Am Mittwoch will das Bundeskabinett den Haushaltsentwurf beschließen. Der Finanzminister hält mit ihm die Schuldenbremse ein – allerdings nur dank einiger Kniffe. Einer könnte rechtswidrig sein.
Wenn Christian Lindner dem Bundeskabinett am Mittwoch seinen Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 vorlegt, dürfte er zufrieden sein. Der Finanzminister von der FDP hat es geschafft, sich mit seinen Koalitionspartnern auf einen Etat zu einigen – allen Untergangserzählungen vom Ende der Ampel, allen jammernden Ministerinnen und Ministern, die gerne mehr Geld gehabt hätten, zum Trotz.
Vor allem aber, und das ist besonders für einen liberalen Finanzminister wichtig: Lindners Entwurf hält die Schuldenbremse ein. Das ist allerdings nicht allein das Ergebnis einer besonders effizienten Finanzplanung, mit der sich der Minister gerne brüstet. Vielmehr greifen Lindner und seine Beamten auf ein ganzes Repertoire an haushalterischen Tricks und Kniffen zurück. Ein Überblick.
Eigentlich sieht die Schuldenbremse vor, dass der Bund nur neue Schulden in Höhe von 0,35 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung aufnehmen darf. Macht bei einem erwarteten Bruttoinlandsprodukt von 4,1 Billionen Euro im kommenden Jahr 14,4 Milliarden Euro erlaubte Schulden. Tatsächlich sieht Lindners Haushaltsentwurf, der dem stern vorliegt, aber 43,8 Milliarden Euro neue Schulden vor. Wie kann das sein?
Zum einen hilft Lindner die derzeitige Wirtschaftsflaute. Denn wenn die Konjunktur schwächelt, so verlangt es die Schuldenbremse, darf der Bund mehr Schulden machen. 2025 sind dies 9,8 Milliarden Euro zusätzlich, also insgesamt 24,2 Milliarden Euro.
Bleiben noch 19,6 Milliarden Euro Schulden, die Lindner für den neuen Haushalt aufnehmen muss: Der Großteil davon fließt als Darlehen an die deutsche Rentenversicherung (12,4 Milliarden Euro) und als Eigenkapitalerhöhung an die Deutsche Bahn (5,9 Milliarden). Der Clou dabei: Weil diesen Zahlungen Vermögenswerte in gleicher Höhe gegenüberstehen, sind sie von der Schuldenbremse ausgenommen. Schließlich muss ein Darlehen zurückgezahlt werden. Und das Eigenkapital an die Bahn ist eine Wertanlage des Bundes, die in Zukunft Rendite abwerfen soll.
Für seine nächsten beiden Tricks setzt der Finanzminister vor allem auf eines: Hoffnung. Zum einen setzt er darauf, dass die geplante Wachstumsinitiative der Bundesregierung das Wirtschaftswachstum um 0,5 Prozentpunkte ankurbelt. Mehr Wachstum bedeutet mehr Einnahmen für den Staat, zum Beispiel aus Steuern oder Investitionen.
Lindner geht davon aus, dass dies dem Bund im kommenden Jahr sechs Milliarden Euro zusätzlich beschert – seine erste große Hoffnung. Die Zahl basiert auf komplexen Vorhersagemodellen, das mit großen Unsicherheiten behaftet ist. Ob die 49 Maßnahmen, die die Wachstumsinitiative der Bundesregierung vorsieht, tatsächlich den gewünschten Effekt haben werden, ist offen.
Lindners zweite große Hoffnung: dass die Bundesregierung letztlich doch weniger Geld brauchen wird, als im Haushalt vorgesehen.
Denn es klafft noch eine Lücke von 17 Milliarden Euro zwischen den voraussichtlichen Einnahmen und den geplanten Ausgaben, im Fachjargon "globale Minderausgabe" genannt. Globale Minderausgaben sind häufig Teil der haushalterischen Praxis. Sie spiegeln die Erfahrung wider, dass die Ministerien ihre Mittel oft nicht komplett ausgeben, am Ende des Haushaltsjahres also Geld übrig bleibt.
Allerdings hat noch kein Finanzminister vor Lindner mit einer Summe in dieser Höhe gerechnet. Die Regierung will sie bis August auf etwa neun Milliarden Euro schrumpfen. Damit läge sie auf dem Niveau früherer Haushalte.
Anders ausgedrückt muss Lindner weitere acht Milliarden Euro auftreiben. Ein kühnes Unterfangen, das weiß auch der Minister selbst.
Hier schwebt ihm ein weiterer Kniff vor: Derzeit lässt Lindner in seinem Ministerium prüfen, ob sich milliardenschwere Zuschüsse an die Deutsche Bahn und an die Autobahngesellschaft auch als Darlehen auszahlen ließen. Im Gegensatz zu Zuschüssen könnte Lindner für die Darlehen nämlich neue Kredite aufnehmen, die nicht der Schuldenbremse unterlägen. Allerdings ist unklar, ob dies verfassungskonform wäre. Auch das prüft das Ministerium gerade.
Das Beispiel zeigt, wie die Schuldenbremse der Bundesregierung die Haushaltsplanung erschwert. Denn dass die Investitionen in die Infrastruktur nötig sind, kann nicht einmal der Finanzminister ignorieren. Deutschlandweit sind hunderte Autobahnbrücken kaum mehr befahrbar. Dass im Juni dieses Jahres nur mehr jeder zweite Zug pünktlich sein Ziel erreichte, hat auch mit maroden Schienen zu tun.
Und dann sind da noch Boris Pistorius' Panzer. Der SPD-Verteidigungsminister wünscht sich über 100 neue Leopard-Fahrzeuge, mit der dann deutsche Soldaten die Nato-Ostflanke schützen wollen. Die ersten davon sollen 2027 geliefert werden. Nur sind sie dann lange noch nicht bezahlt: Mit Zustimmung des Bundestags kann Pistorius seine Investitionen auf die Haushaltsjahre 2028 bis 2030 auslagern.
Knapp 2,2 Milliarden Euro muss dann ein möglicher Nachfolger Pistorius‘ in seinem Verteidigungsetat unterbringen. Aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr kann Pistorius für den Panzerkauf jedenfalls nicht mehr schöpfen: Die 100 Milliarden Euro sind schon in großen Teilen anderweitig eingeplant - und 2028 ganz aufgebraucht.