Während die USA nach dem Mossad-Anschlag auf Ismail Haniyya auf eine Deeskalation im Konflikt zwischen Iran und Israel drängen, erschwert die Ernennung von Israels Staatsfeind Nummer Eins zum Anführer der Hamas die Bemühungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg.
Sinwar gilt als Drahtzieher des Großangriffs der Hamas und anderer Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023. Dabei wurden rund 1.200 Menschen getötet und 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt. Der beispiellose Überfall löste den Gaza-Krieg aus.
"Die Islamische Widerstandsbewegung Hamas gibt die Wahl von Kommandant Yahya Sinwar zum Leiter des politischen Büros der Bewegung bekannt. Er tritt die Nachfolge des Märtyrers Kommandant Ismail Haniyya an, möge Allah ihm gnädig sein", hieß es in einer kurzen Erklärung der Hamas-Bewegung.
Die Ernennung bedeute, dass Israel sich Sinwar mit Hinblick auf eine Lösung des Gaza-Krieges stellen müsse, sagte ein regionaler Diplomat, der mit den von Ägypten und Katar vermittelten Gesprächen vertraut ist. Ziel dieser Gespräche ist ein Ende der Kämpfe im Gazastreifen und die Rückkehr der 115 verbliebenen israelischen und ausländischen Geiseln, die noch immer in der Enklave festgehalten werden.
Die Hamas vermittele mit Sinwars Ernennung zu ihrem Anführer die Botschaft, "dass sie strategisch hinter dem Ansatz des bewaffneten Widerstands steht", zitierte das Wall Street Journal (WSJ) Jehad Harb, politischer Analyst beim Palestinian Center for Policy and Survey Research, einer im Westjordanland ansässigen Denkfabrik. Das bedeute, dass sich die Hamas von ihrer Rolle als politische Einheit, die regieren will, entferne, kommentierte die US-Zeitung. Sinwar befürworte zudem eine enge Abstimmung mit der die Hamas unterstützenden Regierung in Iran. Er scheine jene Stimmen in der Hamas übertrumpft zu haben, die einer Annäherung an Iran skeptisch gegenüberstanden.
Es wird vermutet, dass sich Sinwar in einem der Tunnel der Hamas unter dem von Israel abgeriegelten Gazastreifen versteckt hält. Er setze darauf, dass die Hamas den Sieg erringt, indem sie als Gruppe überlebt, schrieb das WSJ. Sinwar habe sich denn auch dem Druck widersetzt, einer Waffenruhe und einem Geiselabkommen zuzustimmen.
Das Weiße Haus wollte Sinwars Ernennung nicht kommentieren. Eine mit Washingtons Überlegungen vertraute Person meinte jedoch, die vonseiten der Hamas getroffene Wahl deute darauf hin, dass die palästinensische Organisation ihre Position in den Waffenstillstandsverhandlungen verschärfen und eine Einigung erschweren könnte.
Versuche, einen Waffenstillstand zu erreichen, der der erschöpften Bevölkerung eine Atempause verschaffen und die Heimholung der noch in Gefangenschaft befindlichen Geiseln ermöglichen würde, scheiterten bisher an den gegenseitigen Beschuldigungen von Hamas und Israel. Der Hamas-Funktionär Osama Hamdan sagte gegenüber Al Jazeera, dass die Bewegung weiterhin an einem Abkommen festhalte und das Team, das die Verhandlungen unter Haniyya geführt habe, unter Sinwar weitermachen werde. Sinwar habe die Gespräche laut Hamdan aufmerksam verfolgt. Hani Al-Masri, ein politischer Analyst in Ramallah, meinte hingegen, Sinwars Ernennung zum Anführer der Bewegung sei eine direkte Kampfansage an Israel und sende die Botschaft, dass die Hamas ihrem "widerständigen Ansatz" treu bleibe.
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