Nach dem tödlichen Schuss am Set des Westerns "Rust" steht Filmstar Alec Baldwin vor Gericht. Dort musste er noch einmal die letzten Momente von Halyna Hutchins ansehen. Mit ernstem Blick und sichtbarer Anspannung folgt Alec Baldwin dem Eröffnungsplädoyer seines Anwalts. Im Prozess gegen den Hollywoodstar geht es um die Frage, ob der 66-Jährige bei dem tödlichen Schuss auf eine Kamerafrau am Filmset des Westerns "Rust" 2021 fahrlässig handelte und deshalb ins Gefängnis muss. "Es wird in diesem Prozess keinen einzigen Zeugen geben, nicht einen einzigen Beweisfetzen dafür, dass Alec wusste oder hätte wissen können, dass die Waffe mit einer scharfen Patrone geladen war", betonte Verteidiger Alex Spiro vor Gericht in Santa Fe, im US-Bundesstaat New Mexico. "Schauspieler überprüfen die Waffen nicht, die Sicherheit wird von speziellem Personal gewährleistet", führte der Anwalt gegenüber den zwölf Geschworenen weiter aus. Der Tod von Kamerafrau Halyna Hutchins sei eine Tragödie gewesen. Doch die Verantwortung dafür, dass Waffen bei Filmdrehs ungefährlich sind, liege bei Waffenmeistern und anderen Angestellten. Kein Schauspieler hätte jemals scharfe Munition aus einer Revolver-Requisite entfernt, so Spiro weiter. Alec Baldwin habe sich deshalb nichts zuschulden kommen lassen, sondern lediglich seinen Job gemacht und geschauspielert. Zwölf Geschworene sollen bei dem auf acht Verhandlungstage angelegten Verfahren entscheiden. Baldwin hatte auf "nicht schuldig" plädiert. Ihm drohen bis zu 18 Monate Haft. Staatsanwältin mit schweren Vorwürfen Die Anklage geht auf einen Schuss-Vorfall am Set von "Rust" zurück. Am 21. Oktober 2021 zückte Hauptdarsteller Baldwin bei Proben einen Revolver, wie im Drehbuch vorgesehen. Doch statt harmloser Platzpatronen löste sich scharfe Munition. Die Kugel traf Kamerafrau Hutchins sowie dann den hinter ihr stehenden Regisseur Joel Souza an der Schulter. Die Mutter eines damals neunjährigen Sohnes starb kurz danach, Souza kam mit leichteren Verletzungen davon. Staatsanwältin Erlinda Johnson legte vor der Jury eine andere Version zur Verantwortung Baldwins dar: "Die Beweise werden zeigen, dass derjenige, der mit einer echten Waffe gespielt und die Grundregeln der Waffensicherheit verletzt hat, der Angeklagte Alexander Baldwin ist". Er sei deshalb der fahrlässigen Tötung schuldig. Johnson beleuchtete in ihrem Eröffnungsplädoyer auch die Rolle der bereits verurteilten Waffenmeisterin Hannah Gutierrez-Reed . Vielen Arbeitenden am Set sei bewusst gewesen, dass Gutierrez-Reed wenig Erfahrung als Waffenmeisterin gehabt habe. Trotzdem habe Baldwin "kein Mal, wenn er diese Waffe in der Hand hatte, eine Sicherheitsüberprüfung" durchgeführt. Der Schauspieler habe den Revolver zudem in vielen weiteren Fällen nicht sachgemäß behandelt. Baldwin habe mit ihm beim Dreh auf Menschen gezeigt. "Sie werden sehen, wie er seinen Finger auf den Abzug legte, obwohl sein Finger nicht am Abzug sein sollte", so Johnson weiter zur Jury. "Tief durchatmen, Halyna" Anwalt Spiro hielt dagegen: "Auf einem Filmset darf man den Abzug drücken." Falls Baldwin dies – auch wenn er sich daran nicht erinnern kann – getan habe, mache ihn das nicht schuldig. Sein Mandant habe nicht wissen können, dass die Waffe mit einer scharfen Kugel geladen war, die es auf Sets eigentlich gar nicht geben dürfe. Der Revolver sei dem Star aus Filmen wie "Jagd auf Roter Oktober" und "Blue Jasmine" geprüft übergeben worden. Nach den Eröffnungsplädoyers wurde am Mittwoch ein Polizist als erster Zeuge in dem Verfahren aufgerufen. Baldwin und die anderen Prozessteilnehmer bekamen während der Befragung mehrere Videos gezeigt, die Chaos und Verwirrung nach dem Todesschuss zeigen. In einer besonders intensiven Aufnahme war zu sehen, wie Menschen um das Leben Hutchins kämpfen, die leblos auf dem Boden liegt. "Halyna, tief durchatmen, tief durchatmen, da hast du es. Tief durchatmen, Halyna. Jesus", hört man eine Sanitäterin sagen. Baldwin schien beim Anschauen des Filmmaterials mit seinen Emotionen zu kämpfen. Immer wieder senkte er den Blick und legte seine Hand an die Stirn. Den Prozess hat Richterin Mary Marlowe bis Mitte Juli angesetzt. Dabei sind Kameras zugelassen – per Livestream wird das Verfahren der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im Zeugenstand werden unter anderem Filmschaffende, Ermittler und Waffenexperten erwartet. Ob Baldwin selbst aussagen wird, ist bislang nicht bekannt.