Die Wahlrechtsreform der Ampelkoalition ist umstritten – so sehr, dass das Bundesverfassungsgericht darüber urteilen muss. Was Sie zur Entscheidung wissen müssen. Der Bundestag soll kleiner werden. Mit diesem Ziel brachte die Ampelkoalition vor etwas mehr als einem Jahr die Wahlrechtsreform auf den Weg. Erstmalig soll sie bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr zum Einsatz kommen. Doch sicher ist das nicht – denn einige Parlamentarier haben vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Klage dagegen eingereicht. Am Mittwoch will das Gericht seine Entscheidung zur Wahlrechtsreform offiziell verkünden. Bereits am Dienstagabend war das Urteil allerdings vollständig durchgesickert. Die Richter in Karlsruhe entscheiden laut dem vorab veröffentlichten Papier, dass Teile der Reform verfassungswidrig sind. Doch was genau bedeutet dieses Urteil für die Erneuerung des Wahlrechts? Wer hat dagegen geklagt? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen. Warum will die Ampel das Wahlrecht verändern? Das primäre Ziel der Wahlrechtsreform ist die Verkleinerung des Bundestages. Mit 736 Abgeordneten ist dieser das größte frei gewählte Parlament der Welt. Die von der Ampel verabschiedete Reform soll die Zahl der Abgeordneten auf 630 beschränken. Wie soll das gelingen? Um die Zahl der Abgeordneten zu reduzieren, sollen Überhang- und Ausgleichsmandate wegfallen. Überhangmandate fielen bislang an, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Direktmandate gewann, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis Sitze zustanden. Diese Mandate durfte sie dann behalten, die anderen Parteien erhielten dafür Ausgleichsmandate. Auch die Grundmandatsklausel soll wegfallen. Nach ihr zogen Parteien auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag ein, wenn sie unter der Fünfprozenthürde lagen, aber mindestens drei Direktmandate gewannen. Wer ist gegen die Reform vorgegangen? Kritik am Wahlrecht kam insbesondere von den Unionsparteien CDU und CSU und von der Linkspartei. 195 Mitglieder der Unionsfraktion im Bundestag, die bayerische Staatsregierung, die Linke-Bundestagsfraktion sowie die Parteien CSU und Linke gehen gegen die Reform vor. Außerdem reichten etwa 4.000 Personen eine Verfassungsbeschwerde ein. Worum geht es für Union und Linke? Insbesondere CSU und Linke wären von der Wahlrechtsreform in ihrem aktuellen Zustand betroffen. Bei der Bundestagswahl 2021 errang die CSU 45 Direktmandate, von denen elf Überhangmandate waren. Diese Überhangmandate würden nach dem neuen Wahlrecht wegfallen. Auch die CDU in Baden-Württemberg würde zwölf Überhangmandate verlieren. Zusammen hätten diese 23 Überhangmandate zu insgesamt 104 Ausgleichsmandaten geführt. Der Wegfall der Grundmandatsklausel könnte für die CSU zudem besonders bitter werden. Sollte sie bei der nächsten Wahl bundesweit hochgerechnet unter die Fünfprozentmarke rutschen, würde sie nach dem neuen Wahlrecht aus dem Bundestag fliegen – auch wenn sie wieder die allermeisten Wahlkreise in Bayern direkt gewinnen sollte. Bei der Wahl 2021 war die CSU bundesweit auf 5,2 Prozent der Zweitstimmen gekommen. Die Linke hofft ebenfalls auf den Fortbestand der Grundmandatsklausel – denn sie hat die Partei bereits zweimal gerettet. Bei der Bundestagswahl 2021 hatte die Partei dank dieser Regelung trotz eines Scheiterns an der Fünfprozenthürde drei Direktmandate gewonnen und war dadurch in Fraktionsstärke ins Parlament eingezogen. Schon 1994 profitierte die Vorgängerpartei PDS von dieser Regel. Was kritisiert das Bundesverfassungsgericht an der Reform? Laut dem am Montag veröffentlichten Papier beanstandete das Gericht nicht, die Regelung zu Überhang- und Ausgleichsmandaten zu streichen, die den aktuellen Bundestag auf 733 Sitze aufgebläht haben. Anders sieht das bei der Fünfprozenthürde in Kombination mit der geplanten Abschaffung der sogenannten Grundmandatsklausel aus, die das Gericht als verfassungswidrig einstuft. Die Fünfprozentsperrklausel sei "in ihrer geltenden Form mit dem Grundgesetz nicht vereinbar", hieß es nun in dem Urteil. Sie beeinträchtige den Grundsatz der Wahlgleichheit. Bis zu einer Neuregelung gelte die Grundmandatsklausel weiter, ordnete das Gericht an. Das ist vor allem für die im September 2025 geplante Bundestagswahl relevant: Gelingt es dem Gesetzgeber nicht, die Sperrklausel bis dahin etwa auf drei Prozent zu senken, und die Fünfprozenthürde besteht weiterhin, gilt für diese Wahl immer noch die Grundmandatsklausel.