Es ist eine Technik, deren Existenz den meisten noch gar nicht bewusst ist, die nun in Brandenburg eingesetzt wurde – Gesichtserkennung in Echtzeit. Konkret handelt es sich um ein System aus Sachsen, das in Fahrzeugen eingebaut wurde, die unauffällig am Straßenrand stehen, die Gesichter aller Vorbeifahrenden scannen und mit einer Datenbank abgleichen.
Zuvor war bekannt, dass derartige Systeme an der deutsch-polnischen Grenze in Görlitz und Zittau eingesetzt werden. Angeblich soll sich der Abgleich auf eine bestimmte Datenbank beschränken, die nur Daten enthält, die aufgrund eines Gerichtsbeschlusses aufgenommen wurden. Eine Überprüfung gibt es allerdings nicht.
Den wenigsten deutschen Bürgern dürfte klar sein, dass solche Abgleiche inzwischen ohne große Zeitverzögerungen möglich sind. Derartige Systeme wurden bereits in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Berlin eingesetzt. Dabei berufen sich die Polizeibehörden oft auf die Paragrafen, die einst als Grundlage für die Rasterfahndung dienten, so die Berliner Staatsanwaltschaft, als im vergangenen April der Einsatz dieser Technik bekannt wurde.
Die Herstellerfirma dieser Fahrzeuge berichtete 2021 über deren Einführung in Sachsen und beschrieb dies wie folgt:
"Als 'mobiles Super-Auge' wird das neue mobile System bezeichnet, denn dank modernster Technik, hochauflösenden Kameras und Beleuchtungstechnologie lassen sich Kennzeichen und Personen auch hinter Windschutzscheiben bei allen Lichtverhältnissen und Wetterbedingungen zuverlässig erkennen."
Als im Juni bekannt wurde, dass die niedersächsische Polizei ein derartiges System verwendet, versicherte die Polizei in Hannover, die Daten würden nicht in Echtzeit ausgewertet, und nach 96 Stunden würden nicht mehr benötigte Daten "automatisch und unwiderruflich gelöscht". In Berlin wurden die Daten allerdings in Echtzeit ausgewertet. Nach Aussagen der Polizeidirektion Hannover sei das selbst auf Grundlage eines qualitativ hochwertigen Fotos aus sozialen Medien möglich.
In Brandenburg hieß es nun, das System "könne bei Eigentumsdelikten zum Einsatz kommen, aber etwa auch zur Aufklärung von Enkeltrick-Betrugsfällen, Raubstraftaten, grenzüberschreitender Kriminalität und Drogenkriminalität". Der Einsatz erfordere aber einen richterlichen Beschluss.
Wie weit derartige Beschlüsse eine Rechtsgrundlage liefern, um die Daten unzähliger Unbescholtener zu überprüfen, ist fraglich – die Kennzeichenspeicherung, die an einer Brandenburger Autobahn stattfand, wurde im Jahr 2022 für rechtswidrig befunden. Die gespeicherten Kennzeichendaten hatten zuletzt 40 Millionen Fahrzeugfotos umfasst.
Die Anzahl der bisher eingesetzten Systeme legt nahe, dass sie noch sehr teuer sind, sodass ihr Einsatz noch nicht beliebig möglich ist. Aber wie bei allen anderen elektronischen Systemen kann sich das sehr schnell ändern. Dann besitzen die Fragen, ob die nicht genutzten Daten tatsächlich gelöscht werden, für welche Straftaten ein Einsatz derartiger Systeme erlaubt ist und auf welche Datenbanken dabei zurückgegriffen wird, eine ganz andere Relevanz. Denn es ist durchaus vorstellbar, dass solche Systeme auch von Behörden wie dem Verfassungsschutz verwendet und zu einer vollständigen Erfassung von Teilnehmern bestimmter Veranstaltungen genutzt werden könnten.
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