Von Dagmar Henn
Als ich in die Grundschule ging, habe ich gerne mal mit Fußball gespielt, aber in einen Verein konnte ich nicht, weil Frauenfußball in der Bundesrepublik noch – verboten war. Ja, tatsächlich, im DFB war Frauenfußball verboten.
Die ersten Olympischen Spiele gab es 1896, aber Frauen durften erst später und schrittweise daran teilnehmen, im Golf, Tennis, Bogenschießen und Eiskunstlauf … Und es stand nicht nur der Unwille rein männlicher Organisationskomitees im Weg, sondern auch Vorbehalte gegen weiblichen Sport im Allgemeinen und Bekleidungsvorschriften, die heute gar nicht mehr vorstellbare Schwierigkeiten schufen. Im langen Rock kann man nun einmal schlecht Hürdenlaufen.
Boxen für Frauen gibt es erst seit 2012. Leichtathletik, Marathon, Radfahren, Gewichtheben, die Liste der Sportarten ist lang, die Stück für Stück erkämpft werden mussten. Und in den meisten ist es bis heute so, dass Frauen von all den materiellen Vorteilen, die viele Sportler aus einem Sieg bei Olympischen Spielen oder anderen Wettbewerben ziehen können, deutlich weniger bekommen.
Wo wir gerade bei materiellen Vorteilen sind – in den USA ist die ganze Sache deshalb besonders heikel, weil für den Besuch von Universitäten so viel Geld verlangt wird, dass viele Studenten inzwischen ihr halbes Leben lang abzahlen; Sport ist eine der wenigen Möglichkeiten, an Stipendien zu kommen.
Und jetzt wird das alles in Frage gestellt. Weil es so wichtig ist, Transgender zu fördern. Das ganz grundsätzliche Problem ist allerdings, dass die Folgen ausgesprochen einseitig sind. Während die Zulassung biologischer Männer im Frauensport dazu führt, dass Sportlerinnen trotz jahrelanger Vorbereitung und vollem Einsatz keine Chance mehr haben, ist mir zumindest keine Sportart eingefallen, in der biologische Frauen mit derartiger Sicherheit den Männern die Medaillen nehmen könnten. Synchronschwimmen vielleicht.
Die einzige Weise, wie dann wieder die Frauen zum Zug kämen, wäre, wenn sie in die Paralympics wechseln würden, mit der Erklärung, sie definierten sich jetzt einfach als körperlich beeinträchtigt. Das wäre gleichermaßen verrückt und ungerecht, aber zumindest logisch, denn wenn es im einen Feld möglich ist, Männer auf Frauenplätze zu schieben, dann müsste es im anderen auch möglich sein, völlig gesunde, nicht behinderte Frauen in die Paralympics zu schicken. Zu den Blinden beispielsweise.
Die Frage, die dadurch aufgeworfen wird, ist im Kern diese: Hat Gerechtigkeit überhaupt noch eine Bedeutung? Es gibt schon genug Faktoren, die den einen Sportlern massive Vorteile gegenüber den anderen verschaffen, das geht los mit dem Vorhandensein von Trainingsmöglichkeiten und geht bis zur finanziellen Förderung des Sports (die Beherrschung der chemischen Hilfsmittel lassen wir einmal außen vor, das ist ja zumindest offiziell illegal).
Die Trennung in Männer- und Frauenwettbewerbe schafft zumindest an dem einen Punkt Gleichheit, an dem es einfach möglich ist. Eine Aufhebung dieser Trennung führt dazu, dass man sich wieder im Jahr 1896 wiederfindet, denn das, was jetzt zu sehen war, ist erst der Anfang. Wenn diese Entwicklung weitergeht, dann gehen in zwanzig Jahren alle Medaillen, die für Männer und die für Frauen, an Männer. Denn selbst wenn die Förderung für Frauen schlechter ist als die für Männer, kommen auf diese Weise Männer zum Zug, die unter ihren Geschlechtsgenossen keine Chance hätten.
