Schon lange versucht Israel in Gaza, die Militärführer der Hamas gezielt zu töten. Ein schwerer Luftangriff am Samstag galt diesem Ziel. Netanjahu nahm dafür offenbar viele tote Palästinenser in Kauf.
Israels Armee hat am Samstagmorgen im Gazastreifens westlich von Chan Junis einen großen Luftangriff ausgeführt. Dieser galt nach Angaben der Armee vor allem dem Anführer des militärischen Arms der Hamas, Mohammed Deif. Bei dem Angriff wurden offenbar Dutzende andere Menschen getötet. Ob Deif überhaupt bei dem Luftangriff getroffen oder gar getötet wurde, blieb zunächst ungewiss.
Gegen Abend meldete sich dann ein ranghoher Hamas-Vertreter. Er erklärte gegenüber dem Sender Al-Dschasira, Deif höre Netanjahus Stellungnahme dazu – und spotte darüber.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu räumte selbst auf einer Pressekonferenz in Tel Aviv ein, es gebe "noch keine absolute Gewissheit". Israels Armee hatte mitgeteilt, dass sie prüfe, ob Deif bei dem Luftschlag ums Leben gekommen sei.
Ein weiteres Ziel des Angriffes sei Rafa Salama gewesen, der Kommandeur der Chan-Junis-Brigade. Beide seien "Drahtzieher des Massakers vom 7. Oktober" auf israelischem Boden gewesen, hieß es. STERN PAID 26_24 Netanjahu 14.27
Palästinensischen Angaben zufolge wurden bei dem israelischen Militäreinsatz mindestens 90 Menschen getötet. Mindestens 300 weitere Menschen seien zudem in der humanitären Zone Al-Mawasi verletzt worden, teilte die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde mit.
Die israelische Armee widersprach den Angaben der Gesundheitsbehörde Gazas. "Der Angriff wurde in einem eingezäunten Gebiet durchgeführt, das von der Hamas kontrolliert wird und in dem sich nach unseren Informationen nur Hamas-Terroristen und keine Zivilisten aufhielten", hieß es von der Armee. "Es war ein präziser Angriff."
Es werde vermutet, dass die meisten Opfer ebenfalls Terroristen gewesen seien. Der Angriff war vom Inlandsgeheimdienst "Shin Beth" unterstützt worden, der für die palästinensischen Gebiete zuständig ist.
Das getroffene Objekt habe sich auf offenem Gelände, umgeben von Bäumen, mehreren Gebäuden und Baracken befunden. Auf dem Areal gab es demnach keine Zelte. Das israelische Militär erklärte, es sei auch sehr sicher, dass sich zum Zeitpunkt des Angriffs keine israelischen Geiseln in dem Objekt befunden hätten.
Dagegen hieß es von palästinensischer Seite, Israels Armee habe Zelte von Vertriebenen getroffen. Viele der bei dem Angriff verletzten Palästinenser schwebten in Lebensgefahr, hieß es aus medizinischen Kreisen im Gazastreifen. Zentralrat der Juden kritisiert Tweet des Auswärtigen Amts zu Gaza
Die Angaben ließen sich allesamt zunächst nicht unabhängig verifizieren.
Ein Ziel Israels im Gaza-Krieg ist es, Deif sowie den Hamas-Führer im Küstengebiet, Jihia al-Sinwar, gefangenzunehmen oder zu töten. Sie gelten als die beiden wichtigsten Anführer der Organisation innerhalb des Gazastreifens. Im März hatte die Armee die Tötung des dritthöchsten Hamas-Führers im Gazastreifen, Marwan Issa, gemeldet.
Nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa gab es am Morgen mehrere heftige Angriffe in der Gegend. Mitarbeiter im nahe gelegenen Nasser-Krankenhauses berichteten, dass es nicht mehr ausreichend Betten gebe, um die große Zahl der Verletzten nach den Angriffen aufzunehmen.
In sozialen Medien verbreiteten sich Aufnahmen, die einen riesigen Krater nach dem Luftschlag zeigen sollen. Zu sehen sind auch Menschen, die im Sand und Schutt graben, vermutlich um nach Überlebenden zu suchen. Die Echtheit des Videos konnte zunächst nicht unabhängig verifiziert werden.
Derweil sind die Gespräche über eine Feuerpause im Gazastreifen nach Angaben aus Ägypten unterbrochen worden. Zwei Insider sagen der Nachrichtenagentur Reuters, die Gespräche würden ausgesetzt bis Israel Ernsthaftigkeit zeige. Zuvor hat der ägyptische Sender Al Qahera News TV unter Berufung auf einen Insider berichtet, Ägypten werfe Israel vor, die Gespräche zu verschleppen.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas weist der Hamas eine Mitverantwortung für den Gaza-Krieg zu und demonstriert damit wachsende Differenzen aufseiten der Palästinenser. Die Hamas entziehe sich der nationalen Einheit und liefere Israel als Besatzungsmacht Vorwände, heißt es in einer von Abbas' Büro im Westjordanland veröffentlichten Erklärung. Damit sei die Hamas mitverantwortlich für die Fortsetzung des Kriegs. Abbas verurteilt zudem den israelischen Luftangriff auf Chan Junis, für den auch die USA als Unterstützer Israels verantwortlich seien.
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