Lebensmitteltechniker Sebastian Lege deckt im ZDF Tricks der Lebensmittelindustrie auf. Ein Journalist wirft ihm nun vor, ungenaue bis unwahre Fakten zu verbreiten. Wer hat recht?
Herr Cordes, Sebastian Lege zeigt in seiner ZDF-Sendung "besseresser" eigentlich, wie die Lebensmittelindustrie trickst und Verbraucher täuscht. Sie werfen ihm in Ihrer Analyse der Sendung wiederum vor, dass er selbst seine Zuschauer austricksen würde. Wie kommen Sie zu dieser Annahme?
Die Formulierung "tricksen" ist ein Zitat des Formates, wo es um die "Tricks der Lebensmittelindustrie" gehen soll. Die Toast-Sendung von Sebastian Lege weist viele Schwachstellen und auch Fehler auf, die ich so nicht stehen lassen konnte. Daher der Vorwurf des "Tricksens".
Wo hakt es denn, Ihrer Meinung nach?
Die Sendung dreht sich angeblich um Toastbrot…
…das Toastbrot sehe ich aber in der Sendung, oder etwa nicht?
Nein, auf der einen Seite sehen Sie in dem Vergleich ein Kastenweißbrot vom "Handwerksbäcker", auf der anderen Seite ein Sandwichbrot aus der Industrie. Die sind jetzt keine Universen weit entfernt vom Toastbrot, aber es sind beide eben kein Toastbrot. Kastenweißbrot ist eine andere Gebäckart, wird im Gegensatz zu Toast oft ungetoastet gegessen und in der Regel im offenen Kasten gebacken statt in einer geschlossenen Kastenform. Das Sandwichbrot zeichnet sich laut den Leitsätzen "zusätzlich durch eine besonders weiche Krume und eine größere Scheibe aus". Die Sendung heißt aber "Die Tricks in Toastbrot & Co". Das war schon mal der erste Störfaktor.
Was noch?
Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass es um das Thema Enzyme geht. Mit sogenannten technischen oder exogenen Enzymen kann man die Eigenschaften eines Brotes bestimmen. Diese Enzyme werden sehr kontrovers diskutiert, zum Beispiel ob sie allergen sind oder nicht. Wichtig zu wissen ist aber, dass sie nicht deklarierungspflichtig sind, der Konsument also auf der Verpackung nicht erfährt, ob sie enthalten sind oder nicht.
Warum muss man Enzyme nicht deklarieren?
Weil davon ausgegangen wird, dass sie im fertigen Produkt keine technologische Wirkung mehr haben.
Und die Sendung geht nicht darauf ein?
Zu Beginn sagt Lege "Hier steckt eine Zutat drin, die steht nicht auf der Zutatenliste. Man kann sie nicht riechen, man kann sie nicht sehen. Passen Sie jetzt gut auf, welche es ist." Das wäre die perfekte Anmoderation für dieses Thema gewesen. Aber dann verzichtet er innerhalb der Sendung gänzlich darauf. Dabei wäre das aus meiner Sicht beim Thema Industrie-Toastbrot der entscheidende Punkt.
Und wann haben Sie entschieden, darüber einen Artikel zu schreiben?
Als die Sendung einen Anfängerfehler gemacht hat und und Hefen als Bakterien bezeichnet hat. Wer einen Film über Brot macht, sollte wissen, dass es sich bei Hefen um Pilze, aber nicht um Bakterien handelt. Das war der Punkt, an dem ich dachte, so kann das nicht unwidersprochen stehen bleiben.
Wie kamen Sie darauf, ausgerechnet die Toast-Sendung zu kritisieren?
Im letzten Jahr habe ich mich intensiv mit dem Thema Brot beschäftigt und die dreiteilige Dokumentation "Unser Brot" für den NDR realisiert. Zudem habe ich viele Brotbackbücher rezensiert. Ohne dieses Vorwissen wären mir die Ungenauigkeiten und Fehler wahrscheinlich nicht aufgefallen.
Sebastian Lege vergleicht Industrie-Brot mit Handwerksbrot. Sie unterstellen den Machern, dass die Sendung tendenziös ist. Warum?
Die Welt in der Toast-Sendung ist ganz einfach: Böse Industrie auf der einen Seite, gutes ehrbares Handwerk auf der anderen Seite. Das zieht sich durch die ganze Folge. Ich hätte mir hier eine wahrheitsgemäße, differenzierte Berichterstattung gewünscht. Auch im Handwerk werden oft Zusatzstoffe und Fertigmischungen verwendet. In einer Filial-Bäckerei, die ich besichtigt habe, wurden mehr Fertigmischungen und Hilfsmittel verwendet, als es bei den gängigen Industriebroten der Fall ist. Ich wünschte, es wäre anders! Ich möchte die Industrie nicht in Schutz nehmen oder Handwerksbäckereien schlecht reden. Ich appelliere nur daran, das Thema Brot differenziert zu betrachten.
Sie gehen mit Lege hart ins Gericht: Ist Lege ein Lügner?
Nein. Ich finde die Idee des Formates, Zuschauer über Lebensmittel und deren Herstellung aufzuklären, ausdrücklich super. Sebastian Lege ist ein hervorragender Protagonist für die Sendung. Aber was nützt das alles, wenn es inhaltlich nicht stimmt? Beim Preis beispielsweise vergleicht die Sendung Äpfel mit Birnen. Da wird der Preis eines Brotlaibes mit dem Preis von Sandwich-Packungen verglichen. Aber was nützt dieser Vergleich, wenn man nicht weiß, wie jeweils das Gewicht ist? Acht Tricks, woran Sie einen guten Italiener erkennen19.30
Warum all diese Schwammigkeiten?
Ich habe es in meinem Fazit "Entertainment auf Kosten der Fakten" genannt. Die Sendung begnügt sich an vielen Stellen mit plakativen Vergleichen, anstatt tiefer ins Thema einzusteigen. Und Fakten, die vielleicht die These des Films stören könnten, bleiben unerwähnt. Ich finde, das ist eine vertane Chance.
Sie haben das ZDF mit ihren Vorwürfen konfrontiert. Wie war die Reaktion?
Mein Fragenkatalog wurde an die Produktionsfirma weitergeleitet und von dort beantwortet. Ich finde es bedauerlich, dass sich das ZDF dazu nicht selbst positioniert. Diese Sendung ist nicht sauber recherchiert und wird dem Anspruch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks meiner Meinung nach nicht gerecht. Strikte Faktentreue könnte sehr viel zur Aufklärung der Zuschauer beitragen..