Im Spiel gegen Österreich bricht sich Frankreichs Superstar Kylian Mbappé die Nase – und ein ganzes Land bangt um den Superstar. Er wird wohl weiterspielen können. Bleibt nur die Frage, wann.
Es war eine skurrile Situation: Kylian Mbappé kehrte mit seiner blutigen Boxernase auf das Spielfeld zurück, das er kurz zuvor wegen eben derselben verlassen hatte. Es war ein Akt des Widerstands. Der Superstar der französischen Mannschaft sollte in der 89. Minute verletzt ausgewechselt werden, aber der spanische Schiedsrichter Jesus Gil Manzano ließ Ersatzmann Olivier Giroud zunächst nicht auf das Spielfeld. Mbappé lief zurück und setzte sich kurzerhand auf den Rasen, als ob er in den Sitzstreik treten wollte. Manzano war gezwungen, das Spiel gegen Österreich erneut zu unterbrechen. Über den sitzenden Mbappé ergoss sich erwartungsgemäß ein wütendes Pfeifkonzert der österreichischen Anhänger. Nebenbei kassierte der Franzose für die Aktion auch noch die gelbe Karte.
Frankreich führte zu diesem Zeitpunkt mit 1:0, die Österreicher rannten verzweifelt an, um das Eigentor von Max Wöber aus der 38. Minute auszugleichen. Am Ende blieb es bei dem Ergebnis, das für die Franzosen verdient, aber nicht glanzvoll war. Egal. Frankreich nahm die wichtigen drei Punkte mit, verlor aber seinen wichtigsten Spieler. Mbappé hatte bei einem Kopfball die Schulter des österreichischen Verteidigers Kevin Danso gerammt und musste minutenlang behandelt werden. Er blutete stark aus der Nase und sah aus wie ein angeschlagener Boxer. Es waren schlimme Bilder.
"Wir haben keine Federn, aber ein Nase gelassen", sagte Didier Deschamps, Frankreichs Nationaltrainer, hinterher. Zu diesem Zeitpunk, kurz nach Abpfiff der Partie in der Gruppe D, war nicht klar, wie schwer die Verletzung tatsächlich ist. Mbappé wurde in die Düsseldorfer Universitätsklinik gebracht, wo man einen Nasenbeinbruch diagnostizierte. Eine Operation war nicht notwendig. Das war die gute Nachricht. Auf X fragte Mbappé später seine Fans, ob jemand Ideen für eine Maske hätte, mit der er weiterspielen könne. Immerhin ein gutes Zeichen, der Humor war dem 25-Jährigen Superstar nicht ausgegangen.
Was bleibt, ist die Frage: Wann ist der französische Kapitän wieder einsatzbereit? Sie dürfte nicht nur Trainer Deschamps, sondern die ganze Grande Nation beschäftigen. Zuletzt hatte sich Mbappé mit mit einem Statement in den Wahlkampf zur Parlamentswahl eingemischt und sich gegen die extreme Kräfte von links und rechts gewandt. Nun steht er erneut im Mittelpunkt. Wie die Zeitung "Le Figaro" berichtet, fällt Mbappé für zehn Tage aus. Damit würde der 25-Jährige die verbleibenden beiden Spiele der Vorrunde gegen die Niederlande (am Freitag) und Polen (25. Juni) verpassen.
Deutschland dürfte sich angesichts der Bilder an die "Wade der Nation" erinnern. Während der EM 2008 zitterten das ganze Land und allen voran die "Bild"-Zeitung um Kapitän Michael Ballack, der an einer mysteriösen Muskelverhärtung litt und im EM-Finale gegen Spanien auszufallen drohte (Ballack wurde rechtzeitig fit, aber das Finale gegen Spanien verlor sein Team bekanntermaßen mit 0:1).
Für die Franzosen geht es zwar nicht um das Finale, aber die Gruppe mit Österreich, Niederlande und Polen ist anspruchsvoll. Im nächsten Spiel gegen Holland wollen sie den Einzug ins Achtelfinale festmachen und am Ende Gruppenerster werden. Läuft alles nach Plan, werden sie erst im Halbfinale auf Deutschland treffen (wenn bei der DFB-Elf ebenfalls alles läuft wie gewünscht!).
Ob es für Mbappé in fünf Tagen gegen die Niederlande reicht, ist offen. Deschamps hatte sicherheitshalber bereits nach Schlusspfiff die Parole ausgegeben "weiterzukämpfen", unabhängig davon, ob der beste Spieler der Welt einsatzbereit ist oder nicht.
Die Partie gegen Österreich hat einmal mehr deutlich gemacht, wie wichtig der Kapitän für das Team ist. Es war Mbappé, dessen Querpass nach einem Dribbling im Strafraum zum Eigentor gegen aggressiv kämpfende Österreicher führte. Er hatte die meisten Torchancen, auch wenn er eine hundertprozentige sträflich ausließ. In der der 55. Minute setzte er den Ball neben den rechten Pfosten, als er frei vor Österreichs Keeper Patrick Pentz auftauchte. Dem Superstar war die vergebene Gelegenheit sichtlich unangenehm.
Fakt ist: Trotz der immensen Qualität des Kaders ist der Außenstürmer für die Franzosen eigentlich nicht zu ersetzen. "Eine französische Nationalmannschaft mit Kylian ist immer stärker", betonte Deschamps nach dem Spiel. Er muss es wissen.