Nach dem Fund von sechs getöteten Geiseln der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen hat der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu um "Vergebung" gebeten. "Ich bitte Sie um Vergebung, sie nicht lebend zurückgebracht zu haben", sagte Netanjahu am Montag bei einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz. "Wir waren nah dran, aber es ist uns nicht gelungen."
Der israelische Ministerpräsident drohte zugleich mit Vergeltung. "Die Hamas wird einen hohen Preis dafür zahlen", sagte er.
Bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe mit der Hamas will Netanjahu offenbar nicht nachgeben. Israel müsse über das Gebiet an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten die Kontrolle behalten, sagte er. Dadurch werde sichergestellt, dass die verbliebenen Geiseln "nicht aus dem Gazastreifen herausgeschmuggelt werden".
Israels Rückzug aus dem sogenannten Philadelphi-Korridor gehört zu den zentralen Streitpunkten bei den Verhandlungen, die nicht nur eine Waffenruhe in dem Palästinensergebiet, sondern auch die Freilassung aller verbliebenen aus Israel in den Gazastreifen verschleppten Geiseln zum Ziel haben. Die USA dringen gemeinsam mit den anderen beiden Vermittlern Ägypten und Katar seit Monaten auf ein solches Abkommen.
Am Samstag waren sechs getötete Geiseln in einem Tunnel bei Rafah im Süden des Gazastreifens gefunden worden. Wie das israelische Gesundheitsministerium erklärte, waren die vier Männer und zwei Frauen laut Obduktion "ungefähr 48 bis 72 Stunden" vor der gerichtsmedizinischen Untersuchung am Sonntag "von Hamas-Terroristen mit mehreren aus nächster Nähe abgefeuerten Schüssen ermordet worden".
Es folgten am Sonntagabend Großdemonstrationen in Israel für eine Vereinbarung zur Freilassung der übrigen Geiseln. Am Montag fand in mehreren Städten und Betrieben ein Generalstreik statt, bis dieser auf Betreiben des rechtsextremen Ministers Bezalel Smotrich per Gerichtsanordnung vorzeitig beendet wurde.
Vor Netanjahu hatte bereits der israelische Präsident Isaac Herzog für den Tod der sechs Geiseln im Namen der Regierung um Entschuldigung gebeten. "Ich entschuldige mich im Namen des Staates Israel dafür, dass wir es versäumt haben, Sie vor der schrecklichen Katastrophe vom 7. Oktober zu schützen, dass wir es versäumt haben, Sie sicher nach Hause zu bringen", sagte Herzog auf der Beerdigung des US-Israelis Hersh Goldberg-Polin am Montag in Jerusalem vor tausenden Trauernden.
Bei ihrem Großangriff auf zahlreiche Orte im Süden Israels hatten Hamas-Kämpfer am 7. Oktober nach israelischen Angaben 1205 Menschen getötet und 251 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Knapp elf Monate später befinden sich nach jüngsten israelischen Angaben noch immer 97 Geiseln in der Gewalt der Hamas und anderer militanter Palästinensergruppen, 33 von ihnen sind demnach tot.
Als Reaktion auf den Hamas-Angriff geht Israel massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei seit Oktober mehr als 40.700 Menschen getötet.