Bei Gesprächen in China haben sich nach chinesischen Angaben 14 rivalisierende palästinensische Gruppierungen, darunter die islamistische Hamas und die säkulare Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, für die Nachkriegszeit im Gazastreifen auf eine "Übergangsregierung" geeinigt. Der wichtigste Punkt sei die Einigung auf die Bildung einer "nationalen Übergangsregierung zur Versöhnung", sagte der chinesische Außenminister Wang Yi am Dienstag nach der Unterzeichnung der "Pekinger Erklärung" durch die Gruppierungen.
Der hochrangige Hamas-Vertreter Musa Abu Marsuk bestätigte, dass seine Organisation die Erklärung unterzeichnet habe. "Wir sind der nationalen Einheit verpflichtet und fordern sie", erklärte Abu Marsuk weiter. Der anwesende Fatah-Vertreter Mahmud al-Alul machte allerdings keine Angaben zu einer Einigung mit der Hamas und anderen Gruppierungen. An dem Treffen hatten auch Vertreter Ägyptens, Algeriens und Russlands teilgenommen.
Die von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kontrollierte palästinensische Autonomiebehörde regiert im von Israel besetzten Westjordanland, verfügt dort jedoch nur über beschränkte Macht. Im Gazastreifen hatte die islamistische Hamas 2007 die alleinige Kontrolle übernommen und die rivalisierende Fatah-Partei gewaltsam verdrängt. Israel hatte sich im Jahr 2005 vollständig aus dem Gazastreifen zurückgezogen.
Chinas Chefdiplomat Wang fügte an, die Versöhnung sei "eine innere Angelegenheit der palästinensischen Gruppierungen". Gleichzeitig könne sie "nicht ohne die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erreicht werden". Sein Land wolle eine "konstruktive Rolle bei der Sicherung von Frieden und Stabilität" im Nahen Osten spielen.
Welche konkrete Bedeutung die Einigung der rivalisierenden Palästinensergruppen hat, ist offen. Weder Israel noch die mit ihm verbündeten USA akzeptieren eine Beteiligung der Hamas an einer Nachkriegsordnung für den Gazastreifen. Israel hat nach dem beispiellosen Angriff der Radikalislamisten am 7. Oktober deren Zerstörung als Ziel seines militärischen Vorgehens ausgegeben.
Bei dem Angriff der Hamas auf Israel waren nach israelischen Angaben 1197 Menschen getötet und 251 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden. Als Reaktion auf den beispiellosen Überfall geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei bislang mehr als 39.000 Menschen getötet.
China hat seit Kriegsbeginn mehrfach an eine friedliche Lösung des Konflikts appelliert. Peking, das sich in der Vergangenheit solidarisch mit den Palästinensern gezeigt hat und gleichzeitig gute Beziehungen zu Israel pflegt, bemüht sich um eine Vermittlerrolle und unterstützt eine Zweistaatenlösung. Diese sieht einen unabhängigen, mit Israel friedlich koexistierenden Palästinenserstaat vor. Peking hatte bereits im April die beiden rivalisierenden Palästinenserorganisationen Hamas und Fatah zu Gesprächen über eine "innerpalästinensische Versöhnung" empfangen.
Fatah-Vertreter al-Alul dankte China nach der Einigung am Dienstag für die "unablässige Unterstützung" der Palästinenser. "An China: Sie haben unsere Liebe, Sie haben unsere ganze Freundschaft, vom gesamten palästinensischen Volk", sagte er.
China hat in den vergangenen Jahren seine wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen in den Nahen Osten verstärkt. Außerdem spielt die Region, in der traditionell der Einfluss der USA stark ist, für Peking eine wichtige Rolle als Knotenpunkt in seinem Infrastrukturprojekt Neue Seidenstraße. Die im Rahmen des Projekts gebauten Häfen, Eisenbahnlinien, Flughäfen und Industrieparks in Asien, Europa, Afrika sollen China einen besseren Zugang zu den Märkten anderer Länder verschaffen.