teil meiner Wochenenden oder Feiertage widme ich der Arbeit. Es gibt Tage, an denen ich bis Mitternacht das erledige, was ich während der normalen Arbeitszeit nicht geschafft habe”, heißt es in der Debatte über die Arbeit nach Feierabend, an Wochenenden und Feiertagen. Dies hört man selbst aus dem Munde von Journalist:innen, die feste Arbeitszeiten haben. “Jede Krone ist gut”, gibt Eva zu.
Die Journalist:innen sind sich einig, dass Stress ein integraler Bestandteil ihrer täglichen Berufserfahrung ist. “Ich spüre ihn fast jeden Tag. Es ist ein stressiger und anstrengender Beruf. Wenn ich einen Job wüsste, den man von 9 bis 17 Uhr ausüben kann, der nicht den vollen mentalen Einsatz erfordert und der mich außerhalb der Arbeitszeit nicht ängstigt, würde ich ihn sofort annehmen”, sagt Jonah.
Die weit verbreitete Work-Life-Balance, also das Konzept, ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben zu halten, ist im Journalismus eher illusorisch. “Ich habe es noch nicht geschafft, das Gleichgewicht zu halten”, gesteht Eva. “Wenn ich mich ausruhe, fühle ich mich schuldig, dass ich nicht arbeite. Die Arbeit weiß, wie sie mir die Ruhe rauben kann”, fährt Jonáš fort.
“Wenn ich etwas lese, denke ich automatisch darüber nach, wie das Thema journalistisch behandelt werden könnte. Journalismus kann man nicht an der Redaktionstür abgeben”, sagt Aneta. „Wenn in der Politik etwas diskutiert wird, muss ich es schnell in einen Artikel einarbeiten, egal wie spät es ist und was ich gerade mache. Journalismus ist einfach stressig”, fügt Jan hinzu. Auf die Frage, ob sie aufgrund ihrer Arbeit schon einmal ein Gefühl des Ausgebranntseins erlebt haben, antworteten alle Befragten mit Ja.
Das System muss sich ändern
“Natürlich gehört die Unsicherheit immer mit zum Journalismus, aber nicht in dem Ausmaß, wie es in den letzten Jahrzehnten der Fall war”, betont Matouš. “Existenzielle Sorgen sollten weder zu diesem noch zu einem anderen Beruf gehören. Es ist im Journalismus natürlich notwendig, schnell zu reagieren und Informationen aufzuspüren – aber angemessene Arbeitsbedingungen sind die Grundlage für journalistische Qualitätsarbeit”, so Aneta weiter. “Unsicherheit ist immer ein Schritt in Richtung Angst oder Einschränkung – sei es, dass man die Branche verlässt oder bei der Arbeit Fehler macht”, fügt Eva hinzu.
Ein Lösungsansatz gegen die Prekarisierung ist die Unterstützung durch Branchenverbände und Gewerkschaften. Nach Ansicht der befragten Journalist:innen ist diese jedoch sehr schwach. “So etwas habe ich noch nie erlebt. Die Gewerkschaften haben in diesem Beruf keine starke Position. In der Vergangenheit gab es so gut wie keine positiven Auswirkungen aus dieser Richtung, aber in den letzten Jahren hat sich die Situation etwas gebessert”, hieß es in der Debatte.
“Wenn ich Rat oder Hilfe brauche, kann ich mich an die NFNJ, You Can’t Pay the Rent with Enthusiasm oder Women in Media wenden”, sagt Aneta. “Jetzt gibt es viele aktive Journalist:innenverbände, die etwas verändern wollen, und das Thema Prekarisierung findet bei der jungen Journalist:innengeneration großen Anklang”, fügt Eva hinzu.
Die Betonung der Notwendigkeit eines umfassenden Systemwechsels im Journalismus ist offensichtlich. “Zuallererst wäre es gut, Teilzeitjobs zu haben”, meint Jan, der an einer IČO arbeitet. “Es braucht einen Generationswechsel in den Medien und einen stabilen Wirtschaftsplan”, meint Eva.
Jonah und Matthew sind skeptisch. “Wir können uns nicht vorstellen, dass es Veränderungen geben wird, natürlich sind bessere Bedingungen für das Personal klar, ebenso wie größere Redaktionen und der Druck, dass Medien langsamer, dafür aber qualitativ besser sein können. Der Druck auf die Zahlen ist wahnsinnig und schadet der Branche.”
Ähnlich sieht Aneta die Situation. “Die Veränderungen müssen umfassend sein, in Bezug auf Management, Finanzen und Kommunikation. Mehr Aufsicht über die ethischen Standards, ich könnte ewig so weitermachen.”
Alarmierende Bedingungen
Eine Diskussion mit tschechischen Journalist:innen zeigt, dass ihre beruflichen Erfahrungen und Gefühle in Bezug auf die Arbeit einen globalen Trend der zunehmenden Prekarisierung widerspiegeln. Unter dem wirtschaftlichen und technologischen Druck ist es für Journalist:innen schwierig, ihren Lebensunterhalt selbst mit einer normalen Vollzeitbeschäftigung zu bestreiten, und sie müssen oft mehrere Jobs kombinieren oder Überstunden machen.
Die Unsicherheit ist unter Journalist:innen in Bezug auf Arbeitszeit, Einkommen und Geschlecht weit verbreitet. Stärkere Gewerkschaften und Branchenverbände könnten die Arbeitsbedingungen verbessern. Sie fühlen sich jedoch nicht von ihnen unterstützt. Vor allem, weil es an systemischen Veränderungen mangelt, die ihre derzeitige ausweglose Lage verbessern könnten.
Hoffnung besteht in aktiven Journalist:innenverbänden, die Arbeitnehmer mit der gleichen und immer wiederkehrenden Erfahrung – der alarmierenden Unsicherheit in diesem Beruf – zusammenbringen. Es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich diese Organisationen sein werden, wenn es darum geht, Druck für gesetzliche und soziale Veränderungen zu erzeugen. Vielleicht werden wir eine Zeit erleben, in der die Prekarisierung nicht länger ein “Markenzeichen des Journalismus” ist.
Dieser Text wurde zuerst auf der tschechischen EJO-Seite veröffentlicht. Übersetzt von Johanna Mack mithilfe von DeepL.