Bei der jährlichen Auswertung zur Pressefreiheit der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ belegt Polen im Jahr 2024 den 47. Platz. Damit bestätigt der osteuropäische Staat die positive Tendenz der letzten Jahre. 2022 schnitt Polen auf Rang 66 noch bedeutend schlechter ab. Bereits seit 2015 wird von Expert:innen immer wieder der Vorwurf geäußert, dass die Regierung Einfluss auf die Meinungsfreiheit nehme.
Der Regierungswechsel im Jahr 2023 sorgte auch medienpolitisch für gravierende Änderungen, zum Beispiel durch Personalwechsel in den öffentlichen Medienhäusern. Eine neue Präsidentenwahl steht schon 2025 an. Der aktuelle Präsident Polens ist Andrzej Duda, welcher bereits 2015 aus der Partei Prawo i Sprawiedliwosc (PiS) austrat, jedoch weiterhin dem Programm der Partei folgt. PiS wird als rechtskonservative und -populistische Partei eingeordnet.
Zwar ist eine große Medienvielfalt in dem Land geboten und auch regierungskritische Medien erreichen große Teile der Bevölkerung, aber eine differenzierte Betrachtung der Medienlandschaft zeigt, welche Herausforderungen dennoch bestehen. Die auflagenstärksten Tageszeitungen, Fakt und Gazeta Wyborcza, stammen aus unabhängigen Medienhäusern. Die meistgesehene Fernsehsendung, Fakty, ist eine Produktion des Privatsenders TVN, der ebenfalls regierungsunabhängig agiert. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass es Abweichungen bei der Empfangbarkeit der Sender gibt. Insbesondere in ländlichen Regionen, in denen die PiS einen Großteil der Stimmen einsammelt, ist der regierungsnahe Sender TVPinfo empfangbar, der regierungskritische Sender TVN24 jedoch nicht überall. Laut einer Studie der Bundeszentrale für politische Bildung haben mehr als ein Drittel aller Polen keinen Zugang zum Informationskanal TVN24, da dieser nur im Kabelangebot abgerufen werden kann.
Um ein aktuelles Verständnis für das polnische Mediensystem und die Auswirkungen der medialen Situation auf die Gesellschaft zu verstehen, ist es essenziell, einen Blick auf die Historie des europäischen Staates zu legen. Das Mediensystem hat von der Nachkriegszeit über das Ende der Sowjetunion bis heute tiefgreifende Veränderungen durchgemacht. Nach dem zweiten Weltkrieg galt Polen als Satellitenstadt der Sowjetunion und litt gerade in den ersten Jahren unter strenger Zensur der Medien. In den 1980er Jahren befand sich die Regierung jedoch in einem deformierten Zustand und Untergrundbewegungen zu Gunsten der Opposition wurden stärker. Diese fanden Rückhalt in der Bevölkerung und entwickelten eine sogenannte Untergrundpresse. Hierbei verschwammen die Grenzen zwischen Aktivist:innen und Journalist:innen. Die ersten freien Wahlen fanden im Jahr 1989 statt und brachten die Partei Solidarnosc („Solidarität“) als Siegerin hervor. Im gleichen Jahr fand eine Wirtschaftsreform statt, welche die Umgestaltung zur sozialen Marktwirtschaft zur Folge hatte. Durch den Systemwechsel kam es zu einer Politisierung der Medien, was zur Folge hatte, dass die Großzahl der Medien einem politischen Lager zuzuordnen war.
Die PiS-Partei und ihr Umgang mit Medien
Der Versuch der politischen Einflussnahme ist in Polen seit Jahrzehnten immer wieder ein Problem. In der ersten Amtsperiode der PiS-Partei zwischen 2005 und 2009 kam es zu Entlassungen und Versetzungen von leitenden Journalist:innen in der Fernseh- und Hörfunk-Branche. Eine geplante Kontrollinstanz zur Beaufsichtigung von polnischen Medien konnte durch harte Kritik der Medienschaffenden verhindert werden.
Im Jahr 2006 gelang es der polnischen Regierungskoalition unter der Führung der PiS einen Chefredakteur bei der Zeitung Rzeczpospolita einzusetzen, der in den Folgejahren die Regierungsarbeit journalistisch unterstützte. Auch Zeitungen wie die Fakt vom Axel Springer Verlag stützen die Politik der PiS.
