Auf Instagram und TikTok schlägt ein Trend Wellen, der das traditionelle Bild der Hausfrau propagiert. Das kann gefährlich werden.
Frauen an den Herd? Auf Instagram und TikTok gelangt man über den Hashtag #Tradwife (Dt. traditionelle Ehefrau) derzeit in einen absurd anmutenden 1950er-Jahre-Film, der allerdings in der Gegenwart spielt. Der Tradwife-Trend zelebriert das Bild der traditionellen Haus- und Ehefrau, die sich mit einem Lächeln auf den Lippen um den Haushalt, das Essen und ihr Erscheinungsbild kümmert. Ihr erklärtes Lebensziel: ein glücklicher Mann.
Eine selbsternannte Tradwife ist etwa "Gwen the Milkmaid" (28), die auf Instagram über 89.000 Follower hat. Sie sammelt auf ihrem Account in langen Blumenkleidern Kräuter, backt kunstvolle Creme-Torten, posiert mit einer rosa Bibel in der Hand und bemitleidet all die Männer, die sich ihre Sandwiches selbst machen müssen. Über ihr Dasein als Hausfrau sagt sie in einem Beitrag, es sei der beste Job der Welt und bezahlt werde sie mit Liebe. Für sie feiert die Tradwife-Bewegung "die Schönheit des Ehefrau- und Mutterdaseins".
Auch für Tradwife Estee C. Williams (26), die auf TikTok fast 200.000 Follower hat, geht es vor allem darum, den Mann glücklich zu machen. Sie erklärt in ihren Videos, wie man einen "maskulinen Mann" kennenlernt und was eine Tradwife ausmacht: "Es ist eine Frau, die sich für ein traditionelles Leben mit einer ultra-traditionellen Rollenverteilung entscheidet." Der Mann geht also arbeiten, die Frau kümmert sich um den Haushalt. Das Tradwife-Dasein wird dabei zur Lebenseinstellung: Williams ist beispielsweise gegen Eheverträge ("Weil ich meinem Mann vertraue") und vertritt die Meinung, dass sie sich als Frau ihrem Mann "unterordnen" sollte.
Diese devote Einstellung halten viele für problematisch, besonders weil sie Frauen in ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bringt. Tradwives sehen das anders, wie Williams gegenüber "CNN" erklärte: "Der Unterschied [zu Frauen aus den 1950ern] ist, dass wir die Wahl haben. Frauen können sich dafür entscheiden, nur Hausfrau zu sein oder zu arbeiten oder beidem nachzugehen."
Allerdings ist der Weg von der traditionellen Hausfrau zu rechtskonservativen Werten kurz. Die meist weißen Tradwives propagieren neben Sauerteigstartern und A-Linienröcken auffällig oft auch christliche Überzeugungen und rechte Ideologien. Estee C. Williams ist gläubige Christin und Trump-Unterstützerin. Und "Gwen the Milkmaid" hält ihre Rolle im Haushalt als "von Gott gegeben" und wettert auf ihrem Account gegen Abtreibungsrechte, Transpersonen und Impfungen. Und das, obwohl sie vor ihrer Karriere als Tradwife einen OnlyFans-Account betrieben hat.
Bleibt die Frage, warum sich aktuell so viele junge Frauen zum Tradwife-Lifestyle hingezogen fühlen. Die kurze Antwort lautet: weil es leichter ist. Williams etwa sah in ihrer Mutter, die als Alleinerziehende Kinder, Hausarbeit und Job unter einen Hut bringen musste, kein gutes Vorbild. "Ich wollte mich nicht auf diese Weise abmühen", sagte sie "CNN".
Tatsächlich arbeiten Frauen im Schnitt mehr als Männer, zählt man bezahlte und unbezahlte Arbeit zusammen. In Deutschland sind das laut des Statistischen Bundesamtes rund neun Stunden mehr Arbeit pro Woche, wie der "Spiegel" dieses Jahr schrieb. Dieses strukturelle Problem wird mit der klaren Aufgabenverteilung der traditionellen Rollenbilder umgangen. Vorausgesetzt natürlich, (s)ein Einkommen reicht, um die Familie zu ernähren.
Überraschenderweise haben Tradwives und Feministinnen damit tatsächlich einen großen Überschneidungspunkt: Beide sprechen sich dafür aus, das Führen eines Haushalts als Arbeit anzusehen. Ob Liebe und Dankbarkeit als Bezahlung ausreichen, ist allerdings mehr als fraglich.