Am 17. Juli 1981 stürzen in der Lobby des Hyatt Regency Hotel in Kansas City, Missouri, zwei Skywalks ein. Gleichzeitig findet eine Tanzteeveranstaltung statt – mit dramatischen Folgen.
Das Hyatt Regency in Kansas City, Missouri, soll ein prestigeträchtiges Projekt werden, mit dem die Stadt ihr altes Image als Viehmarkt abschütteln will. Die Bauarbeiten zu dem 150 Meter hohen und 40-stöckigen Gebäude beginnen im Mai 1978 und dauern nicht einmal zweieinhalb Jahre. Das Herzstück des Hotels wird die riesige Empfangshalle. Eine gläserne Decke überspannt das mehrstöckige Atrium.
Unterhalb der Decke verlaufen in unterschiedlichen Höhen drei freischwebende sogenannte Skywalks – schwebende Fußgängerbrücken, die Gästezimmer, Konferenzräume und eine Einkaufspassage zwischen dem Nord- und Südflügel miteinander verbinden. Zwei von ihnen, die in der vierten und die in der zweiten Etage, liegen direkt übereinander. Die dritte in der dritten Etage hängt ein paar Meter weiter entfernt. Über die jeweils 37 Meter langen Brücken sollen die Gäste flanieren und einen beeindruckenden Blick über das Artrium erhalten.
An jenem Freitagabend, den 17. Juli 1987, findet dort eine Tanzteeparty im Stil der 40er Jahre statt. 1500 Gäste vergnügen sich in der Lobby, als es plötzlich einen lauten Knall gibt. Kurz darauf stürzt die oberste Brücke in der vierten Etage ab, direkt auf die darunter liegende.
Hunderte Gäste werden von 65 Tonnen Stahl und Beton erschlagen oder lebendig darunter begraben. "Der Anblick war furchtbar, einfach schrecklich", erinnert sich der Überlebende Walter Trueblood in einer TV-Doku. "Manche hatten schwere Schnittverletzungen, andere waren verstümmelt, hatten Gliedmaßen verloren." Andere wiederum lagen unter den Quergängen gefangen oder zwischen den Trümmern.
Aus geborstenen Leitungen strömt Wasser von der Decke. Pro Minute ergießen sich nun 1000 Liter Wasser aus den riesigen Tanks des Hotels in die Lobby. Den von den Trümmern eingeschlossenen Menschen droht nun das Ertrinken. So wie Immoblienmakler Marc Williams, der von 65 Tonnen Schutt an den Boden genagelt wird. "Das Wasser drang mir beim Atmen in die Nase ein. Ich dachte noch bei mir, ich befinde ich mich nun an einem der höchstgelegenen Orte in Kansas City und werde dennoch ertrinken." Der Einsatzleiter der Feuerwehr erkennt zum Glück das Problem und lässt Bulldozer anrücken, die die schweren goldenen Drehtüren des Hotels eindrücken, damit die Wassermassen nach draußen abfließen können.
Die Beine von Shirley Trueblood sind von den Knien bis zur Hüfte zerschmettert. Ihr Mann Walter hat ein gebrochenes Schlüsselbein, sein rechter Lungenflügel ist kollabiert und sein Becken ist zertrümmert.
Vier nahegelegene Krankenhäuser schicken sofort ihre Rettungssanitäter- und Notärzte-Teams los. Die Lobby wird zur provisorischen Leichenhalle, der Taxistand vor dem Hotel wird zum Behandlungsplatz. Notarzt Joseph Waeckerle muss angesichts der Lage nach dem Triage-Verfahren über Leben und Tod entscheiden. Freiwillige reagieren auf einen Aufruf und bringen Wagenheber, Taschenlampen, Kompressoren, Presslufthämmer, Betonsägen und Generatoren an den Unglücksort.
Zehn Stunden nach dem Einsturz der Wandelgänge konzentrieren sich die Rettungskräfte nur noch auf das Bergen von Leichen. Mit Presslufthämmern brechen sie die Betonplatten der eingestürzten Quergänge auf. Sie ahnen nicht, dass unter ihnen Marc Williams um sein Leben schreit. Erst als der Presslufthammer für ein neues Loch umgesetzt wird, hört jemand seine verzweifelten Hilferufe.
Es ist inzwischen 4.30 Uhr, als ihn die Rettungskräfte schwer verletzt aus den Trümmern ziehen. Er ist der Letzte, der lebend geborgen wird. Seine beiden Beine sind ausgerenkt, sein Rückgrat ist gebrochen und seine Nieren versagen. Zwei Monate verbringt er auf der Intensivstation, nach vielen Monaten schmerzhafter Reha-Maßnahmen ist er wieder vollständig genesen. Auch die Truebloods erholen sich von ihren Verletzungen.
Der Oberbürgermeister von Kansas City, Richard Berkley, bittet für die Ermittlungen das National Bureau of Standards (NBS) um Hilfe. Das NBS ist eine hochangesehene und unabhängige Bundesbehörde, die wissenschaftliche Gutachten für die US-Regierung erstellt. Doch ihre Ermittlungen können Monate dauern. Die Lokalzeitung "The Kansas City Star" will schnellere Ergebnisse und schickt einen Bauingenieur als verdeckten Ermittler los, der sich vor Ort als Reporter ausgibt.