Ab dem Jahr 2007 regierte in Polen eine Koalition aus der Bürgerplattform PO und PSL. Auch die PO versuchte durch die Besetzung von Intendantenposten medialen Einfluss zu nehmen, allgemein verbesserte sich die staatliche Medienpolitik allerdings. Das lag unter anderem an der Tatsache, dass sich durch den Regierungsantritt der liberal-konservative PO durch die Medienpolitik von staatlicher Seite gelockert wurde.
Ab Herbst 2015 sollte sich die Pressefreiheit in Polen allerdings wieder drastisch verschlechtern. Die PiS gewann die Wahl und konnte mit einem neuen, auch international stark kritisierten Mediengesetz den Rundfunkrat ausschalten, der zuvor für die Beaufsichtigung von Staats- und Rundfunksendern und für Lizenzvergaben verantwortlich war. Zudem konnte die Regierung durch das neue Gesetz Führungspositionen in den Sendern kontrollieren und die Chefs direkt ernennen und abberufen.
Im Jahr 2020 kündigte der staatliche Ölkonzern „Orlen” an, die Polska Press zu übernehmen. Zu diesem Zeitpunkt zählten 20 von 24 regionalen Tageszeitungen, 120 Wochenzeitungen und 500 Internetportale sowie Druckereien zum Staatsbesitz.
Im Folgejahr gelang es der PiS-Partei, ein weiteres umstrittenes Mediengesetz durch das Parlament zu bringen. Laut dem Gesetz sollten Rundfunklizenzen nur noch dann an ausländische Sender und Medienhäuser vergeben werden, wenn diese ihren Sitz im europäischen Wirtschaftsraum haben. Laut Kritikern wollte die Regierung mit dem Gesetz besonders das Sendernetzwerk TVN treffen, dessen Eigentümer unter anderem aus den USA stammen und dort ihren Sitz haben. TVN gehört der Nachrichtensender TVN24 an, der eine PiS-kritische Position einnimmt. Die USA, die EU-Kommission und auch Deutschland äußerten Kritik am Mediengesetz. Durch ein Veto des polnischen Präsidenten Andrzej Duda konnte das Gesetz schließlich nicht umgesetzt werden.
Eine neue Chance nach dem Regierungswechsel 2023?
Auch nach dem Regierungswechsel 2023 zugunsten der neuen Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk blieb die politische Einflussnahme auf die polnischen Medien ein zentraler Streitpunkt. Dennoch kommt es zu Veränderungen in der Medienpolitik. Besonders die durch die PiS-Regierung veranlasste staatliche Kontrolle der öffentlich-rechtlichen Medien wollte Tusk durch verschiedene Maßnahmen rückgängig machen und ihre Position auch durch bessere Finanzierung stärken. So wurden Mitarbeitende, die als PiS-nah einzustufen sind oder sich als Anhänger:innen der PiS zeigen, von ihren Posten entlassen. Das traf nicht nur Politikjournalisti:innen, sondern auch Moderator:innen von Talkshow oder Quizsendungen. Durch diese Entlassungen sollen die öffentlichen Medien nicht mehr durch die PiS kontrolliert werden – ein wichtiger Schritt in Richtung unabhängigen Journalismus in Polen (wir berichteten). Nach einer Entlassung von Medienvorständen durch das Kultusministerium kam es zu einer Protestwelle durch PiS-Abgeordnete, die in die Zentrale des öffentlich-rechtlichen Fernsehens eindrangen, um die neu eingesetzten Chefredakteure an ihrer Arbeit zu hindern. Der politische Machtkampf endete darin, dass Premier Donald Tusk die öffentlich-rechtlichen Medien schließlich auflöste, nachdem ein neues Haushaltsgesetz zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien politisch blockiert wurde.
in der Vergangenheit versucht, durch politische Einflussnahme, auf die polnischen Medien einzuwirken und somit ein schlechte Platzierung im Ranking herbeiprovoziert, so zeigen die Bemühungen der neuen Regierung ihre Wirkung: Im vergangenen Jahr kletterte Polen auf Platz 47. Ohne eine umfassende Medienreform dürfte es allerdings schwierig bleiben, den politischen Einfluss dauerhaft zu minimieren und das Medienvertrauen der polnischen Bevölkerung wiederherzustellen.