Drama pur beim olympischen Mountainbikerennen der Herren in Paris: Bis auf die allerletzten Meter vor dem Ziel ging es äußerst eng zu im Kampf um Gold, Silber und Bronze – inklusive heißer Diskussion um eine rennentscheidende Szene unmittelbar vor dem Zieleinlauf. Das gesamte Ergebnis und eine ausführliche Zusammenfassung der spektakulären Ereignisse des Herrenrennens in Paris 2024 gibt es hier in der Übersicht.
Der Brite Tom Pidcock hat zum zweiten Mal in seiner Karriere und zum zweiten Mal in Folge bei den Olympischen Spielen in der Mountainbike-Cross-Country-Disziplin die Goldmedaille gewonnen. In einem dramatischen Rennen schnappte Pidcock nur wenige Meter vor dem Ziel dem Franzosen Victor Koretzky den Sieg weg: Der Franzose verpasste somit nach dem Triumph seiner Landsfrau Pauline Ferrand-Prévot am Vortag nur knapp eine perfekte Bilanz für die Mountainbikerinnen und Mountainbiker der Équipe Tricolore bei der Heimolympiade. Nichtsdestotrotz belohnte sich Koretzky nach einem beeindruckenden Rennen mit der Silbermedaille. Rang drei und somit die Bronzemedaille ging an den Südafrikaner Alan Hatherly. Die beiden deutschen Starter Julian Schelb und Luca Schwarzbauer konnten in den Kampf um die Medaillen nicht eingreifen und landeten auf den Positionen 15 und 16.
Wer tags zuvor beim olympischen Mountainbikerennen der Damen über eine gewisse Langeweile angesichts der unglaublichen Dominanz der Lokalheldin Pauline Ferrand-Prévot beobachtete, wurde einen Tag später beim Rennen der Herren in Paris mit den spektakulärsten und spannendsten Aspekten des Mountainbikesports eines Besseren belehrt. Bis zum allerletzten Meter blieb das Rennen der Herren spannend und sorgt aufgrund eines sehr engen Positionskampfs unmittelbar vor dem Ziel mit Sicherheit auch in der kommenden Zeit noch für reichlich Diskussionsstoff.
Rollen wir aber die ganzen Ereignisse von vorne auf: Bei heißen und trockenen Bedingungen mit Temperaturen rund um 30° C ging es für die 36 qualifizierten Männer achtmal auf den schnellen Rundkurs am Élancourt Hill. Nach einer hektischen Startphase setzte sich eine rund 15 Mann starke Spitzengruppe ab, die bis in die dritte Runde hinein äußerst eng beisammenblieb. Unter anderem mischte zu diesem Zeitpunkt auch noch die größte deutsche Hoffnung, Luca Schwarzbauer, vorne mit. Doch bereits früh im Rennen deuteten sich beim Nürtinger erste Schwierigkeiten an: Nicht wie sonst üblich, fuhr Schwarzbauer ganz an der Spitze des Feldes in der Startphase, sondern hielt nur mit Mühe Kontakt zu seinen Kontrahenten.
Unter dem Tempodiktat des Schweizers Mathias Flückiger wurde in der Folge die Spitzengruppe teilweise ausgedünnt. Eines der ersten Opfer: Luca Schwarzbauer, der anschließend Stück für Stück an Boden verlor. Eine wirklich ernstzunehmende Verkleinerung des Spitzenfeldes gelang Flückiger jedoch nicht wirklich, erst eine Attacke in der dritten Runde des Titelverteidigers und großen Favoriten Tom Pidcock änderte diesen Zustand rapide: Mit einem enormen Antritt setzte der Brite die Konkurrenz unter Druck, lediglich der Franzose Victor Koretzky konnte unmittelbar folgen. Der Südafrikaner Alan Hatherly blieb zunächst in Schlagweite, alle anderen Fahrer verloren unmittelbar rund 20 bis 30 Sekunden.
Dann überschlugen sich jedoch die Ereignisse: Tom Pidcock fing sich einen Vorderradplattfuß ein, was Victor Koretzky plötzlich zum alleinigen Spitzenreiter machte. Glück im Unglück hatte Tom Pidcock jedoch, dass sein Missgeschick nur knapp vor einer Materialwechselzone geschah und er zunächst nur wenig Zeit verlor. Da die britischen Betreuer jedoch nur bedingt auf einen Reifendefekt ihres Fahrers vorbereitet waren, verstrichen viele Sekunden, ehe Pidcock wieder aufs Rad kam. Mit neuem Vorderrad und knapp 35 Sekunden Rückstand auf Victor Koretzky nahm der Brite die verbleibenden fünf Runden in Angriff.