Vorwürfe, die Gänge seien überlastet gewesen, werden vom Präsidenten der Hotelkette zurückgewiesen. Laut Bauordnung von Kansas City müssen öffentliche Bauten Mindestbelastungen von 488 Kilogramm pro Quadratmeter aushalten. Die beiden Wandelgänge hätten demnach also wenigstens 1280 Menschen tragen können. Die Aufnahmen eines Fernsehteams, die den Tanztee gefilmt hatten, zeigen aber: Es befanden sich tatsächlich zum Zeitpunkt des Einsturzes 40 Menschen auf dem unteren und 23 auf dem oberen Quergang. Insgesamt also 63. Diese belasteten die Konstruktion jedoch nur mit 83 Kilogramm pro Quadratmeter, also nur einem Bruchteil des erlaubten Höchstgewichtes.
Bei seinen Recherchen stellt der verdeckte Ermittler fest, dass die ursprünglichen Baupläne nicht den späteren Ausführungen entsprachen. Laut den Entwürfen hätten der erste und der dritte Skywalk mit einer Vielzahl von 32 Millimeter dicken Stahlaufhängestangen an der Decke befestigt werden müssen. Stattdessen wurde der untere Gang mit Stangen an dem oberen Gang befestigt, weshalb das doppelte Gewicht auf ihm lastete. Die Änderungsvorschläge dazu kamen vom zuständigen Stahlhersteller, da sie einfacher zu bauen waren.
Die Trümmer zeigen auch, dass die beiden Hohlträger, die als Verbindungsstelle miteinander verschweißt waren, um die Stäbe zu halten, nach innen gebogen sind, weshalb der Verbindungsstab durchrutschte. Eine Rekonstruktion ergibt später, dass zum Zeitpunkt des Einsturzes eine Last von rund neun Tonnen auf ihnen lastete. Ein von den offiziellen Ermittlern durchgeführter Belastungstest zeigt, dass die Schweißnaht schon bei 8160 Kilogramm mit einem Knall bricht und die Konstruktion bei 8255 Kilogramm gänzlich versagt.
Die NBS kommt zu dem Ergebnis, dass die Aufhängungspunkte am oberen Verbindungsgang nicht einmal annähernd das Gewicht von zwei Gängen samt der darauf befindlichen Menschen tragen konnten. Sie verfügten gerade über ein Drittel der in der Bauordnung von Kansas City eingeforderten Tragkraft. Das Unglück war also schon vom Tag ihres Einbaus an vorprogrammiert. Wie der zuständige Chef der Baufirma später zugibt, hat niemand die Stärke der Verbindungsstellen für die Wandelgänge berechnet. Er behauptet, in Missouri sei es gängige Praxis, dass der Hersteller diese Berechnungen anstelle. Doch dieser besteht auf die Verantwortung des Ingenieurs für die Baupläne.
Im November 1984 erklären die staatlichen Behörden die zuständige Baufirma als verantwortlich für den Einsturz und sprechen den Ingenieur der groben Fahrlässigkeit, des Fehlverhaltens und des unprofessionellen Verhaltens schuldig. Ihm wird die Zulassung im Staat Missouri entzogen. Er reflektiert später, dass der Designfehler so offensichtlich war, dass "jeder Erstsemester-Student im Ingenieurwesen ihn herausfinden könnte", wenn er nur überprüft worden wäre. Von den Versicherungen der Gebäudeeigentümer erhalten die Überlebenden und die Familien der Todesopfer mehr als 140 Millionen Dollar an Entschädigungszahlungen.
Infolge des Unglücks werden auch die Baubestimmungen überholt. Alle Berechnungen tragender Elemente müssen heute von einem städtischen Gutachter geprüft werden. Die amerikanische Ingenieursvereinigung ändert ihre Regeln dahingehend, dass die Ingenieure auch für ihre eigenen Baupläne verantwortlich sind.
Für ihre 16-monatige investigative Berichterstattung über den Einsturz wird der "Kansas City Star" und seine Schwesterpublikation "Kansas City Times" im Jahr 1982 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.
Seit dem 12. November 2015 erinnert ein Denkmal im Hospital Hill Park gegenüber dem Hotel an die Opfer des Einsturzes. Die Metallskulptur, die Tänzer in der Luft darstellt und auf deren Stahlsäule die Namen der Opfer eingraviert sind, steht gegenüber ehemaligen Hyatt Regency, das jetzt als Sheraton Kansas City Hotel im Crown Center betrieben wird.
Sehen Sie oben im Video: Auf der spanischen Insel Mallorca ist vergangene Nacht der "Medusa Beach Club" eingestürzt, es gibt mehrere Tote und viele Verletzte. Reporterin Eva Rullmann berichtet von der Unfallstelle, was bisher über die Opfer und den Einsturz bekannt ist.
Quellen: National Geographic, wikibooks.org, Kansas City Public Radio