Sicher, an vielen Punkten werden sportliche Wettbewerbe nie gerecht sein. Beim Basketball hängt der Korb immer gleich hoch, und eine Mannschaft aus Zwei-Meter-Kerlen hat da stets einen Vorteil gegenüber einer mit Spielern, die nur 1,70 Meter groß sind. Und sicher, selbst jenseits der Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind viele Faktoren, wie beispielsweise die Entwicklung der Muskelmasse, genetisch festgelegt.
Aber in dem Moment, in dem die Entscheidung getroffen werden muss, ob Frauen weiterhin die Möglichkeit haben sollen, untereinander Wettkämpfe auszutragen, oder ob es wichtiger ist, jede Variante von Transgender unterzubringen, sollte die schlichte Zahl entscheiden. Die Hälfte der Menschheit sind Frauen. Transfrauen und Transmänner gibt es nur im Promillebereich, und die Letzteren haben ohnehin in keinem Sport eine Chance.
Was natürlich das grundsätzliche Argument, es gehe dabei um irgendeine Form von Gerechtigkeit oder Gleichheit, vollkommen aushebelt, denn dann müsste man Wege finden, um Transmänner so in den Männersport zu befördern, dass sie auch siegen können. Indem man den biologisch männlichen Mitbewerbern beim 100-Meter-Lauf Gewichte an die Beine bindet, beispielsweise.
Im Grunde macht es nur traurig, solche Wettkämpfe zu sehen, wie sie jetzt stattfinden. Weil ganz reale gesellschaftliche Errungenschaften einfach auf den Müll geworfen werden. Es war eine Errungenschaft, dass Frauen inzwischen Sport treiben können und dabei nicht auf Sportarten beschränkt sind, die "weiblich" sind. Aber so, wie jetzt damit umgegangen wird, wirkt es, als wäre das nur eine Art Beruhigungspille gewesen, solange noch genug Frauen sich dafür eingesetzt hatten, und jetzt kann man sie einfach wegnehmen und an die nächste Gruppe weiterreichen, deren Erhöhung aktuell Mode ist. Das fühlt sich an, als wären all diese Kämpfe gar nicht wahr gewesen, weil ein Haufen korrupter alter Männer, die sich IOC nennen, beschließt, das mit den Frauen sei gar nicht mehr wichtig, und handelt, als sei es sowieso ein Akt der Gnade, dass auch Frauen an Wettbewerben teilnehmen dürfen.
An einem Punkt allerdings könnte sich das Ganze sogar als hilfreich erweisen. Vorher war es oft schwierig, jungen Leuten, die nach der ideologischen Mode gehen, zu erklären, dass die Sprechweise, die aus stillenden Müttern milchgebende Elternteile macht, Frauen wieder zum Verschwinden bringt. Sogar aus dem Denken.
Mir fällt dabei immer ein, was 2005 mit der Einführung von Hartz IV geschah. All die alleinerziehenden Mütter, die auf Sozialhilfe angewiesen waren, verschwanden aus der Wahrnehmung, weil im Zusammenhang mit Hartz IV immer nur von "Langzeitarbeitslosen" die Rede war. Auch hier hatte es Jahrzehnte gedauert, das soziale Problem, dass die Gesellschaft Alleinerziehende nicht wirklich unterstützt, wirklich in die Wahrnehmung zu holen. Und ein einziger Schritt machte das alles zunichte, und sie verschwanden hinter dem Etikett "Langzeitarbeitslose".
Mit der Zulassung biologischer Männer im Frauensport geschieht das Gleiche, auch wenn es ein klein wenig länger dauert. Sportlerinnen verschwinden aus der Wahrnehmung. Und wie bei den Alleinerziehenden wird auch das materielle Konsequenzen haben.
Aber in diesem Fall geschieht die Manipulation der Wahrnehmung auf so grobschlächtige Art und Weise, dass es vielleicht zu vielen auffällt. Eine kleine Hoffnung, gewiss, aber eine Hoffnung.
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