Für Victor Koretzky und die einheimischen Fans war die daraus resultierende Situation scheinbar ideal: Als alleiniger Spitzenreiter schien der Weg frei für die zweite französische Goldmedaille nach dem Erfolg von Pauline Ferrand-Prévot am Vortag. Und lange Zeit schien es auch wirklich so, als wäre Koretzky in der Lage seinen knappen Vorsprung von rund 15 Sekunden auf den inzwischen auf Rang zwei platzierten Alan Hatherly und 35 Sekunden auf die weiteren Verfolger um Tom Pidcock zu verteidigen.
Drei Runden vor Schluss mobilisierte Tom Pidcock aus einer Verfolgergruppe um seinen Landsmann Charlie Aldridge, den Schweizer Mathias Flückiger, den Italiener Luca Braidot und den Neuseeländer Sam Gaze und ihn selbst heraus jedoch nochmals alle Kräfte: Schlagartig reduzierte Pidcock den Rückstand zu den beiden Erstplatzierten Koretzky und Hatherly, zwei Runden vor Schluss schloss er schließlich zunächst zu Hatherly auf und wenig später auch zu Victor Koretzky. Zu dritt gingen Pidcock, Hatherly und Koretzky in die letzte Runde, die ein gänzlich neues Kapitel im Drama des Herrenrennens in Élancourt schreiben sollte…
In der ersten Hälfte der letzten Runde versuchte Tom Pidcock seine vermeintliche Stärke gegenüber den beiden Kontrahenten auszunutzen und versuchte an jeder noch so kleinen Steigung mit Attacken Koretzky und Hatherly abzuschütteln. So sehr er versuchte, so sehr biss sich insbesondere Victor Koretzky an seinem Hinterrad fest. Schließlich wendete sich sogar das Blatt: Am längsten Anstieg des Rundkurses, einem rund 50 Höhenmeter umfassenden steilen Schotteranstiegs, attackierte Koretzky und schob sich mit einer kleinen Lücke an die Spitze. Doch Pidcock schaffte in der folgenden Abfahrt wieder den Anschluss und schob sich kurzzeitig wieder an die Spitze. Nicht von langer Dauer, denn wenige Meter später konterte Victor Koretzky erneut.
In die letzte Singletrailpassage vor dem Ziel fuhr somit Koretzky hauchdünn vor Tom Pidcock, ein packender Zielsprint schien die logische Konsequenz dieses engen Duells. Doch es sollte anders kommen: Tom Pidcock witterte an einer Stelle die Chance, eine etwas engere Linie um einen Baum zu wählen und schob sich vor der folgenden Kurve um eine halbe Radlänge an Koretzky vorbei. Koretzky, der die Außenbahn bevorzugte, versuchte mit etwas Körpereinsatz dagegenzuhalten. Ohne Erfolg: Koretzky blieb am Pedal des Briten hängen und rutschte leicht weg. Das Momentum des Franzosen war verloren und der Weg frei für Tom Pidcock zu seiner zweiten Goldmedaille bei Olympischen Spielen.
Empfangen mit vielen Buh-Rufen der französischen Fans jubelte Tom Pidcock schließlich auf der Zielgeraden über seinen Erfolg, der ihn zum zweiten männlichen Fahrer der Geschichte des Mountainbikesports macht, dem es gelang, bei zwei Olympischen Spielen in Folge den Sieg zu erringen. Vor ihm war das nur Julien Absalon in den Jahren 2004 und 2008 gelungen. Silber ging an Victor Koretzky, der sich nach seinem Malheur dem dicht folgenden Alan Hatherly erwehren musste.
Rang vier ging an den Italiener Luca Braidot, der ein überaus konstantes Rennen fuhr und immer wieder knapp davor stand zum Spitzentrio aufzuschließen. Fünfter wurde schließlich der Silbermedaillengewinner der vergangenen Olympischen Spiele in Tokio, Mathias Flückiger, Rang sechs ging an Sam Gaze. Einen bemerkenswerten siebten Rang verbuchte Riley Amos: Der Amerikaner startete erstmalig bei Olympischen Spielen und ist üblicherweise noch in der U23-Nachwuchsklasse unterwegs. Der zehnfache MTB-Weltmeister Nino Schurter belegte bei seinen aller Voraussicht nach letzten Olympischen Spielen den neunten Rang.
Für die beiden Deutschen Julian Schelb und Luca Schwarzbauer endete die Olympia-Reise auf den Position 15 und 16. Während Schwarzbauer anfangs ganz vorne mitmischte und anschließend nach und nach zurückfiel, arbeitete sich Schelb nach einem eher schwachen Start stetig nach vorne. 2:46 Minuten und 2:48 Minuten betrug ihr Rückstand letztlich im Ziel auf Sieger Tom Pidcock.
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