Mit Bürokraten-Fußball müht sich Frankreich durch die EM - und scheitert an Spanien. Kann der Nationaltrainer die Équipe Tricolore wieder titelreif machen? Superstar Mbappé schaltet erstmal ab.
Kritik mussten Kylian Mbappés Franzosen während dieser für sie enttäuschenden EM reichlich einstecken. Und dann bekam Nationaltrainer Didier Deschamps nach dem Aus im Halbfinale gegen Spaniens Fußball-Künstler um die Mitternachtszeit auch noch eine für ihn unverfrorene Frage zu seinem Weg mit der Equipé Tricoloré zur WM 2026 zu hören.
"Das geht jetzt gerade wirklich nicht, wir haben gerade das Halbfinale verloren", gab der bis zur Endrunde in den USA, Mexiko und Kanada vertraglich gebundene Coach säuerlich zurück. Mon Dieu - Unerhört.
Mbappé: "Das ist eine Enttäuschung"
Ungehörig war für so einige Franzosen dagegen, wie der Weltmeister von 2018 und WM-Zweite von 2022 bei dieser Europameisterschaft auftrat. Weitgehend bieder und bürokratisch. Statt Lustfußball bekamen die Zuschauer Behördenfußball geboten. "Ich hatte den Ehrgeiz, Europameister zu werden. Ich hatte den Ehrgeiz, eine gute EM zu spielen. Ich habe weder das eine noch das andere erreicht", räumte Kapitän Mbappé nach dem letzten EM-Auftritt seiner Franzosen in München ein. "Das ist eine Enttäuschung."
Dabei hatte der Superstar für das Kräftemessen mit dem Deutschland-Bezwinger, der nach Treffern von Lamine Yamal und Dani Olmo verdient ins Finale einzog, sogar seine Maske abgelegt - gerade einmal rund drei Wochen nach seinem Nasenbeinbruch im Auftaktspiel gegen Österreich.
"Ich hatte es satt. Ich konnte damit nicht gut sehen. Ich habe mit dem Arzt gesprochen, und er hat mir gesagt, ich solle die Entscheidung wie ein Mann treffen. Ich bereue es nicht", sagte der künftige Stürmerstar von Real Madrid, dessen Nebenmann Randal Kolo Muani Frankreich sogar früh in Führung geschossen hatte.
Selbst Mbappé kann Mängel nicht kaschieren
Mbappé wirkte auch befreit. "Er hat sich ohne Maske wohler gefühlt", erkannte Deschamps, als Spieler 1998 Welt- und 2000 Europameister. Mbappé ließ also seine Maske fallen. Doch zum Vorschein kam ein begnadeter Stürmer, der die Defizite seiner Mannschaft im offensiven Zusammenspiel nicht kaschieren konnte. "Ich denke, ich muss ein Tor schießen", meinte Mbappé zu seiner Chance kurz vor dem Abpfiff selbstkritisch. "Zumindest muss der Schuss aufs Tor kommen, aber er geht drüber. Das ist die harte Realität im Fußball."
Für Deschamps bedeutet die Realität, dass er seiner defensiv sehr soliden Mannschaft offensiv mehr Savoir-vivre, mehr Lust, mehr Leidenschaft vermitteln muss. Denn mit Talent und Jugend sind Les Bleus gesegnet. Aus dem aktuellen Aufgebot sind nur N'Golo Kanté und Antoine Griezmann (beide 33) sowie Olivier Giroud (37) deutlich über 30. Und Giroud, mit 57 Treffern sogar Rekordtorschütze, hört ohnehin für Frankreich auf.
Griezmann passt sich auch an die Bank an
Deschamps vermisste bei seiner Mannschaft Effizienz. Ein Freigeist wie Griezmann dürfte sich dagegen von seinem Nationaltrainer mehr Konzept erhofft haben. "Ich habe versucht, alles zu geben, auch auf verschiedenen Positionen. Da musste ich mich anpassen", erläuterte der Offensivspieler von Atlético Madrid, der nach allerlei Rochaden schließlich gegen Spanien sogar die ersten 62 Minuten auf die Ersatzbank passte. "Das ist das Leben eines Fußballspielers", meinte er. "Andere haben nicht eine Minute gespielt. Ich werde mich nicht beschweren."
Griezmann zeigte sich trotz der dürftigen Endrunde für die Zukunft entschlossen. "Wir kommen wieder", versicherte er. Das gilt natürlich auch für Mbappé, der bei Real Madrid einen neuen Abschnitt als Fußballer beginnt. Erstmal brauche er aber Urlaub. "Ich werde mich gut erholen", sagte Mbappé. "Ich denke, dass ich das brauche, um beim Auftakt frisch zu sein und eine gute Vorbereitung zu absolvieren."