In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen nannte der Chef von E.ON, Leonard Birnbaum, einige Fakten, die sehr nachdenklich stimmen sollten. Zur vorhandenen Stromleistung sagte er:
"Solche Knappheiten wie heute hatten wir noch nie. Jedenfalls nicht in den 25 Jahren, in denen ich jetzt in der Energiebranche arbeite. Wir hatten in Deutschland mal ein Stromnetz, das deutliche Reserven hatte. Aber die haben wir in den vergangenen Jahren so gut wie aufgebraucht."
Die erneuerbaren Energien, die unter anderem die abgeschalteten Atomkraftwerke ersetzen sollten, bräuchten deutlich mehr Transportkapazität, weil die gelieferte Leistung stark schwankt, die Kabel aber auf die Spitzenleistung ausgelegt sein müssen. Dabei werde mit E-Autos und Wärmepumpen noch ein zusätzlicher Verbrauch geschaffen.
Was aber bisher in Deutschland noch gar nicht Teil der Debatte ist, ist ein ganz anderer Punkt, der die Möglichkeit, mit Zukunftstechnologien mitzuhalten, ernsthaft bedroht:
"Wenn wir über gewerbliche und industrielle Stromanschlüsse mit höherer Leistung sprechen, dann muss man sagen: Die Lage im Stromnetz ist in einigen Regionen angespannt. Wenn Sie heute ein neues Rechenzentrum anschließen wollen und brauchen dafür 50, 100 oder 200 Megawatt Leistung, dann werden Sie nur noch ganz wenige Orte finden, wo das schnell geht. Meistens reden wir über jahrelange Wartezeiten. Im Großraum Frankfurt zum Beispiel ist der Anschluss neuer Rechenzentren in den nächsten Jahren praktisch unmöglich. Wenn Sie dort nicht schon einen genehmigten Anschluss haben, der gerade gebaut wird, können Sie das in diesem Jahrzehnt vergessen."
Der FAZ-Interviewer Marcus Theurer reagierte an diesem Punkt perfekt und dachte dabei sogleich an Künstliche Intelligenz. Dafür braucht es riesige Rechneranlagen mit hochleistungsfähigen Prozessoren. Im Herbst vergangenen Jahres gab es dazu einen Bericht in der Tagesschau, der sich allerdings nur Gedanken um den Klimaschutz machte, nicht aber um die wesentlich grundlegendere Frage, ob der erforderliche Strom überhaupt zur Verfügung steht. In dem Bericht wird ein Beispiel erläutert:
"Forscher de Vries schätzt, dass Google derzeit bis zu neun Milliarden Suchanfragen pro Tag verarbeitet. Wenn jede Google-Suche KI nutze, würden nach seinen Berechnungen etwa 29,2 Terawattstunden Strom pro Jahr benötigt. Das entspreche dem jährlichen Stromverbrauch Irlands."
Die Bundesregierung hat eine KI-Strategie verabschiedet, in der es heißt: "Künstliche Intelligenz ist ein Schlüssel zur Welt von morgen." Darin steht:
"Die Bundesregierung forciert mit ihrer Nationalen Strategie den Weg von Künstlicher Intelligenz Made in Germany an die Weltspitze."
Die Auseinandersetzungen um Telegram wie auch die Erfahrungen beispielsweise mit der Zensur bei Google oder Meta zeigen, dass der physische Ort, an dem sich Hochleistungsrechner befinden, durchaus eine große Bedeutung haben kann, weil sich die Kontrolle über diese Anlagen auf verschiedene Weise auswirken kann. Es wäre also im Grunde eine vernünftige Strategie, derartige Entwicklungen nicht einzig den Vereinigten Staaten zu überlassen. Das gilt bereits bei Cloud-Rechenzentren, in denen extern Daten gelagert werden.
"Neue Rechenzentren werden aber für die Künstliche Intelligenz benötigt. Wird das Stromnetz zum Standortproblem?", lautete die Frage von Theurer.
"Regionen, die freie Kapazitäten im Stromnetz haben, haben jedenfalls einen Standortvorteil. Für die neue Chipfabrik von Intel in Magdeburg zum Beispiel war das ein entscheidender Faktor, neben den dort verfügbaren Bauflächen. Netztechnisch gibt es nämlich kaum einen günstigeren Standort in Deutschland als Magdeburg. Dort können wir problemlos mehrere hundert Megawatt Anschlussleistung liefern, was sonst kaum noch irgendwo geht. … Aber diese Beispiele sind rar."
Das bedeutet, bereits jetzt sind die technischen Voraussetzungen, in Deutschland in die Künstliche Intelligenz einzusteigen, nicht mehr gegeben. Vor allem, da neben den freien Stromkapazitäten und dem verfügbaren Grund auch noch große Übertragungskapazitäten im Internet benötigt werden, und Deutschland in manchen Regionen auch da deutlich unterentwickelt ist.
Wohlgemerkt, der Chef des zweitgrößten deutschen Energieversorgers erklärt, bereits beim jetzigen Zustand sei es in vielen Gegenden nicht mehr möglich, ein derartiges Rechenzentrum zu errichten. Sollten noch der Verbrauch von Elektroautos und Wärmepumpen dazu kommen, wird es logischerweise noch schwieriger. Die deutsche Politik wird sich also entscheiden müssen – künstliche Intelligenz oder grüne Energiefantasien.
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