Die Anordnung von Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik (parteilos), wonach die ihr unterstellten Beamten der Hauptstadt an den Einsatzfahrzeugen während der Fußball-EM keine Deutschland-Fahnen anbringen durften, sorgte für kontroverse Diskussionen. Slowik begründete ihre Entscheidung mit der Auffassung, dass sich bei einem internationalen Sportereignis mit Gästen aus aller Welt die Polizei "absolut unparteiisch" präsentieren müsse. Das Online-Magazin Nius berichtete hingegen von einer Einladung an die Beamten, unmittelbar nach Ende der EURO 2024 am 15. Juli, bei der Behördenveranstaltung "Hissen der Regenbogenflagge 2024" teilnehmen zu können.
Viele Beamte der Berliner Polizei hatten sich zuvor allerdings irritiert gezeigt, dass die Chefin des Hauses eine sichtbare Positionierung durch das Anbringen einer Deutschland-Fahne am Streifenwagen während der EM per Dienstanweisung offiziell untersagte. In einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel erklärte die Polizeipräsidentin:
"'Wir sind der Neutralität verpflichtet', sagte Slowik. Bei einem internationalen Sportereignis mit Gästen aus aller Welt sei die Polizei 'absolut unparteiisch'. Das Fahnenverbot für Polizisten hatte schon bei früheren Sportereignissen Debatten ausgelöst."
Politische Unterstützung erhielt sie von Berlins Bürgermeister Kai Wegener (CDU).
"Die EM ist ein Fest der Freude, der Leidenschaft und der Begegnung. Wir alle sollten gut gelaunt und unverkrampft in die Europameisterschaft starten. Natürlich muss unsere Polizei neutral bleiben."
Weniger "Neutralität" in Fragen einer unmissverständlichen politischen Positionierung präsentierten die Berliner Polizeibehörde und der Senat im Hinblick auf die "Progress Pride Flagge" an Senatsgebäuden und Info-Ständen. Dem Online-Magazin Nius liegt eine "interne Einladung" der Polizeibehörde vor. Diese richte sich dem Artikel zufolge an die rund "27.000 Beamten in Berlin":
"'Anlässlich der Pride-Week und dem Berliner CSD (Christopher-Street-Day)' lade man alle Mitarbeiter der Berliner Polizei ein, dem Flaggenhissen vor dem Polizeipräsidium beizuwohnen."
Ein offizieller Akt, der auch im Vorjahr bereits stattgefunden hatte:
Mit dem Hissen der ????-Flagge vor unserem #Polizeipräsidium setzen wir ein Zeichen für #Solidarität, #Respekt & #Vielfalt und klar gegen #Diskriminierung.Wir stehen an der Seite aller Menschen, unabhängig von Religion, Weltanschauung, Herkunft oder sexueller Orientierung.^tsm pic.twitter.com/NZZeLRzkBS
— Polizei Berlin (@polizeiberlin) July 13, 2023
Am 9. Juli informierte die Webseite des Berliner Senats bereits, unter Ankündigung weiterer entsprechender Event-Termine:
"Im Rahmen des Berliner Pride Month 2024 wird an den drei Rathäusern des Bezirksamts Mitte die neue 'Progress Pride Flagge' gehisst. Die Flagge ergänzt die Farben des Regenbogens um weitere Farben und Symbole, um gezielt queere, trans* und inter* Personen und/oder Schwarze sowie People of Color zu repräsentieren und ihnen mehr Sichtbarkeit zu verleihen."
Welche Flaggen-Variante die Polizeibehörde dabei dieses Jahr auswählen wird, ist laut Nius-Artikel noch nicht bekannt. Der Beitrag erinnert, dass "auch das Polizeipräsidium im Rahmen der Heim-EM nicht schwarz-rot-gold beflaggt wurde". Eine Presseanfrage, die "die Beweggründe für das Hissen der Flagge und die doppelten Standards im Umgang mit Fahnen erfragen wollte", ließ die Pressestelle der Polizei "bis Fristende unbeantwortet".
Polizeihauptkommissarin Anne von Knoblauch, die "LSBTIQ-Sprecherin der Berliner Polizei", erklärte im Februar 2024:
"Uns ist es ein sehr, sehr großes Anliegen, weiterhin Vertrauen von der queeren Community zu bekommen, und uns als Ansprechperson für LGBTIQ bekanntzumachen."
Im Jahr 2019 kritisierte bereits der Verein "Unabhängige in der Polizei e.V." das Hissen der Regenbogenflagge an Amtsgebäuden und erkannte darin "einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot der Behörde".
Regenbogenflagge hinter amtlichen Wappen der @polizeiberlin. Klarer Verstoß gegen das Neutralitätsgebot, das muss man auch scharf kritisieren. Offensichtlich hat das ^tsm die Funktion eines staatlichen Organs immer noch nicht verstanden. pic.twitter.com/rX0YkVbhvy
— Unabhängige in der Polizei e.V. (@UPol_eV) July 20, 2019
Der Nius-Artikel zitiert eine Stellungnahme der "LSBTIQ-Sprecherin" Knoblauch aus einem Stern-Interview im Juli des Vorjahres:
"'Die Nachwuchskräfte diskutieren und haben Spaß am LSBTIQ-Tagesseminar', sagte die Beamtin im Juli 2023 im Stern. 'Auch ältere Polizisten bedanken sich oft bei mir, weil sie endlich lernen, dass sie vor queeren Menschen doch keine Angst haben müssen. Mein Ziel ist, dass jeder Polizist und jede Polizistin in Berlin dieses Seminar einmal besucht'."
Jörn Badendick, der stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbandes Unabhängige in der Polizei, erklärte gegenüber Nius:
"'Eine solche Beflaggung verstößt gegen das Neutralitätsgebot.' Die Polizei sei für alle Bürger da und stehe im Dienst des deutschen Staates. Dies schließe auch konservative und religiöse Personen ein, die etwa mit queeren Themen fremdeln oder sich gegen die Gleichstellung von LGTBQ-Personen aussprechen. 'Auch deshalb ist eine Regenbogenflagge oder Progress Pride-Flagge vor dem Polizeipräsidium das völlig falsche Zeichen.'"
Vielmehr entstehe der Eindruck, "dass Beamte sich hier in den Dienst einer Ideologie stellen sollten". Zuletzt positionierte sich im Juni das Auswärtige Amt in Berlin unmissverständlich zu dem Thema.
Das Neutralitätsgebot regelt im deutschen Beamtenrecht die politische Unvoreingenommenheit der Staatsdiener. So wird von den Beamten erwartet, dass sie ihre Aufgaben "unparteiisch und gerecht ausführen" und sicherstellen, dass "ihr Handeln frei von politischen Einflüssen bleibt".
Im Stern-Interview wurde Knoblauch gefragt, "vor welchen Personengruppen sich queere Menschen in Berlin denn besonders in Acht nehmen sollten". Die "LSBTIQ-Sprecherin" erklärte, dass es in einer Stadt mit rund 3,6 Millionen Menschen im Jahr 2022 zu "542 angezeigten homo- und transphoben Straftaten" kam. Die "Attacken auf queere Menschen" würden zumeist "aus Gruppen junger Männer heraus" erfolgen, die damit "ihre Männlichkeit beweisen" wollten.
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