Die Grenzkontrollen zur Fußball-EM sollen bleiben, fordert Herbert Reul bei Lanz. Kritisch äußert er sich zu bundesweiten Urlaubssperren für Polizisten. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) möchte die Grenzkontrollen nach der Fußball-Europameisterschaft beibehalten. Darüber müsse ernsthaft nachgedacht werden, sagte er am Donnerstagabend bei "Markus Lanz". "Wenn das nicht funktioniert mit den europäischen Regelungen, brauchen wir eine andere", sagte er mit Blick auf das Dublin-Abkommen. Die Gäste Herbert Reul (CDU), Innenminister Nordrhein-Westfalens Thomas Hitzlsperger, Ex-Fußballnationalspieler Katja Kraus, Ex-Fußballnationalspielerin Philipp Köster, "11 Freunde"-Chefredakteur Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat zur EM vorübergehend Grenzkontrollen angeordnet. Faeser sprach in einer ersten Bilanz von einem Erfolg. So seien vom 7. bis 13. Juni rund 900 Menschen an der Einreise gehindert worden. Reul regte bei Lanz an, Grenzkontrollen vielleicht nur für eine bestimmte Zeit nach der EM fortzuführen. Der NRW-Innenminister, in dessen Bundesland 20 der 51 EM-Partien stattfinden, zeigte sich angesichts der bisherigen Polizeibilanz "angenehm überrascht". Das vermeintliche Problemspiel England gegen Serbien sei friedlich verlaufen. "Bei Schalke gegen Dortmund ist mehr los bei uns auf der Straße", habe die Polizei berichtet, sagte Reul – genau darin sah er jedoch ein großes Problem. Anders als bei den Grenzkontrollen sind Polizeieinsätze wie in den Stadien laut Reul nach dem Großereignis nicht denkbar. "Das ist gar nicht durchzuhalten. Da muss man relativ ehrlich sein", sagte der CDU-Politiker. Was es an normalen Spieltagen in der Bundesliga an Einsätzen gebe, sei "schon irre", kritisierte er und forderte mehr Engagement der Fußballvereine. Der CDU-Politiker monierte auch die Belastung für Ordnungshüter durch die EM. "Jetzt haben alle Polizisten in Nordrhein-Westfalen – ich glaube, in ganz Deutschland – keinen Urlaub für ein paar Monate", sagte er bei Lanz. Das klinge vielleicht nicht nach einer großen Sache. "Aber die können dann auch nicht alle einfach Urlaub machen", ergänzte Reul, der für den Besuch bei "Markus Lanz" von der Innenministerkonferenz in Potsdam nach Hamburg gekommen war. Bei Islamisten wird Lanz gestoppt Als der Moderator aber Festnahmen mutmaßlicher islamistischer Attentäter in den vergangenen Tagen zu sprechen kam (darunter am Flughafen Köln/Bonn), mauerte Reul plötzlich. "Jetzt wollen wir hier keine Details ausbreiten", stoppte er den Moderator. Der wandte ein: Interessieren würde mich das schon. "Verstehe ich. Trotzdem muss man nicht alles wissen", erwiderte Reul. "Das Wichtigste ist: Es gibt diese Leute", sagte der NRW-Innenminister mit Blick auf Einzeltäter, die sich durch extremistische Online-Prediger radikalisierten. Der 71-Jährige forderte hier – aber auch bei Ermittlungen wegen Kindesmissbrauchs – mehr rechtliche Handhabe für die Strafverfolgungsbehörden. Es sei "ein irres Problem", dass monatelange Ermittlungen nötig seien, anstatt direkt über die IP-Adresse Daten zum Verdächtigen zu erhalten. Die ehemalige Nationalspielerin Katja Kraus zeigte sich angesichts der Sicherheitslage an den EM-Spielstätten verunsichert. Sie habe vor einigen Tagen das erste Mal gezweifelt, ob es eine gute Idee sei, ihre Töchter mit ins Stadion zu nehmen, sagte die Ex-Torhüterin bei "Markus Lanz". Einen konkreten Anlass habe es nicht gegeben, eher einen "mulmigen Moment" bei der Sicherheitskontrolle. Köster: Geht weit weniger aggressiv zu Was macht mehr Aggression mit dem Fußball?, wollte Lanz vom "11 Freunde"-Chefredakteur Philipp Köster wissen. Der aber erinnerte an die gewaltsamen Hooligan-Ausschreitungen der 90er-Jahre oder auch an fremdenfeindliche Exzesse früherer Zeiten und meinte: Heute geht es abgesehen von martialisch anmutenden Inszenierungen allgemein weit weniger aggressiv zu. Das wollte Reul zumindest für die Gesellschaft als Ganzes so nicht unterschreiben. Nun würden bereits 14-Jährige extremistische Anschläge planen. Ob das auch passiert wäre, wenn diese Jugendlichen in einen Fußballverein gegangen wären?, fragte Reul und bezweifelte dies. Denn beim Sport würden Kinder lernen, dass Leistung und Regeln wichtig sind und es nicht immer nach dem eigenen Kopf geht. "Das können viele nicht mehr. Und dann flippen die aus. Und dann habe ich nachher auf der Straße Leute, die meinen: Wenn ich meinen Willen nicht bekomme, dann kommt eben ein Messer raus", so der Innenminister. Eine unglaubliche Leistungsbereitschaft attestierte Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hingegen den jungen Spielern bei dieser EM, allen voran dem erst 16-jährigen spanischen Star Lamine Yamal. Den wolle der FC Barcelona angeblich nur für eine Milliarde Euro ziehen lassen, berichtete Lanz. Experten loben Nationalmannschaft Ob Deutschland nach den ersten Erfolgen der eigenen Elf ein neues Sommermärchen bevorsteht, das lässt sich nach Ansicht von Köster bisher nicht absehen. Die gute Stimmung im Land hänge auch damit zusammen, dass die Weltmeisterschaft in Katar politisch überfrachtet worden sei. Nun sei es "belebend und bereichernd, dass es erst mal unbefangen ist, um Fußball geht", sagte der Sportjournalist. "Die Mannschaft hat Lust daran, Lösungen zu finden", stellte Kraus fest. Eine solche Kreativität und Spielfreude habe man lange nicht gesehen. "Jetzt wirkt das sehr befreit", urteilte die Ex-Nationalspielerin. Köster erhoffte sich von der EM – bei allem vorsichtigen Optimismus – andere "Langzeitfolgen" als Grenzkontrollen. "Wenn der Fußball akzeptiert, dass er per se politisch ist, dann ist gar nicht die Frage, ob er sich parteipolitisch ausnutzen lässt. Dann müssen wir die Kraft des Fußballs nutzen", sagte er bei Lanz.